28.02.2020

Was  hat der Corona-Virus mit dem Klimawandel zu tun?

Das Foto zeigt das Konservenregal bei Lidl.

Wir – fast alle – fühlen uns von Tag zu Tag etwas stärker bedroht von dem neuen Virus, der in aller Munde ist (zum Glück noch nicht im wörtlichen Sinne). Das ist auch nachvollziehbar und verständlich: Schließlich handelt es sich um einen unsichtbaren Feind, dem man sich weitgehend hilflos ausgeliefert fühlt. Um ein gewisses Kontrollgefühl zu behalten, informiert man sich und trifft vielleicht auch schon gewisse Vorkehrungen, z.B. beim Einkauf  („man weiß ja nie“). Eine gewisse Beklemmung bleibt, weil das Gefühl entsteht, dass sich das Leben bald ganz plötzlich ganz anders anfühlen könnte: Einschränkungen, Infragestellung aller möglichen Selbstverständlichkeiten, Angst um Gesundheit und Leben.

Auch der Klimawandel ist in gewisser Weise unsichtbar und ganz sicher bzgl. der Folgen unkalkulierbar. Gegen ihn wird es auch in ein oder zwei Jahren keinen Impfstoff geben. Seine langfristigen Konsequenzen könnten sogar noch für unsere Generation das Alltagsleben dramatisch verändern; vermutlich sogar unumkehrbar.

Gedankenspiel: Stellen wir uns mal vor, es wären bereits ein paar Hunderttausend Menschen ernsthaft erkrankt; alle Isolier- und Intensivstationen wären hoffnungslos überfüllt, Teile der Wirtschaft lägen brach.
Wären wir unter diesen Umständen vielleicht bereit, einige Unbequemlichkeiten oder Einschränkungen in Kauf zu nehmen – wenn damit die Chancen auf persönliche Unversehrtheit deutlich erhöht würden? Würden wir vielleicht sogar auf 10% unseres Wohlstandes verzichten, wenn nur das Unheil an uns vorbeiziehen würde?

Ihr wisst längst, worauf ich hinauswill. Wir hätten allen Grund, den Klimawandel genauso ernst zu nehmen wie den tückischen Virus. Sehen und anfassen können wir beides nicht (direkt); aber wir kennen die Gefahren und wissen, dass es andere schon erwischt hat.

Das Gegenmittel für die Klima-Gefahr ist schon bekannt: Weniger CO2-Ausstoß. Vielleicht sollten die Menschen, die jetzt die Apotheken wegen Atemmasken stürmen, mal nachlesen, dass es gestern in der Antarktis so warm war wie in Kalifornien.

Ein paradoxer Nebeneffekt: Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie – die Wachstumsdelle – werden dem Klima ein wenig helfen. Das kann und soll aber nicht die Lösung sein!

27.02.2020

Gestern war Jens Spahn bei Maischberger. Er war vormittags in Rom und den übrigen Tag der wichtigste Minister des Augenblicks: Corona, Sterbehilfe und CDU-Vorsitz waren seine Themen. Intensiver kann man kaum im Zentrum des Geschehens stehen.

Dann um 23 Uhr TV-Auftritt. Rede und Antwort stehen zu allen drei Themen. Tagesaktuell, in Echtzeit.

Er hat es gut bewältigt. Wirkte souverän und authentisch. Kann man als Politiker, als Mensch noch mehr leisten? Kann man als Bürger noch besser und zeitnäher informiert werden?

Vielleicht kann man in so einem Augenblick mal aufhören zu meckern. Über die Politik oder die Medien. Man war an diesem Abend gut bedient, von beiden Seiten.

Respekt!

“Das Gewicht der Worte” von Pascal Mecier

Ich war sehr gespannt auf den neuen Roman von Mercier. Sein ergreifendes Buch die „Die Reise nach Lissabon“ war für mich eines der prägendsten Bücher, die ich je gelesen habe.

Jetzt das Thema „Worte“. Es geht also um Sprache, insbesondere um das Übersetzen, Schreiben und Verlegen von Büchern. Da ich mich aktuell gerade – auch wegen mojoreads – besonders stark mit dem Lesen und Schreiben von Literatur beschäftige, war meine Lesemotivation sehr hoch.

