“Liebe in Zeiten des Hasses” von Florian ILLIES

Bewertung: 1 von 5.

Meistens verstehe ich ja, warum ein Buch, das mich nicht anspricht, für eine bestimmte Zielgruppe anregend und wertvoll sein könnte. Bei diesem Werk kostet selbst das eine gewisse Mühe.

ILLIES – so habe ich der Ankündigung entnommen – wollte eine Art kulturelles Sittengemälde eines extrem “zerrissenen” Jahrzehnts zeichnen, als eine Art Gegenentwurf zu den politischen Verwerfungen dieser Zeit.
Was ich einige Stunden gehört habe, waren immer wieder neue amouröse Verwicklungen einiger Hauptakteure, die auch nach fast einem Jahrhundert noch als künstlerische und literarische Avantgarde des letzten Jahrhunderts gelten: Jean-Paul Sartre, Henry Miller, F. Scott Fitzgerald, Ernest Hemingway, Bertolt Brecht, Helene Weigel, Katia und Thomas Mann.
Teilweise lustvoll-euphorisch, manchmal eher manisch-getrieben werden von diesen Menschen und ihrem Umfeld immer wieder neue Beziehungsversuche gelebt und erlitten. Das alles passiert in einer “Kunstwelt”, die in weiten Teilen von den Alltagsnöten der normalen Bevölkerung klar abgegrenzt ist.

Gut: Ich kann nicht beurteilen, wie sich diese Paare und ihre Wechselwirkungen mit der Zeitgeschichte weiter entwickelt haben. Mir war nach vier Stunden einfach so langweilig, dass ich das Buch abbrechen musste.

Für wen könnte dieses Buch geschrieben worden sein?
Nun, es verschafft kulturbeflissenen Menschen sicher ungewohnt intime und detaillierte Einblicke in die privaten Welten ihrer Idole. Auch wer aus historischem Interesse diesen Ausschnitt der jüngeren Geschichte unter einer sehr speziellen Perspektive betrachten möchte, kann sicherlich von diesem Text profitieren.

Konkret empfehlen kann ich dieses Buch niemandem. Mir leuchtet nicht unmittelbar ein, welche wirklich relevanten Erkenntnisse man aus dem komplizierten Liebesleben einer abgehobenen kulturell-intellektuellen Klasse gewinnen könnte.

“Hybris” von Johannes KRAUSE und Thomas TRAPPE

Bewertung: 2.5 von 5.

Als ausgewachsener Sachbuch-Fan kann ich mich kaum erinnern, einmal eine ähnlich schlechte Bewertung für ein offenbar erfolgreiches populärwissenschaftliches Buch abgegeben zu haben. Das liegt wohl daran, dass ich mich tatsächlich richtig geärgert habe.
Wie konnte es dazu kommen?

Es geht in diesem Buch um die Archäogenetik, Das ist ein recht moderner Zweig der Altertums-Forschung, der die bisherigen Methoden der Spurensuche und -auswertung um eine entscheidende Zutat bereichert hat. Seitdem das menschliche Genom entschlüsselt und serienmäßig lesbar ist, gelingt es nämlich immer häufiger, selbst jahrtausendealten Fossilien DNA-Informationen zu entlocken.
Das führt inzwischen dazu, dass mit einer unglaublichen Präzision erfasst werden kann, in welchem Umfang bestimmte genetische Anteile in der jeweiligen Probe stecken. So kann man z.B. auf das Prozent genau erkennen, wieviel “Neandertaler-DNA” zu verschiedenen Zeiten und Orten in den Menschen steckten (wir haben heute noch ein paar Prozent in uns).
Beeindruckend ist auch, welche Aussagen selbst über die allerfrühestens Migrationsbewegungen der unterschiedlichen (Vor)Menschen-Typen möglich sind. Viel besser als früher kann man nachhalten, in welchen Etappen und auf welchen Wegen allmählich die Ausbreitung des Homo Sapiens auf unserem Planeten vonstatten ging – wer also wann und wie z.B. den amerikanischen Kontinent frühbesiedelt hat.

