Seehofer

Ich könnte es nicht ertragen, wenn jetzt monatelang darüber diskutiert und gestritten wird, ob und wann Seehofer auch als Innenminister zurücktritt.

Hat denn dieser Mensch überhaupt keine Selbstachtung und keinerlei Gespür dafür, dass die Menschen jetzt etwas anderes wollen und brauchen?

Es ist wirklich unfassbar!

“The Beatles” (Das weiße Album) von The BEATLES

Für Mensch wie mich, die seit ca. 50 Jahren bewusst und leidenschaftlich Popmusik hören, gibt es einen interessanten Trend: Die 50-jährigen Jubiläen von Gruppen-Gründungen oder stilbildenden Alben.
Soweit es die Gruppen noch gibt – und es gibt erstaunlich viele – gehen sie nochmal auf Tournee (ist gut für das eigene Rentenkonto); auf die “großen” Alben stürzen sich die Tontechniker mit dem Ziel, die bisherigen digitalen Remaster-Versionen noch ultimativ zu toppen. Dabei werden dann gerne aufwendig ausgestattete Luxus-Pakete zusammengestellt, die alle möglichen Alternativ-Takes und verschiedene Abmischungen beinhalten (oft einschließlich Vinyl und Dolby-Digital 5.1 ).

Jetzt also das Weiße Album von den Beatles aus dem Jahre 1968.
Mit der Tournee ist es bei ihnen schwierig; Paul und Ringo wollen sich einfach nicht zusammentun; ohne John und George geht es wohl nicht.

Ich will mich hier nicht als kompetenter Beatles-Fachmann oder als Musik-Kritiker hervortun. Über jedes Album der Beatles gibt es fachkundige Ausführungen – mit allen denkbaren musikalischen und zeitgeschichtlichen Bezügen.

Ich will nur sagen: Die Sound-Qualität dieser Neuveröffentlichung ist wirklich umwerfend. Ich habe die komplette Platte über (meine besten) Kopfhörer gehört – es ist wirklich bombastisch klar, brilliant und transparent.
Natürlich wären aktuelle Produktionen weniger “höhenlastig” – aber es gibt nun mal ein bestimmtes Ausgangsmaterial.

Wer das Album vielleicht gar nicht kennt: Es ist in die Musikgeschichte eingegangen, weil die vier Musikgenies hier eine bis dahin für eine “Beat-Band” unfassbare Breite bzw. Vielfalt von Musikstilen nutzt, um die musikalischen Ideen der einzelnen Mitglieder auszudrücken.

Wenn man sich dafür mal interessiert: Es lohnt sich in diesem Fall wirklich, das 2018-Remaster als Quelle zu nehmen.

“Tumult” von Herbert Grönemeyer

Bewertung: 4.5 von 5.

Herbert liebt man – oder man kann ihn und sein Sprechgesang kaum ertragen. Unberührt lässt er nur wenige.
Mich begleitet Grönemeyer seit 1984 (4630 Bochum) durch mein musikalisches und emotionales Leben – allerdings in den letzten 20 Jahren mit absteigender Tendenz.
Das hat sich geändert. Gestern. Denn da habe ich “Tumult” gehört.

Ja – ich halte dieses Album für ein Meisterwerk. Es ist stimm- und textgewaltig, musikalisch abwechslungsreich und unglaublich emotional intensiv.
Wenn man sich denn auf den Grönemeyer-Stil einlassen kann…

Auch in den politisch stürmischen Zeiten sind Beziehungen und Liebe die zentralen Themen. Dass es möglich ist, auch im 15. Studioalbum noch neue und kreative Formulierungen für Liebesgefühle zu generieren, gleicht einem sprachlichen Wunder.

Doch es werden auch andere Themen berührt (ausländische Sexsklavinnen, Depression und Verzweiflung, Mut und Aufbruch, unerfüllte Sehnsucht, … ) und es werden Zeichen im Bereich Migration  gesetzt: Das Album enthält ein zweisprachiges Lied (deutsch/türkisch) mit dem sinnigen Titel “Doppelherz”.

Gibt es auch etwas zu meckern?
Nun ja – an ein oder zwei Stellen hätte man sich den  schmalzigen Hintergrundchor vielleicht sparen können. Geschenkt!