Ich fange mal dort an wo ich üblicherweise mit meinem Rezensionen ende:  Wem würde ich dieses Buch empfehlen?
Da wird die Luft ziemlich dünn: Es ist ein Buch eines älteren Mannes für literaturaffine ältere Männer. Das klingt ein wenig platt, trifft die Sache aber ganz gut: Man(n) sollte (mindestens) Ü-50 sein, sich tiefgründig mit Lebensbilanzen, Verlust bzw. Endlichkeit auseinandersetzen wollen und grenzenloses Interesse an der Frage haben: „Wie finde ich das richtige Wort in der richtigen Sprache?“

Es gibt auch eine Handlung: Ein aus London stammender erfolgreicher Übersetzer erbt von seiner Frau einen Verlag in Norditalien, erhält die Diagnose „Gehirntumor“ und versucht, auf diesem Hintergrund sein Leben neu zu ordnen. Die daraus sich ergebenden Handlungstränge bestehen hauptsächlich aus den Kontakten zu einer Gruppe von befreundeten und verwandten Menschen; überwiegend stehen diese auch in Verbindung zur Literaturszene.
Mehr soll nicht verraten werden (und viel mehr gibt es auch gar nicht zu sagen).

Aber das Buch wurde nicht geschrieben, um eine Geschichte zu erzählen. Es wurde geschrieben, um die Sprache selbst, den Prozess des Schreibens, Übersetzens und Interpretierens zu feiern. Das gelingt dem Autor insofern, als dass er dazu eine Reihe von Formulierungen findet, die man in die Außenwände von Bibliotheken meißeln könnte: Man zieht sozusagen den virtuellen Hut – oder spürt fast den Impuls, überwältigt niederzuknien.

Aber – und das ist wirklich eine wesentliche Einschränkung – diese grandiosen Aussagen zum Umgang mit und dem Genuss von Sprache muss man sich schwer erarbeiten, sich durch ein Übermaß an Geduld und Disziplin zu erkämpfen.

Zu tun hat das insbesondere mit der ungewöhnlichen Erzählstruktur des Romans: Es gibt auf der einen Seite einen externen (auktorialen) Erzähler, auf der anderen Seite die schon erwähnte Hauptfigur, die am laufenden Meter Briefe an seine verstorbene Frau schreibt und so als Ich-Erzähler auftritt. Leider führt dies zu einer – manchmal kaum erträglichen –  Redundanz, weil die gleichen Situationen doppelt geschildert werden (oft kommen dann noch Gespräch mit dritten Personen hinzu, die sich dann wiederum um die gleichen Geschehnisse drehen).

Es geht in diesem Buch auch um (vergangene) Liebe, um Freundschaft, um die Freude am großzügigen Geben. Ein echtes inhaltliches Anliegen treibt den Autor noch um: Er will deutlich machen, dass moralische (und juristische) Urteile sich auf die motivationalen Bedingungen des Einzelfalls stützen müssen  – und nicht auf abstrakte Prinzipien. Sein Beispiel ist die (private) Sterbehilfe für einen geliebten Menschen.

Das Buch ist zweifellos eine beeindruckende Liebeserklärung an die Literatur und an die Menschen, die sich ihr verschrieben haben (Wortspiel!). Andererseits ist der Roman auch eine Zumutung, weil seine Wiederholungsschleifen das tolerierbare Maß überschreiten.
Man mag die beschriebenen Menschen – aber irgendwann kann man die Namen fast nicht mehr ertragen – weil es einfach von allem zu viel ist!

26.02.2020

Ja, man könnte schon wieder etwas zur CDU schreiben. Odere sich endlich mal mit dem Corona-Virus befassen…

Aber heute ist auch etwas anderes Wichtiges passiert: Unser höchstes Gericht hat eine weise Entscheidung getroffen und damit ein Gesetz korrigiert, das unsere Abgeordneten (in einer Gewissensentscheidung) beschlossen haben.
Man spürt sie also, die dritte Gewalt in unserer Demokratie!

Die Entscheidung war gut und richtig, weil sie die Selbstbestimmung und Würde von todkranken Menschen gestärkt hat und gleichzeitig andere Personen schützt, die auf Wunsch und im Auftrag solcher Menschen ihre Entscheidung unterstützen, ihrem Leben ein Ende zu bereiten.

Das Gericht befand es als unangemessen, solchen Unterstützungsleistungen so enge Grenzen zu setzen, wie es der §217 bisher vorsah.
Damit bekennt sich unser Staatswesen in einem stärkeren Umfang zu dem Recht, über das Ende des eigenen Lebens auch in “Würde” entscheiden zu können.
Das entspricht dem Empfinden der meisten Menschen und sicher auch den Vorstellungen davon, was man sich selbst in einer solchen Situation wünschen würde.

