Kuba-Tagebuch 2019

Wenn ich schon einen eigenen kleinen Blog unterhalte, warum dann nicht mal so etwas wie ein Urlaubs-Tagebuch versuchen?! Keine Sorge, ich habe nicht vor über die Qualität des Essens zu schreiben. Es sollen ein paar persönliche oder landestypische Erlebnisse oder Begebenheiten werden.

Anreise (16.02.2019):

Ankunft in Havanna International-Airport. Relativ pünktlich – ist schließlich eine deutsche Fluggesellschaft, gestartet von einem deutschen Flughafen (mit einiger Verspätung, übrigens).

Ein weitgehend leeres Flugfeld, ein Bild voller karibischem Müßiggang. Ich denke: „Wie idyllisch! In Palma de Mallorca kommen die Maschinen manchmal im Minutentakt an.“ Ich denke weiter: „Wie schön – wenn der in Deutschland gebuchte und bezahlte Transfer tatsächlich vorbereitet ist – an meiner Verspätung wird er jedenfalls nicht scheitern…“

Dann die Passkontrolle. Alles klappt. Nur, dass die mühsam hervorgesuchte Zollerklärung, die ich zur Vermeidung von kritischen Blicken oder gar Abweisung natürlich ungeknickt in meinem Rucksack gesichert hatte, jetzt natürlich noch gar nicht benötigt wird: Eine Passkontrolle ist schließlich keine Zollkontrolle!

Die beiden Gepäckbänder – es gibt wirklich zwei –  wirken vielversprechend solide. Das erste Band läuft schon mit zwei unbeachteten Koffern im Kreis, sogar der Flug aus Frankfurt ist schon elektronisch angezeigt. Super.

Was dann passiert, übersteigt jedes denkbare Vorurteil gegenüber kubanischen oder karibischen Unzulänglichkeiten. In den nächsten anderthalb Stunden verwandelt sich die Ankunftshalle in das manifestierte Chaos! Nun, dass es so ca. 40 Minuten dauert, bis das erste Gepäckstück auftaucht, schreibt man noch gönnerhaft der örtlichen Mentalität zu. Muss ja nicht alles so perfekt und effizient wie in Germany sein! Das Problem gewinnt dann aber ungeahnte Ausmaße: Nicht nur, dass jeweils mehrere Minuten vergehen, bis ein neuer Koffer auftaucht. Inzwischen hat sich die Halle gefüllt, weil wohl zwei weitere Flieger angekommen sind. Und deren Kofferladungen. Und deren Koffer auf den beiden Gepäckbändern.

Nach einer Stunde stehen noch ca. 60 Prozent der Frankfurter vor Ihrem Band, das inzwischen einen ganz anderen Flug anzeigt. Dann überschlagen sich die Gerüchte: Einheimische Mitmenschen, die auch auf irgendwelches Gepäck warten, machen darauf aufmerksam, dass weiter hinten in der Halle schon jede Menge Koffer-Gruppierungen herumlümmeln, die offensichtlich von irgendjemanden schon mal liebevoll von Band zwei heruntergeholt worden waren. Eine Nachfrage bei einer der in der Halle an Tischen sitzenden, ansonsten untätigen Aufsichtsbeamten bestätigte die böse Vorahnung: Natürlich kann es sein, dass unsere Koffer auch auf dem anderen Band landen oder bereits gelandet sind. Natürlich standen dort immer andere Flüge auf der Tafel – aber bei zwei Bändern kann ja schon mal was durcheinander gehen…

Nun hieß es, die Aufmerksamkeit dreizuteilen: Für mich, der über keinen Mitreisenden verfügte, mit dem eine Arbeitsteilung organisiert werden könnte, hieß das: Im Minutentakt (manchmal auch häufiger) durch das Gewusel von Menschen, Kofferwagen und Koffer-Ansammlungen hin und her zu flitzen, damit keine Zeit durch einen ungenutzten Rundlauf verloren ging. Schließlich erschien es mir ja sowieso schon völlig unwahrscheinlich, dass irgendein Transferbus immer noch auf mich warten könnte. Warum dreiteilen bei zwei Bändern? Nun, natürlich musste ich auch die Koffer-Haufen im Blick halten, die sich an verschiedenen Stellen der Halle gebildet hatten.

Nun ich will niemanden langweilen. Es würde mir sowieso niemand glauben, wie oft ich hin und her gelaufen bin.

Wie es ausging? Nachdem die beiden anderen Maschinen weitgehend durch waren, wurden wieder vermehrt Frankfurter Koffer gesichtet. Auf beiden Bändern. Irgendwann war auch meiner dabei. Auf dem falschen Band natürlich. Aber was heißt schon falsch, wenn auch am „richtigen“ Band schon ewig nichts mehr von unserem Flug zu lesen war.

Und was ist mit meinem Transfer passiert? Schließlich wartete mein Hotel in ca. 140 km auf mich und auf meinen Magen. Nun: Während ich mit zunehmender Mutlosigkeit auf all die Abholschilder starrte, die den Namen von anderen Reisenden oder Abholdiensten trugen, sprach mich ein netter Herr auf Englisch an. Ob ich vielleicht Frank Wecker sei. Ich war im Paradies gelandet! Man hatte auf mich gewartet. Die Frage, woran er mich erkannt hätte, beantwortete er mit dem Hinweis auf seine Erfahrung.

Der erwartete Bus erwies sich als komfortable Limousine, dessen Fahrer nur mich als Kunde hatte und mich sicher und bequem in zwei Stunden am Ziel ablieferte.

Ich hatte in Deutschland für diesen Transfer, der als Einzeltransfer ab 140 € angeboten wurde, 21 € bezahlt. Dieser Mensch war für diesen Auftrag mindestens sechs Stunden unterwegs; allein der Sprit hat sicher mehr als 21 € gekostet. Ich habe 25% Trinkgeld gegeben. Man kann ja auch mal großzügig sein… (natürlich war der Fahrer von einer Firma eingesetzt und hat dieses Verlustgeschäft nicht selber schultern müssen).

Tag 1 (17.02.2019)

Frank macht einen Chill-Urlaub, mal so richtig runterkommen. Da bietet sich doch mal eine Analyse des Tag 1 an.

Um 4:30 aufgewacht. Da ja meine innere Uhr noch überwiegend deutsch tickte, war mir schnell klar, dass an ein Wiedereinschlafen nicht zu denken war (auch nach nur fünf Stunden Schlaf). Warum also erst einen frustrierenden Versuch starten?

Also was tun? Ein Sonnenaufgang schien noch nicht in Sicht. Das verschafft Zeit für Auspacken und Einräumen. Trotz völlig übertriebenem Garderobenumfang ist das kein echter Zeitfüller. Lesen hilft immer.

Endlich beginnt es zu dämmern. Sonnenuntergänge fotografiert jeder; beim Sonnenaufgang trennt sich die Spreu vom Weizen! Am besten gleich mit einem Strandspaziergang und einer Umgebungserkundung verbinden. Man will ja schließlich wissen, wo man gelandet ist. Danach ist es immer noch zu früh für ein frühes Frühstück – aber an der Bar kann man schon einen Cappuchino trinken. Und da das Internet ja immer offen hat, kann man und ein paar WhatsApps versenden..