Gibt es für mich in diesem Album so etwas wie eine zentrale Botschaft? Ja, vielleicht sogar zwei:
Es gibt keine Trennung zwischen privater Empfindsamkeit und gesellschaftlicher Wachheit. Wer sich in seinem Inneren wirklich spürt, ist auch nicht blind für die Dinge, die sich drumherum ereignen.
Auch wenn man seelische Abgründe, Zweifel und Apathie kennt und als Teil des Lebens akzeptiert – es gibt immer noch gute Gründe für Aufbruch, Kampf und Lebenslust. Für Herbert ist der zentrale Grund – wie könnte es anders sein – die Liebe (auch wenn eines der Lieder davon handelt, das sie zwar ersehnt wird, aber ausbleibt).

Hört es euch an – und wenn ihr Lust habt, schreibt eure Meinung!

Die Texte gibt es z.B.  hier.
(Ich schicke auch gerne ein PDF)

Ein paar Gedanken zum PLURALISMUS

Als Vorbereitung auf eine Diskussion unter Freunden habe ich ein paar Thesen aufgeschrieben, die ich auf diesem Weg etwas breiter streuen möchte.
Letztlich geht es dabei nicht nur um ein abstraktes Thema, sondern um die konkrete Frage, ob und wie unsere demokratisch-pluralistisches System angesichts der Bedrohung durch autokratische Tendenzen überleben kann.

1)  Unsere pluralistisch angelegte Gesellschaft bietet einen sicheren Rahmen dafür, dass unterschiedliche Interessen, Weltanschauungen und Wertesysteme nebeneinander stehen können und dürfen. Damit entsteht Raum für individuelle Freiheit bzw. Weiterentwicklung und Schutz vor Bevormundung und Unterdrückung.

2) Pluralistische Gesellschaften weisen aber auch Schwächen auf: Ihnen fehlt ein einigender Bezugspunkt, der Identität, Zugehörigkeit und Orientierung schafft (wie es z.B. Staaten bieten können, die ihre Basis in Tradition, Religion, Ideologie oder Nationalismus definieren und zelebrieren). Dieses Problem verschärft sich noch zusätzlich, wenn die potentielle gemeinsame Basis (Grundgesetz) nur abstrakt vorhanden ist und nicht auch emotional verankert wird.

3) Ein extrem ausgebildeter Pluralismus kann in eine Beliebigkeit führen. Dadurch, dass alle denkbaren Lebensvarianten quasi gleichwertig nebeneinander gestellt werden (und dabei auch noch Abweichungen und Minderheiten besonders beachtet bzw. geschützt werden), geht das Gefühl für das „Normale“ (vielleicht auch das „Richtige“) immer stärker verloren.

4) Die Vielfalt und offensichtliche Beliebigkeit von Lebensentwürfen und Normen überfordert insbesondere Menschen mit eher geringen (intellektuellen, emotionalen) Ressourcen. Sie sind dann z.B. Einflussnahmen von Demagogen oder wirtschaftlichen Interessen ausgeliefert und werden so – unter dem Mantel einer vermeintlichen Autonomie und Freiheit – wirkungsvoll manipuliert (z.B. indem man die Neigung in Richtung Sensation und Extrem ausnutzt).

5) Angesichts der realen Menschheitsprobleme (Ressourcen, Klima, Migration, Rüstung…) können wir uns möglicherweise diese pluralistische Haltungen einfach rein objektiv nicht mehr leisten. So können z.B. unterschiedliche Vorstellungen zur Energieerzeugung oder zum Verkehrssystem dann nicht mehr dem freien Spiel pluralistischer Überzeugungen überlassen werden, wenn davon die Zukunft der Menschheit oder des Planeten abhängt.

6) Es wird sich in den nächsten Jahrzehnten vermutlich noch stärker als bisher erweisen, dass Gesellschaften, die weniger pluralistisch sind (insbesondere China und andere asiatische Staaten) effizienter, zielgerichteter und weitsichtiger handeln können und damit wirtschaftlich erfolgreicher sein werden.

