“Metro 2033” von Dmitry GLUKHOVSKY

Bewertung: 4 von 5.

Es handelt sich um einen – inzwischen legendären – dystrophischen Zukunftsroman über das Leben in dem Labyrinth der Moskauer U-Bahn nach einem Atomkrieg.

Wir begleiten den jungen Artjom auf seiner abenteuerlichen Mission durch eine von der verstrahlten Außenwelt weitgehend abgeschotteten Unterwelt, in der sich extrem unterschiedliche Formen des Überlebens herausgebildet haben.
In nicht ganz zufälliger Weise spiegeln die gesellschaftlichen, ökonomischen, militärischen und politischen Verhältnisse in den verschiedenen Linien bzw. Stationen alle denkbaren Facetten der (früheren) russischen Realität: Es gibt alle erdenklichen Ideologien (von den Faschisten bis zu den orthodoxen Kommunisten), alle möglichen Glaubenssysteme und ausgeprägte Diskrepanzen zwischen (bescheidenem) Wohlstand und bitterer Armut.
Geeint ist diese – sonst in diversen Rivalitäten verstrickte Flickenwelt – durch den gemeinsamen Außenfeind: An der (für Menschen unbewohnbaren) Erdoberfläche haben sich mutierte Monster-Wesen entwickelt (“die Schwarzen”), die die Rest-Menschheit nicht nur bei ihren kurzen Ausflügen ans Licht bedrohen, sondern auch tödliche Angriffe in das Metro-System unternehmen.
Unabhängig davon ist das Leben untertage schon beschwerlich und gefährlich genug: Hunger, Dunkelheit, Ratten und Kämpfe um die extrem begrenzten Ressourcen in dieser menschenfeindlichen Umgebung.

Wir erkunden all diese Widrigkeiten mit den Augen eines jungen Mannes, der die frühere Welt vor der Verstrahlung nie kennengelernt hat. Für Artjom ist schon die Reise kreuz und quer durch das Metro-Netz eine unglaubliche Erfahrung und eine sowohl faszinierende als auch erschreckende Ausweitung seines bisher extrem beschränkten Erlebnishorizontes.
Dies gilt um so mehr für die kurzen Ausflüge an die Oberfläche.
Für die Irrungen und Wirrungen des jungen “Helden” gibt es eine Rahmenhandlung, die für die Gesamtwirkung des Romans aber letztlich keine große Bedeutung hat.

GLUKHOVSKY beschreibt die bedrückende Szenerie dieser Finsterwelt mit einer drastischen Direktheit; seine Fantasie schreckt vor keinem ekelhaften Detail zurück. Es geht um Leben und Tod, um das Überleben in – überwiegend – sehr jämmerlichen Zuständen, mit nur kleinen Inseln von Menschlichkeit und Wärme.
Der Autor hält mit dieser Zuspitzung ganz offensichtlich den realen Verhältnissen in seiner russischen Heimat einen extrem blanken Spiegel vor.
Eingestreut in die Handlung sind einige philosophische Betrachtungen rund um das Thema “Schicksal und Zufall” und über den Sinn des Überlebens unter solchen Bedingungen.

Als Leser/in dieser Dystrophie hat man einige Herausforderungen zu meistern. Das betrifft auf der einen Seite die doch manchmal recht unappetitlichen Schilderungen von Situationen, die man sich nicht wirklich ausmalen möchte. Eine gewisse Anstrengung und Ermüdung stellt sich dadurch ein, dass die Namen der diversen Metro-Stationen – die in deutschen Ohren alle sehr ähnlich klingen – gefühlt einige hunderte Male genannt werden.
Beeindruckend dagegen ist die erzählerische Detailliertheit, mit der die unglaubliche Vielfalt dieses post-apokalyptische Überlebens-Ausschnitt dargeboten wird. Ein Höhepunkt dabei ist die Erfindung eines angepassten Glaubens-Systems (an eine Art Wurm-Gott als vermeintlichen Schöpfer der unterirdischen Tunnel).
Insgesamt bietet dieser Roman ein Leseerlebnis, zu dem man sich bewusst entscheiden sollte. Leichte Kost ist er ganz sicher nicht!

Die Hörbuch-Bearbeitung ist voll umfänglich gelungen. Die Stimme von Oliver Brod und seine sprachliche Umsetzung passen sehr gut zum anspruchsvollen Inhalt. Nicht zu beneiden ist der Vorleser für die Aufgabe, unzählige Male die Linien und Stationen der Metro auszusprechen.

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