Nach dem Frühstück und einer kurzen fotografischen Dokumentation des Hotelgartens (sowas vergisst man ja sonst gerne) mal schnell ein Kajak mieten, bevor es zu voll wird und womöglich Wartezeiten entstehen. Leider sind die jungen Männer noch nicht bereit. Komisch: Ich dachte immer, das frühe Kajak vertreibt den Fisch (oder so ähnlich). Okay, die Wartezeit kann ja mit einem ersten Schwimmen im Meer sinnvoll überbrückt werden. Allerdings habe ich noch kein Badetuch – seltsamerweise war die Handtuch-Station noch nicht besetzt…

Der übrige Tag verlief dann ebenfalls eher ruhig: Nach dem Bootfahren kurz den Pool ausprobieren, fünf Minuten antrocknen und dann mal in aller Ruhe ins Zimmer. Allerdings war ich kurz darauf in der Rezeption verabredet, um Ausflüge zu buchen. Wenn man schon mal unterwegs ist, kann man ja ein frühes Mittagessen mitnehmen. Nach einer kurzen Pause und der literarischen Verarbeitung meines Anreisentages war dann mal wieder ein größerer Programmpunkt fällig. Wann – wenn nicht am ersten Tag – sollte man den drei Kilometer entfernten Ort mal kennenlernen. Da wartete doch das bekannte Rock-Etablissement mit dem sinnigen Namen „The Beatles“. Die kleine Anstrengung hat sich gelohnt: Eine tolle Rockband übte für den abendlichen Auftritt und spielte sich immer weiter in ein Vor-Konzert hinein. Das hatte den Vorteil, dass ich auf dem Rückweg gleich noch die Abendstimmung in den Kasten bekam. Schnell aufs Zimmer, duschen und dann wartet schon das Abendessen.

Ob ich danach nochmal in den Ort zum Konzert fahren sollte? Zwischendurch fiel mir ein, dass ich den Fitnessraum nur kurz inspiziert hatte; das geplante Kurz-Workout ist mir irgendwie durchgegangen. Man kommt zu nix!

Als Alleinreisender kann man sich wenigstens beim Essen erholen. Dachte ich. Da bot mir eine ältere Dame einen Platz an ihrem Tisch an. Sie entpuppte sich als kanadische „Klinische Sozialarbeiterin“, die vor allem in der Forensik gearbeitet hatte und dort ein Team mit Psychologen und Therapeuten geleitet hatte. Da sie auch ein kompliziertes Privatleben hatte, boten sich auch diverse Beziehungsthemen an. An Politik kommt man ja sowieso nicht vorbei – wer mag schon die Amis! Am Ende fiel sie fast in Ohnmacht: Sie hatte mich angesprochen, weil ich ihrem Bruder so ähnlich sehe. Der heißt Frank (also auf Englisch). Die dann eigentlich fällige Diskussion über Zufälle und Wahrscheinlichkeiten wurde nicht mehr geführt. Mir war es ganz recht. Mein Worteschatz ist grottenschlecht – von Grammatik gar nicht zu reden.

Bin dann doch nicht mehr in die Stadt gefahren. Hatte für einen Tag genug gechilled. Ach so – natürlich musste ich kurz noch diesen Text schreiben. Man will sich ja nicht völlig gehen lassen….

Tag 2 (18.02.2019)

Ich habe ein bisschen gebraucht – doch dann habe ich es durchschaut. Es kann nicht anders sein! Die Sache ist nämlich so: Man engagiert in so einem All-Inclusive-Hotel ein paar bierbäuchige Touristen (so ca. 5 – 10 % der Grundgesamtheit), vorzugsweise aus Kanada. Sie bekommen den Auftrag, so perfekt wie möglich das Klischee vom All-Inclusive-Gast nachzuspielen. Man könnte wirklich darauf reinfallen, so echt wirkt das!

Die stellen sich kurz nach dem Frühstück mit ihren großen Kühlbechern (mit Deckel) an die erste geöffnete Bar und lassen sich riesige Mengen Rum eingießen und das Ganze dann mit einem süßen Saft auffüllen. Dann kommt der schwierige Teil: Einfach nur Trinken wäre ja langweilig. Es geht darum, den Becher im Laufe des Tages so wenig wie möglich aus der Hand zu geben. Natürlich: an der Bar oder an einem Tisch ist Loslassen erlaubt; aber jede Ortsveränderung – zum Pool, zum Strand, zum Zimmer – setzt notwendiger Weise das Mitsichführen des Trinkgefäßes voraus. Das gilt übrigens unbedingt auch für Strandspaziergänge. Ich konnte schon Menschen beobachten, die standen bis über dem Bauchnabel im Wasser und hatten ihr Lebenselexier in der Hand (Taucher waren nicht dabei).

Und in dem Moment wurde mir – wie schon angedeutet – der fiese Trick klar. Das ganze Schauspiel ist für jeden halbwegs denkenden Menschen so abschreckend, dass ein beträchtlicher Teil der Mitgäste kein größeres Bedürfnis hat, als sich demonstrativ abzugrenzen. Wer immer auch nur den Hauch eines Gedanken hatte, sich mal ein wenig gehen zu lassen, wird davon abrücken. „Bloß nicht dazugehören!“

Das Ergebnis: Insgesamt wird deutlich weniger Alkohol konsumiert und das Hotel spart Kosten!

Im Selbstversuch sieht das so aus: Mit großem Genuss schreite ich zur Bar, um mir ein Wasser oder einen Cappuccino zu bestellen. Ich genieße die irritierten Blicke (am liebsten habe ich dabei mein Jimi Hendrix-T-Shirt an). Habe ich dagegen mal Durst auf ein kleines Bierchen, suche ich mir einen Moment aus, in dem mich möglichst wenig Menschen beobachten können.

Cocktails meide ich ganz. Das Solidarisierungs-Risiko ist mir einfach zu hoch!

Tag 3 (19.02.2019)

Der erste Ausflug ist fällig. War jetzt lange genug untätig. Meine Spiegelreflex-Kamera schaute mich schon vorwurfsvoll an.

Also morgens etwas früher gefrühstückt und pünktlich zum Hotel-Ausgang (nein, ich war nicht eine halbe Stunde früher dort!). Der Bus schon da – das versprach eine seriöse Tour!
Und dann die erste Freude: Durch mein Eintreten in den Bus wurde das Durchschnittsalter vermutlich um mehrere Monate gesenkt. Wann erlebt man das schon! Welch ein Geschenk!

Die junge Reiseführerin war nicht nur hübsch, sondern studierte auch Jura und Sprachen. Hatte außerdem noch Familie in Deutschland. Sie versuchte leider etwas sehr künstlich, kubanische Urlaubsstimmung herbeizureden. Nun ja, das gehört wohl dazu, wenn man am Ende Trinkgeld haben möchte…

Die Auftakt-Bootsfahrt verbrachte ich mit einem Berliner Tausendsassa, der mich vorne auf dem Schiff erwischte, wohin ich mich sicherheitshalber separiert hatte.
Es war einer von den Menschen, die anderen unbedingt mitteilen müssen, wie viel sie in ihrem Leben richtig gemacht haben (im Prinzip eigentlich alles!). Beruflich erfolgreich, tolles Haus (überwiegend selbst renoviert, drei Terrassen für die verschiedenen Tageszeiten; schon behindertengerecht, der Raum für die zukünftige polnische Pflegkraft sei auch schon vorhanden, leider passte die letzte Terassentür nicht optimal), Segelflieger, sein Segel-Boot irgendwie auch selbst gebaut, Inline-Skater, Yoga – eben das volle Programm. Eine Frage hat er mir auch gestellt – konnte nur kurz antworten…

Wie es so meine Art ist, wechselte ich irgendwann auf die Meta-Ebene: Ob er auch normale Menschen kenne oder nur so perfekte Menschen wie sich selbst. Er zögerte kurz. Doch, er habe einen Freund, der sei handwerklich nicht ganz so geschickt – dafür habe er aber noch deutlich mehr Geld, so dass er sich jede Dienstleistung kaufen könne.

Zum Glück war die Bootsfahrt dann zu Ende.