Damit soll nicht gesagt werden, dass es in einer solchen existentiellen Lage keine widersprüchlichen Perspektiven oder Risiken geben würde; die gibt es sicherlich. Und deshalb werden auch zukünftige Regelungen bestimmte Sicherungen einbauen.

Endgültig überwunden scheint aber wohl der Gedanke zu sein, dass der Mensch aus grundsätzlichen Erwägungen kein Verfügungsrecht über sein Leben haben sollte.
Wenn es nicht Abgeordnete gegeben hätte, die aus solchen religiösen Gründen den §217 in dieser Form wollten, hätte es vermutlich schon längst eine andere Regelung gegeben.
Wie schön, dass wir kein “Gottesstaat” sind, in der ein religiöser Führer das letzte Wort hat!

25.02.2020

Wenn man sich für die Irrungen und Wirrungen der Parteipolitik interessiert, lebt man schon seit einiger Zeit in einem “Goldenen Zeitalter”. Was jedoch im Moment die CDU aufführt, ist geradezu spektakulär.

Die nächsten Wochen und Monate versprechen eine Dauerschleife an taktischen Spielchen und medienwirksamen Pirouetten.

Alle Beteiligten werden dabei nicht müde, darauf hinzuweisen, dass die Bürger ja auf die Lösung von Sachproblemen warteten. Und außerdem hätten sie genug von Parteien, die sich überwiegend mit sich selbst beschäftigen würden.

Meine Frage: Mit wieviel Geduld wird das Wahlvolk auf die Hahnenkämpfe der nächsten Zeit reagieren? Ich bin da ein wenig skeptisch….

23.02.2020

Man kann es nach den letzten Wochen und nach der heutigen Hamburg-Wahl wohl nicht mehr übersehen: Die nächste Bundesregierung wird mit hoher Wahrscheinlichkeit maßgeblich durch die GRÜNEN geprägt sein.
Entweder werden Sie Junior-Partner einer schwarz-grünen Koalition oder sie stellen in einer grün-rot-roten Koalition auch gleich den Kanzler/die Kanzlerin.

Das bedeutet nicht, dass in naher Zukunft das Paradies auf uns zukommt.
Aber: Es wäre schon ein sehr erfreuliches Signal für die Modernisierung unserer politischen Landschaft und auch der gesamten Gesellschaft.

Man hat fast täglich erneut den Eindruck, dass die GRÜNEN – anders als alle anderen Parteien – kaum einen nennenswerten Ballast an ungelösten inhaltlichen oder personellen Konflikten mit sich herumschleppen.
Das ist durchaus erstaunlich: War doch der verbissene Grundsatzstreit zwischen Realos und Fundies lange Jahre der unvermeidbare Markenkern der grün-alternativen Partei.

Man kann so eine Hypothek offenbar abschütteln. Insbesondere wenn es eine glaubhafte Übereinstimmung zwischen Botschaft und Personal gibt, verbunden mit einem Generationswechsel und einem Auftreten, durch das sich auch Menschen der Generation U-50 angesprochen und repräsentiert fühlen.

Natürlich ist das alles für eine Partei leichter, die ein zentrales Thema hat und dieses auch rein zufällig auch noch eine der wichtigsten Menschheitsaufgabe betrifft.
Im Moment hat man jedenfalls den Eindruck, als ob die GRÜNEN die einzige Partei wäre, die wirklich vorbereitet wäre auf die zukünftigen Herausforderungen.

Es wird in den nächsten Monaten Fehler und Gegenwind geben.
Es bleibt nur zu hoffen, dass dies nicht dazu führt, dass auch die Hoffnungen, die sich auf diese Partei gründen, dann im unbarmherzigen Medien-Gewitter zerstört werden.

“Sei du selbst” von Richard David PRECHT

Es handelt sich sich um den dritten Band der Philosophiegeschichte in vier Bänden. Behandelt werden die Denker des 19. Jahrhunderts, also Geistesgrößen wie Schopenhauer, Feuerbach, Mill, Kierkegaard, Marx, Nietzsche, Freud, usw.