7) Aus meiner Sicht läge die Lösung in einem „gebremsten“ Pluralismus. In so einem System, würden die Grundwerte der Gesellschaft (Verfassung, Menschenrechte, Gewaltfreiheit) viel stärker in das öffentliche und erzieherische Zentrum gerückt und dort auch emotional verankert. „Abweichungen“ würden zwar nicht unterdrückt, würden aber nicht mehr automatisch durch einen besonderen „Minderheiten-Bonus“ geadelt. Gewisse Basis-Tugenden (Anstand, Ehrlichkeit, Verantwortung für das Allgemeinwohl) würden im öffentlichen Raum nicht mehr ein unverbindliches Angebot bleiben, sondern zum gewollten Identitätskern des Zusammenlebens gemacht und verteidigt.
Inwieweit in diesem Zusammenhang auch der Einfluss der Medien auf die Entstehung von gesellschaftlich relevanten Wertsystemen zum Thema werden müsste, bedarf einer besonderen Diskussion.

 

“Der begrabene Riese” von Kazuo ISHIGURO

Ich wollte mich mal wieder der ernsthafteren Literatur zu wenden. Was kann man da besseres tun, als den  – immer noch aktuellen – Nobelpreisträger von 2017 zu wählen. Dachte ich.

Vor dem Schreiben dieser Rezension musste ich mich sehr beherrschen: war ich doch wirklich sehr neugierig darauf, wie wohl die vielen positiven Bewertungen (z.B. bei amazon) begründet werden.
Möglicherweise habe ich ja mit meinem mangelhaften literarischen Wissen die wesentlichen Stärken dieses Romans übersehen, womöglich gar nicht verstanden. Vielleicht war diese Geschichte aus längst vergangenen Zeiten voller Symbole und Allegorien, die einem halbwegs gebildeten Leser einen intellektuellen Genuss bereiten.
Ich werde es später nachlesen.
Jetzt sage ich erstmal meine Meinung.

Mir war und ist der Sinn und damit auch den Wert dieses Buches nicht zugänglich. Ich weiß nicht warum diese Geschichte geschrieben wurde und ich weiß nicht, warum man sie lesen (oder in meinem Fall “hören”) sollte.

Erzählt wird von einem Ehepaar, dass sich im Britannien des 5. Jahrhunderts auf die beschwerliche Reise zu einem Dorf machen, in dem sie ihren vor langer Zeit verschollenen Sohn vermuten. Erschwert wird diese Unternehmung nicht nur durch die Widrigkeiten des damaligen Lebens und Reisens, sondern auch durch einen ominösen Nebel des Vergessens. Wie sich später herausstellt, sorgt der Atem eines Drachens für diese Gedächtnisstörung.

Das – bereits ältere Ehepaar (für damalige Verhältnisse) – ist aber nicht nur auf der Suche nach dem Sohn, sondern auch nach der gemeinsamen Paar-Geschichte, die ebenfalls weitgehend der Vergessenheit anheim gefallen ist.
Ebenfalls eine Rolle spielen die Erinnerungslücken für das nur notdürftig befriedete Zusammenleben zwischen Britannien und Angelsachsen.
Wie dünn das Eis ist, zeigen die Begegnungen mit einem alten Ritter und einem jungen Kämpfer dieser Volksgruppen – die sinnigerweise beide auch irgendwie mit der verantwortlichen Drachin zu tun haben.
Zu erwähnen bleibt noch eine mysteriöse Insel, auf die ein Fährmann ein Paar nur dann überschifft, wenn dies durch eine besonders innige und vertraute Liebe verbunden ist.

Aus diesem Stoff ist diese Erzählung gebastelt. Es gibt darin viele Dialoge, manche Kämpfe, die auch zu manchem Tod führen. Und ein plötzliches und offenes Ende.

Natürlich soll diese Geschichte für irgendetwas stehen; so ansatzweise literarisch gebildet bin ich schon. Vermutlich geht es um große Fragen des Menschseins: um Beziehungen, um Krieg und Frieden, um die Vor- und Nachteile des Vergessens, um Rache, Vergebung, Tapferkeit und Opfermut. Und vermutlich um vieles mehr – wenn man sich dann die Mühe macht, es aus dem Text zu erschließen.

Ich persönlich würde niemandem nahelegen, sich dieser Aufgabe zu unterziehen. Es gibt jede Menge Bücher, die all diese Themen in einer zugänglicheren Form anbieten. Vielleicht ist das dann nicht eine so große und nobelpreiswürdige Kunst. Mag sein; dann bin ich an diesem Punkt ein Ignorant.

PS.: Ich bin wirklich aufrichtig interessiert daran, von jemandem zu erfahren, der dieses Buch mit Genuss gelesen hat!
Und ich werde jetzt die positiven Kritiken lesen (und mich vielleicht ein wenig schämen….).