Ich hatte mich besonders auf zwei Stationen der Tour sehr gefreut: Den Besuch eines landwirtschaftlichen Betriebs, wo wir alles Erdenkliche über das Bauern-Leben erfahren sollten, und auf die Provinzhauptstadt Mantanza (da sollte es sogar ein wenig selbstbestimmte Zeit geben). Ich hatte vorsichtshalber einen Ersatz-Akku eingepackt.

Nach einer einstündigen Fahrt über eine holprige Straße (tolle Landschaft) wurde der Verehr langsam dichter. Ganz Rudel von Jeeps waren unterwegs – sie konnten unseren Bus problemlos überholen. Wo die nur alle hinwollten? Komischerweise war die üppige Vegetation am Straßenrand mit einer dicken Staubschicht überzogen – von Grün keine Spur mehr.
Dann ein kleiner Stau: Die Auffahrt zu unserem idyllischen Farm-Betrieb. Wir freuten uns auf die individuelle Begrüßung und Führung durch Don Juan (natürlich konnte die Reiseleitung den Farmer persönlich). In Aussicht gestellt war eine große Auswahl von tropischen Früchten, an denen wir uns – natürlich kostenlos – laben könnten.

Der erste Parkplatz hatte etwas die Ausmaße eines Fußballfeldes. Zur Hälfte gefüllt mit ca. 50 Jeeps. Also keineswegs überfüllt.

Die Einführung in das landestypische Farming bestand aus einer von Menschenmassen umringten Hütte, in der Zuckerrohr-Stangen ausgepresst wurden. Mit Handbetrieb! Bestimmt richtig pittoresk (wenn man es schaffen würde, einen Blick zu erhaschen).
Und dann die tropischen Früchte! Da standen doch vier oder fünf kleine Dessert-Schälchen mit mikroskopisch kleinen Obst-Happen. Sogar einige Baby-Bananen. Natürlich fehlt der Hinweis auf ein willkommenes Trinkgeld nicht – schließlich war das ja ein großzügiges Geschenk von Don Juan. Ach so: Man konnte auch ganze Früchte haben – gegen einen kleinen Unkostenbeitrag (die Gewinnspanne im Vergleich zum einheimischen Markt schätze ich man konservativ auf ca. 500 %).

Ich vergaß zu erwähnen: Die Farm hieß zufällig genauso wie die Reiseagentur, die diesen tollen Ausflug vermittelt hat.

Und das schöne Mantanza: Wirklich eine tolle Stadt. Es reichte gerade noch für einen kurzen Spaziergang im Gruppen-Setting. Dann schnell nach Hause. Schließlich war es schon 16:30 Uhr…

Ich liebe Massentourismus. Zum Glück hatte ich gleich einen zweiten Ausflug gebucht. Was man hat, das hat man!

Das nächste Mal berichte ich von einem Ausflug mit Linienbus oder Motorroller!

Tag 4 (20.02.2019)

Meine Freundin Silvia stellt immer gute Fragen. Fragte sie mich bei unserem heutigen WhatsApp-Telefonat (Kuba-Spanien): „Kannst du dich genießen?“ Gemeint war das „Alleinsein“. Ich hatte erzählt, dass ich bisher ganz gut zurechtkäme. Das reichte ihr nicht (ihr reicht selten die erste Antwort).

Ich zögerte etwas. Solche Fragen verlangen eine etwas differenziertere Antwort.
Ich äußerte mich schließlich wie folgt (sinngemäß): „Ich bin erst mal froh, dass ich mich nicht einsam und verloren fühle und mir die Tage nicht endlos vorkommen. Der nächste Schritt, dass ich diese Situation sozusagen zelebrieren und für eine neue Form von Selbsterleben nutzen könnte, erscheint mir noch recht groß zu sein. Ich verspüre ein deutliches Bedürfnis, den Tag zu strukturieren: mit Essen, Bewegung, Lesen, Schreiben und Musikhören. Außerdem führe ich beim Essen regelmäßig Gespräche mit meiner kanadischen Bekanntschaft. Inzwischen zeige ich ihr auch meine Fotos. Und ich kommuniziere mehrfach täglich mit meinem sozialen Netzwerk.
Ohne mich mitteilen zu können, wäre diese Art Urlaub eine ganz andere Nummer…“

Ich weiß nicht genau, ob das alles eine Art Flucht vor mir selbst ist. Ein Zeichen von getriebener Unruhe. Es fühlt sich nicht nur so an – aber vielleicht gibt es ja einen Anteil…

Natürlich gibt es auch Momente, in denen es mir auf eine positive Art bewusst wird, dass ich jederzeit autonome Entscheidungen treffen kann: wann, wo, wie und wie lange ich irgendwo bin bzw. etwas tue. Und mich mit niemandem abstimmen muss.

Damit ich das mit dem „Runterkommen“ noch besser schaffe, habe ich jetzt mal für zwei Tage einen Motorroller gemietet. Danach wird sich bestimmt ein natürliches Ruhebedürfnis einstellen. Natürlich erst nach dem Tagebuch-Schreiben.

Tag 5/6 (21. und 22.02.2019)

Bevor ich ein paar Einzelerlebnisse schildere vorab die wichtigste Erkenntnis: Ja, ich kann offenbar alleine reisen! Ich scheine unternehmungslustig, mutig und kontaktfähig genug zu sein, um interessante Dinge zu erleben und dabei auch Kontakte zu fremden Menschen einzugehen. Darüber freue ich mich tatsächlich.

In den letzten zwei Tagen (ich schreibe das am 23.02.) habe ich mich in einige Situationen begeben und (kurzzeitig) einigen sehr fremden Menschen anvertraut. Bei ungünstigem Verlauf hätte dabei auch etwas schief gehen können, technisch oder mitmenschlich. Auf Hilfe von außen hätte ich nicht hoffen können. Besondere Situationen zu erleben, besondere Fotos machen zu können, motiviert mich doch ziemlich stark. Meine tiefsitzenden Ängste („was nicht alles passieren könnte“) erfolgreich disziplinieren zu können, ist eine gute Erfahrung. Mich beim Risiko-Management selbst zu beobachten, ist eine spannende Sache.
Natürlich gibt es eine entscheidende Rahmenbedingung: Ich vertraue der kubanischen Grund-Mentalität; sie ist freundlich und friedlich. Ich hätte die gleichen Dinge niemals in einem Südamerikanischen Land getan (was vielleicht gegenüber der dortigen Bevölkerung ungerecht ist).

Einen Vorteil hat das Logieren in einem All-Inklusive-Hotel auf Varadero: Wenn man mal zwei Tage auf einem Roller auf eigene Faust unterwegs ist und dann noch die Hauptstraßen verlässt – dann ist man hier schon der Held. Dann hat man schon das Image eines wagemutigen Globetrotters. Wohl wissend, dass die echten Weltenbummler über meine kleinen Ausflüge in das reale Leben nur müde lächeln würden – kehre ich doch abends in meine wohlbehütete Vier-Sterne-Welt zurück. Bei der Einfahrt in das Hotel-Gelände einmal kurz den Arm heben und so das gelbe Bändchen sichtbar machen – schon gehört man wieder dazu – zu der Welt mit guter Matratze, sauberem Bad und unbegrenztem Angebot an Essen und Trinken.

Die letzte Vorbemerkung: Was mich wirklich überrascht hat war die Erfahrung, dass das reale, authentische kubanische Leben auch von dem Tourie-Ghetto Varadero nur wenige Fahrminuten entfernt liegt. Wenn man möchte, kann man beides haben. Das war mir zwar theoretisch bewusst – aber es praktisch zu erleben, ist noch mal ein anderes Ding.
Gestern waren es ca. 20 Minuten, die zwischen dem Pferdefuhrwerk-Schulbus in einem kleinen Dorf und dem ersten Luxus-Quartier auf Varadero lagen. Das ist ein ziemlicher Spagat – sicher nicht nur für den Tourie, sondern auch für die Einheimischen. Im Grunde liegt zwischen den beiden Welten mehr Distanz, als zwischen den ersten Eindrücken meiner Kindheit und der aktuellen Smartphone-Welt.