Das klingt doch alles total spannend! Was habe ich denn bitte da zu meckern?
Es sind zwei Dinge, die mich an diesem Buch wirklich nachhaltig stören:
Da ist einmal die verwirrende Darstellungsweise, in der man kaum einen didaktischen roten Faden erkennen kann. Am laufenden Meter werden einem immer wieder neue Jahreszahlen um die Ohren gehauen; dabei wird rücksichtlos zwischen ganz unterschiedlichen Zeiträumen hin- und hergesprungen. Zwischendurch weiß man dann manchmal gar nicht mehr, ob man sich gerade 5000, 200000 oder ein paar Millionen Jahre von der Gegenwart entfernt hat. Für jemanden, der nicht in der Materie steht, kann diese Art der Vermittlung nicht hilfreich sein. Das Ergebnis: Man ertrinkt fast in einem Meer von Fakten und Zahlen, oft ohne zu wissen, wo sich die Wasseroberfläche befindet.
(Ich gebe zu, dass möglicherweise das Medium des Hörbuches diesen Mangel noch verstärkt hat.)

Schon fast als Täuschung empfinde ich die Sache mit dem Titel! Mit dieser Anspielung auf die aktuelle Selbstüberschätzung (“Hybris”) des Menschen wird der Eindruck erweckt (und so wird das Buch auch beworben), als ob die geschichtlichen Darstellungen eigentlich nur den Hintergrund dafür bilden würden, eine gegenwartsbezogene Analyse des menschlichen Scheiterns in Hinblick auf die aktuellen Herausforderungen auf diesem Planeten zu vollziehen. Doch beim Warten auf diesen (vermeintlichen) Höhepunktes des Buches stellt sich irgendwann eine quälende Ungeduld ein. Wenn von den sechs Vorlese-Stunden schon deutlich über fünf vergangen sind, kann die Auseinandersetzung mit der aktuellen Situation wohl nicht mehr ganz zentral werden.
Letztlich kommen sie dann, die Betrachtungen des Ist-Zustandes: Insbesondere die Pandemie, der potentielle Atom-Overkill und die Zerstörung der eigenen Lebensgrundlagen durch den (genetisch eingebrannten?) Wachstums-Wahn erinnern – so die Autoren – schmerzhaft daran, dass wir alle nicht über der Natur stehen. Ob die Selbstausrottung durch die Potentiale der KI oder eine Flucht auf andere Planenten verhindert werden könne?

Das Ganze in drei Sätzen:
Die Verbindung von Archäologie und modernster Genetik schafft faszinierende Möglichkeiten.
Auch interessierte Laien sind durch Menge und Darstellung der Details überfordert.
Über die möglichen Schlussfolgerungen für die heutige Lage der Menschheit hätte man gerne mehr gelesen.

“Der fürsorgliche Mr. Cave” von Matt HAIG

Bewertung: 3.5 von 5.

Der Autor hat einen sehr speziellen Stil, sich in die Tiefen der menschlichen Psyche einzugraben. Er lässt die alltäglichen Szenarien hinter sich, schafft durch ungewöhnliche Konstellationen erweiterte Perspektiven, schert sich dabei auch nicht um Grenzen der physikalischen Gesetzmäßigkeiten von Zeit und Raum. Sein Ziel scheint immer zu sein, intensive Emotionen zu wecken, die Leser/innen intensiv zu berühren und auf jeden Fall ein irgendwie besonderes Leseerlebnis zu vermitteln.
“Mr. Cave” lässt sich problemlos einreihen in dieses literarische Konzept.

