“Schummeln mit ChatGPT” von Christian RIECK

Bewertung: 4 von 5.

Der Wirtschaftsprofessor (Spezialgebiet: Spieltheorie) ist auch ein bekannter YouTuber und hat eine eigene Fangemeinde (über 300.000 Abonnenten). Er bewegt sich gerne ein wenig außerhalb des (grünorientierten) intellektuellen Mainstreams und gehört sicher nicht zu den Menschen, denen es an Selbstbewusstsein mangelt.
Mit diesem Buch war RIECK echt schnell: Es hat wohl (Anfang März 2023) das erste ernstzunehmende Ratgeberbuch für “normale” Anwender des Senkrechtstarter-Programms ChatGPT verfasst. Damit das möglich wurde – so berichtet der Autor nicht ohne verschmitzten Stolz – musste er auf eine Ko-Autorin zurückgreifen. Er nennt sie “Klara” – und natürlich steckt dahinter niemand anderes als ChatGPT selbst.
Das ist schonmal ein toller und faszinierender Aufschlag: Die KI, die sich (unter Anleitung) selbst vorstellt und erklärt.

Der selbst gestellte Auftrag dieses Buches ist schnell beschrieben: Die Möglichkeiten und Grenzen des KI-Sprachsystems sollen so dargeboten werden, dass bei der Nutzung möglichst optimale Ergebnisse zu erzielen sind und Fehler vermieden (bzw. erkannt) werden.
Konkreter: Welche Eingaben (Prompts) sind dazu geeignet, den erwünschte Output zu generieren? Wie lassen sich im Zwiegespräch mit dem Bot Ergebnisse verfeinern oder differenzieren? Worin liegen genau die Stärken des Tools – und wo eher seine Schwächen?

In einem leger-lockeren Stil – man spricht ja mit seiner technikaffinen Community – präsentiert RIECK ein Kaleidoskop an Beispielen: Denn was liegt näher, als den Chatbot in Funktion zu zeigen und damit Anwendungs-Varianten vorzuführen, auf die man so ohne weiteres nicht selbst käme?!
Man kann sich selbst dabei zugucken, wie schnell man sich an die Vielseitigkeit der KI-Fähigkeiten gewöhnt. Eigentlich müsste man permanent innhalten und sich die Augen reiben: Das alles wird von einer Maschine in wenigen Sekunden verstanden, verarbeitet und formuliert? Und mit “alles” ist tatsächlich so ziemlich “alles” gemeint!

Der IT-Experte RIECK hält sich mit Staunen natürlich nicht auf. Er fühlt der KI auf den Zahn. Dabei legt er sich – wie es seinem Naturell entspricht – auch mit den eingebauten Regeln und Begrenzungen an und entlarvt sie als vermeintlich einseitig (weil z.B. die erneuerbare Energie zu gut, die Atomkraft zu schlecht wegkäme). Der Autor hält wenig von wertorientierten Vorgaben; ihm schwebt wohl eher ein zensurfreies Internet vor.
Das kann man allerdings auch ganz anders sehen. Mir scheint genau darin eine überraschende Stärke des KI-Systems zu liegen – dass es gelungen ist, von Beginn an ethische Prinzipien einzuprogrammieren, die es weitgehend ausschließen, dass es für kriminelle, gewaltverherrlichende, sexistische oder diskriminierende Zwecke eingesetzt wird. Gegenüber dem kruden Chaos des Internets macht das einen zivilisatorischen Fortschritt aus! (Dass man über einzelne Regeln trefflich streiten kann, soll nicht in Abrede gestellt werden).

Natürlich werden auch kritische Aspekte diskutiert. Schon im Titel spielt RIECK ja mit den vermeintlichen Schattenseiten. Der Autor hat dazu eine klare (und nachvollziehbare) Haltung: Statt das neue Tool zu dämonisieren und zu verbieten, sollte lieber der Umgang mit ihm trainiert und bewertet werden.

Die konsequente Praxisorientierung des Buches zahlt sich aus: Die Leserschaft bekommt ein Gefühl dafür, wie der “Gesprächspartner” tickt, wie man ihn zu Höchstleistungen anspornt und wo man ihn auf jeden Fall überprüfen sollte. Die Stärke des Chatbots ist die Breite seiner Text- und Welterfassung: Je allgemeiner und abstrakter man ihn fordert, desto mehr macht sich der Umfang seines Trainingsmaterials bemerkbar. Dieses erstaunlich umfassende “Verständnis” lässt sich dann kombinieren mit sehr klaren Wünschen für die Art des sprachlichen Outputs (Umfang, Stil, Niveau, …).
RIECK streift im zweiten Teil des Buches eine Menge spezifische Anwendungen (Mathematik, Logik, Programmieren, Literaturverzeichnisse, Werbung, …), wobei hier wegen des begrenzten Umfangs des Buches nur noch kurze Eindrücke vermittelt werden können.

Auch wenn man natürlich auf YouTube inzwischen unzählige Videos mit Anleitungen und Beispielanwendungen findet: das Buch von RIECK bietet durchaus einen Mehrwert. Das gilt vor allem für Menschen, die gerne in systematischer Form und in einem einheitlichen Stil durch ein Thema geleitet werden wollen.
Und das vorgelebte Zusammenspiel des Autoren-Duos macht bis zum Ende irgendwie Sinn und Spaß (wenn man mal von den Seitenhieben des Autors auf die Moralität des Chatbots absieht).

Der abschließenden Bewertung des Autors, dass es sich bei ChatGPT ohne Zweifel um ein intelligentes System handele, kann nur uneingeschränkt zugestimmt werden.

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