Soweit die Einleitung. Ich werde in den nächsten Stunden und Tagen ein paar Episoden aus meinen beiden Ausflugs-Tagen aufschreiben. Für mich und für euch (also für die paar Menschen, die sich tatsächlich die Mühe machen, meinen Blog hin und wieder zu öffnen). Von meinen Buch-Rezensionen habe ich gelernt, dass ausformulierte Gedanken und Erfahrungen intensiver und prägnanter sind als nur „gedachte“. Das Aufschreiben verlangt eine gewissen Konkretisierung. Es ist ein wenig so, als ob die gleiche Situation dadurch mehr Gewicht und Bedeutung bekäme.

So ähnlich geht es mir übrigens auch mit dem Fotografieren. Anders als es das gängige Vorurteil behauptet, lenkt mich das Fotografieren eben nicht vom Wahrnehmen im Hier und Jetzt ab – sondern es intensiviert diesen Prozess. Ich würde niemals so genau hinschauen, wenn ich nicht auf der Suche nach Motiven wäre.
Also meine Erkenntnis: Urlaubserlebnisse aufzuschreiben ist (für mich) wie Fotografieren. Man nimmt Dinge in den Fokus, trennt etwas von dem Hintergrund, versucht das Wesentliche herauszufiltern und will das Ganze dann noch ästhetisch schön wirken lassen (wobei da meine fotografischen Möglichkeiten sicher ausgereifter sind als meine sprachlichen).
Es erscheint mir als optimale Kombination von etwas erleben und etwas (durch Bearbeitung des Erlebten) zu schaffen.
(Das soll bitte niemand in den falschen Hals bekommen: Ich sage das alles aus der privilegierten Situation heraus, dass ich mich hier nicht von einem anstrengenden Arbeitsalltag erholen muss. Jeder darf gerne völlig anders Urlaub machen. Vielleicht wäre ich ganz froh, wenn ich es schaffen könnte, einfach nur abzuhängen. Vielleicht im nächsten Leben…).

Es geht bald weiter…

Die Tourie-Brille
Vorerfahrungen und Vorurteile lenken unsere Wahrnehmung und schaffen dabei Schablonen, die wir über das stülpen, was unsere Sinnesorgane aufnehmen.
Nachdem ich ca. 30 min. über eine vierspurige Schnellstraße Richtung Osten gebraust war (für mich fühlen sich 70 km/h auf einem Roller schon sehr brausig an), kam ich in dem sehr ursprünglichen Nachbarort „Cardenas“ an. Alles wirkte ziemlich fremd. Plötzlich eine andere Welt: staubig, laut, mehr Pferdefuhrwerke als Autos. Ich kam mir vor wie ein Eindringling. Die Stadt schien keine Struktur zu haben. Auf dem Weg zum Meer wurden die Straßen immer holpriger, die Gebäude immer brüchiger. Irgendwo musste ja zumindest so was wie ein Strand sein.
Was ich schließlich fand, war ein riesiger Industrie-Komplex. Alles sehr runtergekommen. Aber es gab einen hohen Fahnenmast bei einem kleinen Denkmal und es erklang Musik. Trompetenmusik. Und es stand noch ein Roller geparkt. Offensichtlich hatte ich doch ein touristisches Highlight gefunden.
Also tat sich das, was ich in den folgenden zwei Tagen immer tun würde: Ich stieg ab und erkundete die Lage.
Ein junger Mann war an die Mauer des Denkmals gelehnt (der einzige Schattenplatz) und musizierte. Wie das die Kubaner nun mal tun, wenn Touristen in der Nähe sind. Ich spähte schon nach dem Hut.
Die nächste Pause nutzte ich beherzt aus: Ob ich im etwas Geld geben könnte, fragte ich vorsichtig auf Englisch. Er war ganz offensichtlich überrascht, schaute etwas skeptisch und sagte dann doch freundlich: „If you like.“
Danach kamen wir ins Gespräch. Leute anzusprechen war für mich früher eine echte Herausforderung; inzwischen geht mir das recht locker von den Lippen. Es stellte sich heraus, dass er diesen Platz zum Üben gewählt hat, weil es seiner Familie und den Nachbarn zu laut wäre (er war gerade Vater einer Tochter geworden). Das Spielen an dieser Stelle hatte also rein pragmatische Gründe. Das Geld hatte er wohI nur  angenommen, um mich in meinen touristischen Erwartungen nicht zu enttäuschen; er hat mir einen Gefallen getan. Ich erzählte dann ein wenig von mir (sein Englisch war besser als meins). Dann fragte ich nach dem Strandleben und den Sehenswürdigkeiten des Ortes. „Strand?“ Dies sei hier einer der beiden Strände des Ortes, niemand gehe hier schwimmen, seit Jahren nicht mehr. Varadero sei doch in der Nähe…
Später habe ich das am zweiten Strand überprüft. Es schien mir dann glaubwürdig, weil der Weg dahin über mehrere Kilometer an beiden Seiten von Müll gesäumt war. Ich meine nicht so ein paar weggeworfene Dinge – es schien sich um die offizielle Müllentsorgung des Ortes zu handeln. Ich fuhr trotzdem bis zum bitteren Ende. Eine komplette und völlig heruntergekommene Einöde erwartete mich. Diese Gegend als ärmlich tzu bezeichnen, wäre das Understatement des Jahres gewesen.
Vor eine Hütte mit ein paar Skulpturen stieg ich trotzdem ab. In einem solchen Moment wollte ich nicht nach meiner hochwertigen und protzigen Spiegelreflex-Kamera kramen, sondern zückte mein Handy.
Da wurde von einem Herrn die Künstlerin herbeigerufen. Ich drückte meine Bewunderung in meinem zehn Worte umfassenden spanischen Wortschatz aus und fotografierte auch die Dame selbst.
Sie nahm dann meinen CUC (ca. einen Euro) freudig überrascht an. Vermutlich konnte sie davon eine Woche leben (wenn sie sich auf die subventionierten Grundlebensmittel beschränkte).

Vermutlich hat der junge Trompeter, der mir natürlich vor dem Abschied (mit Handschlag) noch ein kleines Konzert gegeben hatte (die Begleitinstrumente wurde von seinem Smartphone eingespielt) später seiner Frau von dem verrückten (aber nicht unsympathischen) Deutschen erzählt, der ihm Geld für sein Üben gegeben und der – aus Varadero kommend – hier nach einem Strand gefragt hat: „Schatz, es gibt schon lustige Vögel und absurde Begebenheiten…“

Der naive Kuba-Freund:

Ich war fast durch mit Mantanzas. Der Provinzhauptstadt, die ich mir jetzt nochmal alleine erobert hatte – nach der Zumutung der Tages-Bus-Tour. Ich war soweit zufrieden. Schöne Fotos im Kasten.