Der Autor orientiert sich zwar auch an diesen Personen und ihren Theorien über Erkenntnismöglichkeiten, Zusammenspiel von Körper, Geist, Psyche und Gesellschaft bzw. das Spannungsfeld zwischen Freiheit und Moral. Aber Precht wäre nicht Precht, wenn er nicht unaufhörlich Querbezüge herstellen würde zu anderen (früheren oder parallelen) Ideenwelten bzw. zu wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen.
Da der Gegenstand ja sowohl eindeutig umrissen als auch unmöglich zusammenfassbar ist, will ich mich ganz auf die Bewertung konzentrieren.

Zwar nimmt Precht seine Leser immer wieder an die Hand, schafft durch Einleitungen und Zwischenresümees eine gewisse Ordnung. Aber auch Precht, der sicher ein guter Didaktiker ist, kann nicht zaubern. Der Gegenstand seiner Betrachtungen ist geradezu überkomplex – und so ensteht beim ersten Lesen trotz noch so guter Strukturierung ein gewisses Überforderungsgefühl (je nach Vorbildung sicher verschieden ausgeprägt).
Es fallen oft einfach zu viele Namen und Buchtitel auf wenigen Seiten – und gleichzeitig muss ja noch der inhaltlichen Argumentationslinie gefolgt werden. Ein wenig übertreibt Precht m.E. auch mit den biographischen Angaben zu den genannten Personen: Ich muss nicht wirklich wissen, in welcher Reihenfolge diese – offenbar durchweg hochbegabten – Menschen (man könnte auch sagen “Männer”) an welchen Hochschulen welche Fächer studiert haben. Da schlägt eine gewisse Detailbesessenheit durch.

Genug gemeckert! Nun zum Gewinn des Ganzen.
Natürlich wird eine unglaubliche Menge kulturelles und zeitgeschichtliches Wissen vermittelt auf diesen knapp 600 Seiten; das ist keine Überraschung. Dabei geht es tatsächlich um weit mehr als um Philosophie.
Absolut anregend und informativ ist es, das Entstehen (bzw. die Abnabelung) der Wissenschaften Psychologie, Pädagogik und Soziologie aus dem Schoß der “Mutter Philosophie” zu verfolgen. Plötzlich ist man – ohne es vorher so recht zu ahnen – mittendrin in der Geschichte der Psychologie als selbständiges Fach, deren Verlauf gleich in mehreren nationalen Kontexten betrachtet wird. Ziemlich beeindruckend!

Die nachdrücklichste Erfahrung geht aber noch darüber hinaus; sie hat sowohl eine intellektuelle als auch eine emotionale Qualität.
Es ist sowohl faszinierend als auch erschreckend, so klar und eindrucksvoll damit konfrontiert zu werden, was alles schon gedacht und geschrieben wurde im vorletzten Jahrhundert. Manchmal war ich wirklich irritiert, musste einzelne Aussagen zweimal lesen, um es zu fassen.
Was ich meine? Diese klugen Menschen haben praktisch alle Fragen und viele Antworten schon durchdacht und ausgesprochen, die uns heute als modern und aktuell erscheinen. Vieles von dem, was uns für die Bewältigung der Zukunftsfragen relevant erscheint, war zwischen 1850 und 1900 schon Thema niveauvoller wissenschaftlicher Kontroversen – bis zu der Frage, ob sich Bewusstsein und Ich-Gefühl restlos aus der Gehirnphysiologie ableiten lassen. Natürlich geht es auch um Willensfreiheit, Moral ohne Religion, Grenzen der Erkenntnis, um den Zusammenhang zwischen äußerer Realität und innerer Wahrnehmung und die Kunst des sozialen Miteinanders.

Emotional hat mich dabei vor allem bewegt, dass all die Klugheit und all das Wissen nicht verhindert hat, dass im letzten Jahrhundert unfassbare Menschheitsverbrechen begangen wurden. Oder – um es noch aktueller zu sagen: Wie kann es sein, dass eine so intelligente Spezies im Jahre 2020 davon ausgehen muss, das ein bestimmter Präsident in einem bestimmten Land wiedergewählt werden könnte…

So kann auch – oder gerade – eine Philosphiegeschichte Ratlosigkeit hinterlassen.

Warum ich Bücher-Rezensionen schreibe

Den folgenden Text habe ich auf der Plattform “mojoreads” veröffentlicht. Er wurde da durchaus beachtet. Ich stelle ihn deshalb auch hier mal (in leicht verkürzter Form) ein.