Diesmal liegt die Quelle der Intensivierung des Geschehens in den extremen Schicksalsschlägen des gleichnamigen Antiquitäten-Händlers, dessen Familie gleich von mehreren tragischen Todesfällen betroffen ist.
HAIG schildert die psychischen Folgen der entstandenen Traumatisierung in einer geradezu schonungslosen Konsequenz, die einem immer stärker den Atem verschlägt. Was mit einer gesteigerten “Fürsorge” gegenüber der verbliebenen Tochter beginnt, entwickelt sich in einer immer pathologischeren Dynamik zu einem ganzen Katastrophen-Tsunami.

Als Leser/in wird man in diesem Buch durchaus gefordert. Es ist nicht immer ganz leicht, diesem Plot “tatenlos” beizuwohnen. HAIG schafft es (wieder einmal), dass man kaum unbeteiligt bleiben kann.

Mich hat letztlich das “Extreme”, die geradezu versessene Steigerungslogik, irgendwann innerlich aussteigen lassen. Es war mir dann doch ein wenig zu unwahrscheinlich, zu konstruiert. Vielleicht ist eine solche Reaktion ja auch eine Selbstschutz-Strategie, um die eigenen Gefühle zu regulieren…
Mein HAIG-Lieblingsbuch ist Mr. Cave ganz sicher nicht geworden. Vielleicht wird es trotzdem wieder eine Kult-Roman, weil er die menschliche Psyche auch diesmal wieder ausreizt. Nach dem Motto: Durchschnitts-Bücher sollen doch anderen schreiben….

“Das Steinzeit-Virus” von Xavier Müller

Bewertung: 2.5 von 5.

Dieses Buch kann man wohl als einen “Wissenschafts-Thriller” bezeichnen. Seine Grundidee basiert auf der Tatsache, dass in den Genen aller Lebewesen auch frühere Evolutions-Zustände gespeichert sind; diese könnten – rein theoretisch – ja auch mal aktiviert werden; vielleicht durch einen Virus.
Das passiert dann z.B. in einem abgelegenen Labor, in dem unlautere Forschungen betrieben werden.
Dann braucht es nur noch ein paar handlungstragende Protagonisten, die sich idealerweise entweder in einer (gerade komplizierten) Liebesbeziehung befinden oder in leitender Stellung für die weltweite Gesundheitspolitik zu sorgen haben – natürlich mit ganz unterschiedlichen Ambitionen und Haltungen.
Vielleicht läuft das Ganze dann irgendwann auf einen Show-Down “Gut gegen Böse” hinaus…

Auch in diesem Buch stecken ein paar originelle Ideen und – was wirklich anzuerkennen ist – ein interessantes ethisches Grundsatzthema: Es geht um die Frage, wie mit Artgenossen aus der Steinzeit tatsächlich umzugehen wäre. Anders gesagt: Wieviel Menschenrechte ständen einem Homo Erectus zu, wenn er sich plötzlich unter uns mischen würde?
Der besondere Clou in dieser Geschichte ist dabei die – leider völlig abstruse – Vorgabe, dass diese Steinzeit-Verwandten keine anonymen Mitgeschöpfe sind, sondern sich (innerhalb von Stunden bzw. Tagen) aus infizierten Mitmenschen entwickeln können. Gibt es danach noch einen irgendwie relevanten Persönlichkeitskern in diesen Ur-Menschen?

Wie bei den meisten Vorlagen dieses Genres muss man sich auch in diesem Buch damit abfinden, dass sattsam bekannte Erzählmuster kombiniert werden, um die Story mit der von Triller-Lesern offenbar erwarteten Dynamik aufzuladen. Um es anders zu sagen: Wer das ein oder andere (dick aufgetragene) Klischee in kauf nimmt, um den erhofften Spannungsbogen zu erspüren, wird sich vermutlich von MÜLLER gut bedient fühlen.
Für andere Leser/innen, deren Interesse eher den wissenschaftlichen Grundlagen oder dem moralischen Dilemma gilt, ist der (doch irgendwie banale und vorhersehbare) Plot manchmal nur mit Mühe zu ertragen.
Man muss halt wissen, was man will.