Da fehlte nur noch die historische Brücke. Den Standort hatte ich mir vom Besitzer des kleinen Restaurants, in dem ich mein Mittagessen zu mir genommen hatte, auf meinem Smartphone zeigen lassen. Natürlich hatte ich daran gedacht, mir die entsprechende Karte für die Offline-Nutzung zu Hause runterzuladen. Alles andere wäre auch dilettantisch gewesen.
Hinter der Brücke lag ein kleiner Park. Vielleicht bot er noch eine gute Perspektive auf die vier altertümlichen Säulen, die irgendwie nutzlos die Brücke einrahmten. Eine junge Frau setzte sich auf die Mauer in der Nähe. Sie fragte, ob ich von ihr ein Foto machen wollte. „Warum nicht“, dachte ich, „mehr als hinterher dafür Geld zahlen zu sollen, kann mir ja nicht passieren.“
Also schoss ich ein paar Fotos, bedankte mich, zahlte kein Geld und entfernte mich. Da rief sie mir nach, ich solle doch nochmal zurückkommen. Ich zögerte, sie blieb hartnäckig. Ich schaute mich nach allen Seiten um, ob vielleicht ganz zufällig zwei oder drei junge Männer näher schlenderten. Das war nicht der Fall. Also ging ich zurück und fragte, was sie wolle. Ein bisschen reden. Ich machte darauf aufmerksam, dass wir bereits festgestellt hatten, dass eine sprachliche Verständigung kaum möglich war. Sie führte ins Feld, dass sie doch ein paar Brocken Englisch könne.
Sie kam darauf zu sprechen, dass sie Zimmer vermietete. „Okay“, dachte ich, „da läuft der Hase also  längs.“ Ich zeigte mein Hotel-Armband. So was kennt hier bestimmt jeder – kaum 40 km von Varadero entfernt.
So langsam verzweifelte die junge Dame angesichts meiner Begriffsstutzigkeit. Also musste sie ein bisschen direkter werden, für die ganz Doofen: Ob ich denn gar kein „Fuckie, Fuckie“ wolle.
Und siehe da: Selbst mir wurde der Kontext der Situation allmählich zugänglich. Ich lehnte ab und versuchte noch eine kurze Antwort auf ihre Frage nach dem Grund meines Desinteresses (der Inhalt spielt hier keine Rolle).
Ich gab ihr dann doch etwas Geld. Für die Fotos. Und für den großen Aufwand, den sie betreiben musste, um herauszubekommen, ob es eine Basis für eine geschäftliche Interaktion gab.
Ich vermute, beim nächsten Touristen hat sie sofort „Fuckie, Fuckie“ angeboten.

„Schon wieder eine Schablone“, dachte ich. Mir wurde klar, dass ich offensichtlich gerne wollte, dass alle Kubaner nur „ehrenwerte“ Motive für ihr Interesse an mir hatten.

Der Friedhof

Ich mag Friedhöfe in anderen Ländern. Sie geben einen speziellen Einblick in die Alltagskultur und sind meist fotografisch sehr ergiebig. Oft findet man tolle Kontraste zwischen steinernen Grabstätten, mehr oder weniger buntem Blumenschmuck und einem blauen Himmel. Bilder der Verstorbenen schaffen oft eine Verbindung zu deren früheren Leben. Natürlich bemühe ich mich bei der Besichtigung um ein pietätvolles Verhalten. Ich fotografiere keine Trauernden und steige nicht auf irgendwelche Grabsteine, um eine bessere Perspektive zu bekommen. Wenn es eine Art Aufsicht gibt, frage ich natürlich höflich, bevor ich die Kamera zücke.
Manchmal sind die Friedhöfe auch noch traumhaft schön gelegen, eingebettet in die Landschaft – fast so, als wollte man den Toten noch ein dauerhaftes ästhetisches Vergnügen bereiten.
Ich bin übrigens sicher, dass einer der drei schönsten Friedhöfe der Welt auf meiner Lieblings-Insel Karparthos liegt. Aber ich schweife ab.

Auf dem Weg von Cardenas zurück zur Schnellstraße – eine kleinere Straße in Küstennähe gibt es leider nicht – komme ich also an einem etwas abgelegenen Friedhof vorbei. Ich halte an. Vor dem Eingang stehen bzw. sitzen drei ärmlich wirkende Männer. Ich grüße; sie tuscheln kurz und tauschen vielsagende Blicke aus. Bin ich hier wirklich gut aufgehoben?
Ich stelle den Motor ab. Den Helm lasse ich auf dem Roller liegen. Es erscheint mir nicht opportun, einen Blick in meinen Gepäckraum freizugeben. Ganz oben liegt meine Spiegelreflex-Kamera. Passt hier gerade nicht, denke ich.
Es wird schnell klar, dass man sich darüber verständigt hat, mir eine Führung zukommen zu lassen. Ich folge also einem dieser Männer in den ummauerten Friedhof und damit in eine Welt, die von außen nicht mehr einsehbar ist. Ich bin alleine und vertraue darauf, dass ein Friedhof ein friedlicher Ort sein wird.
Als erstes wird mir die Schutzpatronin der Gegend gezeigt. Ich entspanne mich. Würde man unter den heiligen Blicken der Patronin einen Touristen berauben. Wohl kaum. Dann kommen die Regale mit den Gebeinen. Sieht eher nicht so einladend aus; mir wird wieder ein wenig unheimlich.
Um mich wieder wohler zu fühlen, mache ich das, was ich immer tue: Ich fotografiere (mit dem Handy). Schließlich bekunde ich damit mein ernsthaftes Interesse.
Auf dem folgenden Rundgang werden mir einige besondere Gräber vorgeführt. Nach der vierten Station mache ich deutlich, dass es mir reicht. Ich schiebe es auf die Hitze (ich schwitze tatsächlich stark). Wir gehen zurück zum Eingang.
Mein Roller ist noch da. Sogar der Helm. Ein CUC erscheint mir ein angemessenes Honorar für die gebotene Dienstleistung zu sein.
Auf drängenden Wunsch hätte ich auch mehr gegeben…

Handwerker

Den Höhepunkt meines Abenteuers hatte ich hinter mir. 40 Minuten fast vollständig allein auf einem Feldweg quer durch die Landschaft. Mein Navi (ohne GPS würde ich keinen Meter fahren) zeigt eine durchgehende Verbindung zum nächsten Ort an. Allerdings weigert es sich, diese von mir gewählte Strecke zu berücksichtigen. Ich schalte auf Fahrrad-Navigation um. Geht doch!

Zwischendurch wird mir klar, dass es wirklich ungünstig wäre, hier eine Panne zu haben. Oder zu stürzen. Okay: Irgendwann liefen auch riesige Rindviecher frei auf dem Weg herum (ich habe sie mit einem Überraschungsangriff von hinten überholt).

Wer mal so eine Strecke gefahren ist (es waren immerhin ca. 12 km), kann das Gefühl nachvollziehen, wie es sich anfühlt, danach wieder eine asphaltierte Straße zu befahren: Man fühlt sich wie in einem Paradies; selbst die kleinste und hubbeligste Straße fühlt sich an, wie die neuen Autobahnen in Ostdeutschland. Das wirklich Tolle ist: Sobald man eine solche Prüfung überstanden hat, kommt einem alles andere so total easy und selbstverständlich vor – die Welt erscheint auch dort berechenbar und unproblematisch, wo man eine Stunde früher noch leicht angespannt die Umgebung  taxiert hätte.

Ich fahre also entspannt und gut gelaunt Richtung Norden. Da wartet mein Urlaubs-Ghetto. Da höre ich laute Geräusche. Sägen und Hämmern. Zwei Männer arbeiten in einem Unterstand, etwa 50 Meter abseits von der Straße. Ich fahre vorbei – und mein Gedanken beginnen zu rotieren: Habe ich da gerade eine Chance ausgelassen? Warteten dort vielleicht ein paar unwiederbringliche Fotos aus dem kubanischen Alltagsleben auf mich? Authentisch und pittoresk?
Ich brauchte ungefähr 50 Meter, um mich zu entscheiden. Ich drehe um. Bevor ich überhaupt angehalten habe, beginnen die Männer schon zu winken. Mein kurzes Zögern verstärkt die Wink-Heftigkeit.
Eigentlich ist es mir fast zu dolle. Eigentlich entscheide ich gerne alleine, wo ich hingehe. Hier scheint man mir die Entscheidung geradezu abzunehmen zu wollen. Muss mich das misstrauisch machen?

