“Der Gesang der Flusskrebse” von Delia OWENS

Ich stelle einen aktuellen amerikanischen Südstaaten-Roman vor.
Er erzählt die Geschichte einer sehr besonderen jungen Frau, die schon als recht junges Kind nach und nach von ihren Familienmitgliedern verlassen wurde und in weitgehender Isolation und eingebettet in unberührte Natur in einem Marschland an der Küste von South Carolina aufgewachsen ist.

Es geht zunächst um die Entwicklung dieses Mädchens zur jungen Frau unter Bedingungen, die man sich als verwöhnter Mitteleuropäer nicht ansatzweise vorzustellen vermag. Ihr Überleben beruht letztlich auf ein tiefes Eingebundensein in die umgebende Natur, deren ausführliche und emotionale Beschreibung einen Schwerpunkt der Darstellung bildet.

Zu den ganz wenigen Menschen, die in ihrem Leben eine Rolle spielen, gehören irgendwann zwei männliche Wesen, die im weiteren Verlauf viel mit ihrem Glück bzw. Unglück zu tun haben. Hier wird wird der Entwicklungs- bzw. Naturroman zum Liebesroman.

Wegen einem dieser Männer landet sie als Erwachsene schließlich vor Gericht, was dazu führt, dass diese Story sich – ziemlich überraschend – letztlich noch in Richtung eines Kriminal- bzw. Gerichtsromans entwickelt.

Soweit – in aller Kürze – die Fakten.
Ist es ein lesenswertes Buch?

Aus meiner Sicht eindeutig “ja”!
Die Autorin schafft es wirklich gut, ihre Leser in eine extrem fremde Welt eintauchen zu lassen. Wobei sich diese Fremdheit auf ganz verschiedene Ebenen bezieht: auf die sehr besondere Landschaft, auf die intensive Einbettung in die Natur und auf die geradezu unfassbaren Sozialisationsbedingungen eines jungen Menschen und deren psychischen Folgen.
Die bildreiche und emotionale Sprache spielt bei diesem “Einfangen” des Lesers sicher eine große Rolle. Wer sich davon – und den z.T. auch ausschweifenden Naturschilderungen – nicht abschrecken lässt, bekommt als Gegenwert einen echten Ausstieg aus dem bundesdeutschen Norm-Alltag.
Es ist eine echte Perspektiverweiterung.

Gibt es auch was zu meckern?
Ich war ein wenig überrascht (und vielleicht auch minimal enttäuscht), dass sich der Charakter des Buches in der zweiten Hälfte spürbar veränderte: Ging es zunächst scheinbar um eine ruhige und intensive Milieustudie über ein berührendes Einzelschicksal, mutierte der Roman dann doch eine wenig in “gewöhnlichere” Formen – bis hin zu einem eher krimitypischen Knaller am Ende.

Trotzdem: für mich ein besonderes Lese- bzw. Hörerlebnis!

2 Antworten auf „“Der Gesang der Flusskrebse” von Delia OWENS“

  1. Auch ich fand die Geschichte erlebenswert! Sie hat mich berührt mit ihrer Zärtlichkeit, mit der das Leben und Spüren inmitten einer Natur als Kraftquelle geschildert wird. Sie hat mich berührt, mit den Schilderungen von Beziehungen, die voller Empathie und staunendem Respekt aufzeigen, dass gerade in der Stille tiefe Berührungen möglich sind. Zum Ende zu, na ja, da ging es mir etwas zu schnell, aber vielleicht auch, weil ich so gerne noch etwas geblieben wäre, in diesem Leben und mit diesen Menschen.

  2. Was für ein großartiger Roman!
    Ich lese sehr viel und habe aufgrund des Titels und der Inhaltsbeschreibung schon vermutet, dass ich hier etwas Besonderes in Händen halte.
    Doch beim Lesen wurde ich durch die überaus phantastische Sichtweise und Beschreibung der Autorin sehr gefesselt.
    Die Menschen, Landschaft, Vögel, Insekten etc. Sind in einer außergewöhnlich schönen Sprache beschrieben.
    Ein Roman, der eigentlich nie zu Ende gehen sollte – so wunderschön!
    Ich freue mich auf weitere Romane von Delia Owens und kann dieses Buch bestens empfehlen,
    Habe es mittlerweile auch in englischer Sprache verschenkt.

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