Natürlich kann ich nicht widerstehen. Wäre inzwischen auch extrem unhöflich gewesen, einfach weiterzufahren. Ich nehme meinen Helm ab, gehe zur Freiluftwerkstatt, stelle mich vor und zeige Anerkennung und Interesse. Es handelt sich um eine Art Tischlerei. Ich erkenne Stuhlbeine, frage nach der Tätigkeit.
Der junge Handwerksmeister (den Meisterbrief von der Tischler-Innung habe ich nicht erspäht) zückt sein Smartphone. Ich erschrecke. Ein relativ großes und neues Samsung-Modell. Ungefähr doppelt so teuer wie mein chinesisches Einsteigerklasse-Modell.
Ich bekomme die letzten zehn Werke gezeigt. Es ist alles dabei: Tische, Regale, Einbauschränke. Ich  zeige mich beeindruckt.
In Wirklichkeit denke ich: „Die Fotos sind alle viel zu dunkel; falsch belichtet. Wenigstens das!“

Die Heimkehr

Bin übrigens gut nach Hause gekommen. Das einzige Problem: Der Tank war noch viel zu voll!
Statt ökologisch zu denken, wurde mein ökonomischer Egoismus angestachelt. Sollte ich wirklich mehr Benzin zurückbringen als ich zu Beginn vorgefunden hatte? Wollte ich nicht sowieso einmal bis an die östliche Spitze der Varadero-Halbinsel vordringen?
Also fuhr ich los. Auf der langweiligen Schnellstraße, an endlosen Hotel-Komplexen vorbei. Ohne landschaftliche Höhepunkte. Öde und langweilig.
An der Spitze dann, nach 15 km eine neu erbaute Marina. So wie man sie inzwischen an jeder beliebigen Stelle der Welt vorfindet. Gesichtslos, austauschbar – die pure Tristesse. Zwei Alibifotos und zurück, in die untergehende Sonne (was die Erkennung von Schlaglöchern nicht einfacher macht).
Verschenkte Zeit, vergeudete Energie.
Aber der Tankpegel war optimal. Fast erschien es mir so, als ob ich die letzten 5 km erbeutet hatte…

Ach so: Hab dann natürlich am nächsten Morgen vergessen, pünktlich um 9 Uhr den Roller zurückzubringen. Es fiel mir gegen 10 Uhr siedend heiß ein. Hab mich dann ein bisschen beeilt (man fällt echt auf, wenn man durch so einen tropischen Garten einer Hotel-Anlage hastet). Wie viel würde er mir wohl für die Verspätung in Rechnung stellen?
Der Vermieter war natürlich völlig relaxed. Meine 50-Euro-Kaution lag schon auf seinem Schreibtisch. Ich hatte keine Quittung dafür erhalten. Auf meine Frage hin hatte er erzählt, dass er seit 31 Jahren jeden Tag hier sitzen würde. Das hat mir genügt.
Was für eine tolle Welt!

The Beatles

Nein, John Lennon und George Harrison sind nicht wieder auferstanden. Auch Paul McCartney wurde nicht auf Varadero gesichtet – der würde wohl eher auf irgendeiner privaten Südseeinsel auftauchen, wo sich Leute wie Bill Gates oder irgendwelche Wallstreet-Barone tummeln.

The Beatles heißt die Rock-Kneipe, die in Varadero-Stadt inzwischen den Rang einer Institution erworben hat. Kein Reiseführer und kein Stadtplan, in dem der Standort nicht vermerkt wäre. Kein Platz in Varadero, an dem abends und nachts mehr Oldtimer-Taxis um die Gunst der Gäste buhlen.

Die Kneipe wechselt jeden Tag zu bestimmten Uhrzeiten mehrfach ihre Identität. Von vormittags bis ca. 16 Uhr und dann noch einmal zwischen 18 und 21:30 Uhr geht es um Beatles-Nostalgie-Kult: Statuen vor dem Haus, Reliquien an der Wand, Video-Screens mit Beatles-Aufnahmen in Endlos-Loops. Vermutlich wurde das mit den Markenrechten eher locker gehandhabt …
Das ist die eine Seite. In der übrigen Zeit gibt es Live-Musik. Aber nicht irgendwelche. Es geht um die Rockmusik der späten 60-iger bis frühen 80-iger Jahre. Wie soll ich es anders ausdrücken: Es geht um die beste Pop-Musik, die jemals das Trommelfell der Menschen erreicht hat!

Beobachtungen der letzten 10 Tage lassen darauf schließen, dass es sich um einen lockeren Verbund von ca. 10 (überwiegend sehr jungen) Musikern handelt, die in wechselnden Formationen Streifzüge durch das Rockuniversum unternehmen. So selbstverständlich und cool, als wären es ihre ureigenste Zeit und Musik. Es ist geradezu unglaublich, wie routiniert das Programm dargeboten wird. Auch wenn Gitarristen wechseln – eine Abstimmung per Blick oder Gesten findet nicht statt. Auch komplexe Riffs und Breaks sind perfekt aufeinander abgestimmt. Natürlich ist man auch textsicher. Eine Augen- und Ohrenweide.

Nun zum Publikum:
Man muss zugeben: Ältere Menschen wirken auf den ersten Blick etwas spießig und langweilig. Man stellt sie sich in ihrem behaglichen Rentnerleben vor, irgendwo zwischen Günter Jauch, Gartengrill und Enkelbespaßung. Das ist natürlich ein Vorurteil, das vor Ignoranz nur so strotzt. Plötzlich sitzen diese betagten Menschen (überwiegend zwischen 55 und 70) vor so einer kubanischen Rock-Combo, bewegen sich im Takt und singen mit. Ebenfalls erstaunlich textsicher.
Guckt man genauer hin, geben viele T-Shirts dezente Hinweise auf die Höhepunkte eines ausgefüllten Lebens: Sie tragen oft die Namen und Tournee-Daten von diversen bekannten Rockveteranen. Zum Glück bin ich mit meinem Jimi-Hendrix-T-Shirt (Eigenimport aus Thailand) nicht underdresst. Ich spüre sogar anerkennende Blicke auf meiner Brust.

Als ich die ca. drei Kilometer am Strand zurückwandere, geht hinter mir langsam die Sonne unter und taucht die wenigen Wolken in die üblichen Kitsch-Farben. Manchmal erscheint das Leben für einen Moment fast unwirklich perfekt. Obwohl – einen Makel hat die Sache: Ich muss mich ab und zu umdrehen, um das Spektakel wirklich genießen zu können…

Vielleicht lege ich beim nächsten Mal noch einen drauf: Ich könnte das T-Shirt vom Tommy-Musical (The Who) vom Broadway (Eigenimport aus New York) anziehen. Wenn das nicht reinknallt…

Bewegungsverbot

Ich  habe das Schild nicht gefunden, obwohl ich die Umgebung sorgfältig gescannt habe. Immer wieder. Irgendwo musste ja die Anweisung stehen – in allen denkbaren Sprachen: Bitte nicht bewegen!
Gut – ich gebe zu, dass ich ein extremer Unruhegeist bin. Wirklich kein Maßstab. Aber trotzdem: Es erscheint kaum vorstellbar, wie wenige Menschen motorisch aktiv sind. Der riesige Pool ist entweder ganz leer oder es stehen einige fröhliche Menschen darin – in Griffweite zu ihren Kühlgefäßen (ich erwähnte diese bereits). Das Meer ist weitgehend menschenleer, obwohl die Wassertemperatur auf das Grad genau den touristischen Idealbedingungen entspricht. Manchmal sind ein paar Menschen im Wasser. In der Regel stehen sie und plaudern.
Ich habe  – aufsummiert – im Pool und im Meer in den letzten 11 Tagen nicht mehr als vielleicht fünf Menschen gesehen, die wirklich geschwommen sind. Unfassbar!

Okay – werdet ihr denken – die Menschen hier lieben eher die Strandspaziergänge. Die Bedingungen dafür sind wirklich optimal. Man kann problemlos 8 km westwärts durch wunderbaren feinen Sand laufen, kann sich dabei absolut sicher fühlen. Bei einem Schwächeanfall könnte man jederzeit für ein paar CUCs mit dem Taxi ins Hotel zurück. Null Risiko.
Ja, natürlich trifft man ein paar Spaziergänger unterwegs. Aber angesichts der Tatsache, dass die Hotels an diesem Strandabschnitt mit tausenden von Karibik-Reisenden gefüllt sind, ist der Strand geradezu menschenleer (damit meine ich nicht die Liegestühle).

Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass der Fitnessraum – an dem ich jeden Tag mindestens sechsmal entlangkomme, fast immer verwaist ist.

Was machen die Menschen den ganzen Tag? Was passiert mit all den Kalorien, die aufgenommen werden? In fester und flüssiger Konsistenz?

Vielleicht arbeiten sie ja zwischendurch an irgendwelchen Projekten? Schreiben Urlaubstagebücher oder gar an einem Buch? Nun, auch darauf habe ich natürlich geachtet. Allerdings war außer mir absolut niemand mit einem Laptop unterwegs. Obwohl es durchaus ruhige Stellen zum Arbeiten gäbe. Mit einem tollen Blick auf Palmen und Meer.

Manche Rätsel sollen wohl Rätsel bleiben.
Ich suche jedenfalls nicht mehr nach den Verbotsschildern. Das hält mich nur auf. Schließlich habe ich zu tun. Rumsitzen und rumliegen kann ich auch zu Hause. Könnte ich jedenfalls, rein theoretisch …

Elektronik

„Lass doch mal deinen ganzen elektronischen Schnickschnack zu Hause!“, höre ich gelegentlich von wohlmeinenden Mitmenschen. Damit meinen sie wohl so nützliche Dinge wie Smartphones, mp3-Player, Ebook-Reader, Laptops, usw. mit den jeweils zugehörigen Ladegeräten und Verbindungskabeln.

Warum genau sollte ich? Warum sollte ich mich in einem fremden Land ohne GPS-Navigation (auf vorbereiten Offline-Karten) bewegen? Warum sollte ich mir nicht am Mittwoch-Mittag (Ortszeit) die aktuelle ZEIT-Ausgabe (erscheint donnerstags) runterladen? Warum sollte ich mein Tagebuch und meine Fotos nicht schon während des Urlaubs posten – dann, wenn es für mich und die Menschen daheim am interessantesten ist? Warum sollte ich nicht ab und zu ein WhatsApp-Telefonat führen?

Das Argument würde wohl lauten: „Schalte doch mal von dem ganzen Technik-Kram ab!“ „Komm doch mal im Hier und Jetzt an!“ „Lass dich doch mal auf dich selbst ein, statt dich immer abzulenken?“

Ich verstehe das Anliegen. Bin ja nicht völlig ignorant.
Aber – so frage ich mich: Hätten die gleichen Menschen auch Einwände gegen das Verschmökern von etlichen Standard-Krimis in Papierform? Gäbe es ein Stirnrunzeln, wenn ich mich mit Hilfe von analogem Kartenmaterial auf meine Rollertour vorbereiten täte? Würden sie es irgendwie doof finden, im Urlaub abends im Hotel deutsches Fernsehen zu schauen (was ich z.B. aus Prinzip nie tue)? Wären solche Aktivitäten nur deshalb wertvoller und weniger „urlaubsfeindlich“ weil es sich um eher traditionelle Formen von Unterhaltung und Reisebegleitung handelte?

Ich will mit diesen etwas polemischen Ausführungen nicht den Wert von Kontemplation und unmittelbarem Naturerleben in Frage stellen. Vermutlich hätte ich da einigen Nachholbedarf. Ich will nur deutlich machen: Wie sehr man sich auf eine Umgebung und eine Situation einlässt, hängt sicher nicht in erster Linie davon ab, wie viel Prozessor-Power das jeweilig eingesetzte Utensil hat.

Natürlich hätte ich bei einem 16-tägigen elektronikfreien Alleinurlaub bestimmte Erfahrungen (mit mir) gemacht, die ich jetzt mit technischer Hilfe überspielt habe. Ist der Gedanke wirklich so weit hergeholt, dass vielleicht viele andere die (zu erwartenden) Gefühle von Einsamkeit mit dem einen oder anderen zusätzlichen Getränk runtergespült hätten? Wäre das die höherwertige Alternative gewesen?

Ich mein ja nur… Okay, einen hab ich noch: Es wäre auf jeden Fall die höherprozentige Alternative gewesen!

Kuba-Sozialismus: Modell oder Abschreckung?

Welche Gefühle werden nun ausgelöst, wenn man als halbwegs aufgeklärter und kritischer Zeitgenosse auf das kubanische Wirtschaftssystem und seine – für den Touristen – sichtbaren Ergebnisse stößt? Gibt es Reste von links-studentischer Revolutions-Romantik? Oder zeigt man sich angesichts der erschreckenden Armut gänzlich überzeugt von der Überlegenheit des kapitalistischen Systems? Haben nicht die Asiaten vorgemacht, wie man sich nach oben arbeiten kann, wenn man die Spielregeln der Globalisierung für sich zu nutzen versteht?

Ohne Zweifel: Kuba ist kein sozialistisches Paradies. Insbesondere die Bausubstanz in den Städten und die Straßen befinden sich in einem katastrophalen Zustand. Dass daran auch ineffiziente Planwirtschaft und Behinderung von Eigeninitiative mitgewirkt haben, steht außer Zweifel.
Gleichzeitig weiß man: Ohne das jahrzehntelange Embargo der Amerikaner könnte manches anders aussehen. Wie genau, das kann wohl niemand wirklich abschätzen.
Der Durchschnitts-Kubaner – so hört man immer wieder – sei stolz auf Land. Auf ein kostenfreies und erfolgreiches Bildungs- und Gesundheitssystem. Auf die Bereitschaft der großen Revolutionshelden, sich dem übermächtigen Feind aus dem Norden entgegenzustellen. Der Ausbeutung durch Kolonialmächte ein Ende zu setzen.
Aber natürlich wollen die Menschen auch materiell besser leben und freuen sich über und auf die allmähliche Öffnung in Richtung Privatinitiative.

Sicher bin ich nicht der Einzige, der sich darüber freuen würde, wenn hier auf Kuba so eine Art „Dritter Weg“ gelingen würde. Wenn man das legitime Gewinnstreben der Menschen auf eine Art nutzen und kanalisieren könnte, die nicht gleich den Weg zu den perversen Auswüchsen von privatem Reichtum öffnen würde. Wie schön wäre es, wenn Kuba langsam aber stetig wohlhabender würde und der Hauptteil dieses Zugewinns dem Gemeinwohl zugutekäme und nicht in die Taschen einiger Milliardäre und einer dünnen Oberschicht wanderte. Vielleicht machte diese Lösung sogar dann Sinn, wenn es bei Inkaufnahme von Milliardären auch allen anderen schneller materiell besser ginge. Weil es den Charakter von Menschen und von Gesellschaften auf Dauer vergiftet, wenn es zu einer unmäßigen Konzentration von Reichtum bei abgehobenen Eliten kommt. Weil die Gier nach „immer mehr“ die moralische Basis des Zusamenlebens angreift.

Vielleicht ist der mögliche Erfolg eines solchen Modells (einer gebremsten bzw. gedeckelten Marktwirtschaft) ja die größte Gefahr, vor der sich die US-Regierung scheinbar immer noch fürchtet.

Es gibt nicht mehr viele Ecken auf der Welt, in denen noch „Dritte Wege“ denkbar wären.
Lasst uns den Kubanern die Daumen drücken!

Das große Glück

Natürlich beobachtet man andere Gäste. Seit einiger Zeit bin ich dabei nicht mehr schwerpunktmäßig auf interessant erscheinende Frauen konzentriert. Das erweitert den Horizont. Nach wiederholten Begegnungen kommt es manchmal zu kurzen Interaktionen oder man beginnt wenigstens, sich gegenseitig zu grüßen.

Mir ist auf diese Art ein junger deutscher Mann aufgefallen, der offenbar auch allein unterwegs war. Ich habe in mal gebeten, ein paar Handy-Fotos von meinem „Arbeitsplatz“ in einer Bar zu machen. Er unterhielt sich öfters mit anderen deutschen Gästen, schien aber nirgendwo fest zugehörig zu sein. Ich begann mich zu fragen, warum dieser Mensch sich diese eher überalterte Umgebung für einen Urlaub ausgesucht haben könnte.

Eines Tages fiel mir am spätnachmittäglichen Strand auf, dass er offenbar eine junge Frau kennengelernt hatte. Das ist ja erst mal nichts Besonderes, zumal es wirklich ein netter Typ zu sein schien. Für mich hat sich das an der Tatsache festgemacht, dass er mich alten Knacker wirklich immer mit großer Selbstverständlichkeit und Freundlichkeit grüßte (und auch duzte).

Die Situation am Strand entwickelte dann aber offenbar doch eine geradezu spektakuläre Dynamik: Er kniete längere Zeit vor dem Liegestuhl seiner Angebeteten und schien irgendwie bedeutsame Erklärungen abzugeben. Meine Fantasie führte ein wenig in Richtung eines Heiratsanstrages, zumindest doch eines Liebesschwurs.

Es vergingen drei Tage. Plötzlich steht der junge Mann an meiner Liege und bittet mich inständig, ein paar Handy-Fotos zu machen. Er habe hier die Liebe seines Lebens gefunden und brauche wegen der unmittelbar bevorstehenden längeren Trennung unbedingt eine Erinnerung zur Überbrückung.

Das war der Zeitpunkt – so dachte ich – um cool und souverän meinen Joker auszuspielen. Ich tat kund, dass ich zufällig meine Spiegelreflex-Kamera dabei habe und wohl auch ein paar „richtige“ Fotos machen könnte und sie per Mail zusenden würde. Das Glück schien grenzenlos zu sein!

Natürlich machte ich mit beiden Geräten ein paar Fotos. Knapp zwei Tage später waren „meine“ Bilder in seinem Email-Postfach, verbunden mit dem Wunsch, dass die Liebe halten möge. Ich hatte ihn darauf hingewiesen, dass meine Nachricht ja vielleicht in seinem Spam-Order landen könnte (man weiß ja bei den jungen Leuten nie so genau, wie hoch die Medienkompetenz ausgebildet ist).

Stunden später bedankte er sich überschwänglich bei mir. So, als ob das Glück erst jetzt perfekt wäre.
Ich hatte in die Bilder in voller Auflösung geschickt; jeweils ca. 8 MB. Daran konnte die Love-Story jedenfalls nicht scheitern…

Die Erkältung

Das, was ich jetzt beschreibe, gehört eigentlich nicht in ein witzig-informativ angelegtes  Reisetagebuch. Aber es dient der Vollständigkeit und – was am Wichtigsten ist – es könnte mir guttun, auch über  diesen Teil meiner Reise zu schreiben.

Ich hatte gerade mein touristisches Programm abgeschlossen, hatte genug spektakuläre Fotos im Kasten und beschlossen, jetzt den Schwerpunkt auf die körperliche Ertüchtigung zu legen. Systematischer als bisher wollte ich Strandläufe machen und meine Ausdauer beim Schwimmen in Meer und Pool ein wenig trainieren. Dieses Programm wurde genau einen Tag lang umgesetzt – dann kam die Erkältung (vielleicht kann man es auch schon Sommergrippe nennen). Innerhalb einer Stunde veränderte sich das Körpergefühl deutlich und unüberhörbar; es schien, als sei ein Schalter umgelegt worden.

Seit fünf Tagen habe ich nun das Gefühl, wie ein Zombie durch die Anlage zu schlurfen. Mitleidige Blicke, die sich bisher nur auf meinen abgehobenen Status als Alleinreisender bezogen, richten sich jetzt ganz offensichtlich auch auf meine angeschlagene Verfassung. Die diversen Bedienungen im Buffet-Restaurant wissen inzwischen alle, dass ich endgültig jedem alkoholischen Getränk entsagt habe: „Only water?“ „Yes.“ (Manchmal verläuft der Dialog auch in spanischer Sprache).

Da ich ein Mensch bin, dem es schon eine gewisse Mühe bereitet, nachts in den Schlaf zu finden (und dort auch zu bleiben), ist mir der Weg in einen zweifellos gesundheitsfördernden Tagesschlaf verschlossen (ja, ich versuche es manchmal; es ist immer wieder frustrierend).
Also: Was tun mit der Zeit?
Dummerweise machen alle die Dinge, die man in zur Ruhe gezwungenen Leerlaufzeiten tun könnte (lesen, Musik hören, schreiben), mit einem dullen Kopf keine Freude. Draußen zu sein, ist erst am späten Nachmittag etwas halbwegs Vergnügliches; vorher empfinde ich die Wärme irgendwie zu aggressiv.

Vielleicht hilft ja eine Umdeutung. Liegt nicht in jeder Erfahrung, in jeder kleinen oder größeren Krise auch eine Chance?!
Die letzten Tage haben meine Ablenkungsstrukturen jedenfalls wirkungsvoll durchbrochen. Ich bin jetzt doch noch auf mich selbst zurückgeworfen. Muss mich damit auseinandersetzen, was es bedeutet, ohne direkten Zuspruch durch ein paar anstrengende Tage und Nächte zu kommen, mich mit den nicht gelebten Möglichkeiten dieser einladenden Umgebung zu arrangieren, in einer paradiesischen Umgebung fünf Tage lang eigentlich nur noch auf den Moment hinzuleben, dass mein Flieger Richtung Heimat abhebt.
Was sagt mir das über das Alleine-Reisen, was über das (überwiegend) Alleine-Leben? Was sagt es mir über meine innere Stabilität, meine psychischen und emotionalen Ressourcen, wenn ich schon eine etwas ausgeprägtere Erkältung als Herausforderung erlebe? Wie komme ich mit nicht „sinnvoll“ ausgefüllter, endlos wirkender Zeit zurecht? Ertrage ich mich mit meiner Empfindlichkeit, mit meinen Ängsten, mit meiner Ungeduld?

Ich belasse es mal bei den Fragen; für Antworten erscheint es mir noch zu früh.

Und die Bilanz?

(Unter der Voraussetzung betrachtet, dass ich wieder heil nach Hause komme).

Ich bin letztlich froh, dass ich diese Reise gemacht habe. Die – bereits vorhandenen – Flüge verfallen zu lassen, wäre mir wie ein persönliches Scheitern, wie eine Kapitulation vorgekommen.

Aber ich würde nicht mehr so ein Reisekonzept wählen. So lange an einem Ort zu sein, in der anonymen Umgebung einer großen Hotelanlage, in der zu fast 100% Paare Urlaub machen, ist einfach kein guter Rahmen für mich. Ich brauche mehr Programm, mehr Anregung, mehr Abwechslung. Eine Gruppen-Rundreise wäre wohl doch die bessere Idee gewesen.