Ich bin leider erst sehr spät in meiner Lesebiographie auf die Vorzüge gestoßen, die das Schreiben von Rezensionen mit sich bringt. In den letzten Jahren habe ich diese Vorzüge sehr schätzen gelernt und möchte davon kurz berichten. Die meisten von euch werden ähnlich Erfahrungen selber machen; es geht mir also nicht darum euch irgendetwas Neues zu erzählen, sondern nur darum, diese Erfahrungen einmal in Worte zu fassen.

Das Festhalten von Empfindungen und Gedanken, die ein Buch auslöst, hat für mich zwei Haupteffekte: es intensiviert das Lesevergnügen selbst und vergrößert die Nachhaltigkeit, also den langfristigen Gewinn. Das muss natürlich nicht für jeden Menschen so gelten, weil es für viele völlig ausreicht, das Vergnügen beim Lesen als ein eher „diffuses“ Gefühl zu genießen. Auch die Inhalte oder Themen, die angestoßen werden, können ja durchaus aufgenommen und genutzt werden, ohne sie in eine eigene, sprachlich durchstrukturierte Form zu bringen. Das ist alles richtig und okay.

Ist man aber ein Mensch, der sprachliche Erfassung und Formulierung eigener Gedanken als ein Vergnügen und nicht als eine Pflicht erlebt, ist die Situation ganz klar: Ich bin durch das Verfassen einer Rezension dazu gezwungen, meinen Gedanken zu ordnen und auszudifferenzieren. Wenn ich etwas in eigene Worte fasse, muss ich es klarer durchdringen, als wenn ich meinen Gedankenstrom fließen lasse. Diese Genauigkeit („welches Wort trifft es am besten?“)führt letztlich dazu, dass ich aus dem gelesenen Text mehr für mich herausholen kann – weil ich mir dessen Wirkung durch die Versprachlichung bewusst mache.

Vielleicht kennen andere Menschen diese Erfahrung von Gesprächen nach einem Kinobesuch mit Freunden. Es gibt Menschen, die völlig damit glücklich sind, sich nach einem Film gegenseitig zu bestätigen, dass man ihn genossen hat. Andere Menschen freuen sich schon während des Films darauf, seine Figuren und Handlungsstränge noch mal auf ihre Bedeutung oder in Bezug auf die ausgelösten Empfindungen zu diskutieren. Man dringt sozusagen auf der Analyseebene noch einmal auf eine tiefere Schicht ein und wird sich über die Erlebnisse und deren Hintergründe bewusster. Und erkennt vielleicht Zusammenhänge zwischen filmischen Stilmitteln und deren Wirkungen.

So geht es mir im Umgang mit einem Buch: Schreibe ich eine Rezension, dann eigne ich mir das Buch in einer größeren Intensität an und schaffe gleichzeitig eine Grundlage für mein Gedächtnis, davon auch langfristig zu profitieren.

Literaturwissenschaftliche Aspekte spielen bei meinen Rezensionen keine Rolle; ich habe dafür auch einfach nicht die theoretischen Grundlagen. Viel wichtiger ist es mir, das Gelesene mit meiner Person, meinen Erfahrungen, meinen Zielen und meinen Werten in Verbindung zu bringen. Diese Verbindung, die ja in einer Bestätigung oder in einer Widersprüchlichkeit bestehen kann, ist für mich oft der entscheidende Punkt, der ein Buch für mich interessant macht.

Deshalb ist mein Ziel nicht in erster Linie eine neutrale oder objektive Beschreibung der Qualitäten eines Buches (das muss sicherlich auch ein Aspekt sein), zu sondern es geht für mich immer auch um den Bezug zu mir: Ich muss als Personen in jeder Rezension spürbar sein – sonst ist es nicht meine Rezensionen. Das mögen andere gerne als irgendwie selbstverliebt oder ichbezogen beurteilen; trotzdem ist es meine Triebfeder zu schreiben.

18.02.2020

Zwei Gedanken zur Tagespolititk

Zunächst einmal bin ich ein wenig fassungslos, dass die Umsetzung meiner Idee vom 13.02. in Thüringen nicht zu einer sofortigen Lösung der Krise geführt hat.
Es kann doch nicht wahr sein, dass Herr Ramelow durch seinen Vorstoß zwar alle vorher geäußerten Hindernisse aus dem Weg räumt und die CDU sich dann dennoch ziert, weil sie aus wahltaktischen Gründen eine spätere Neuwahl anstrebt.
So will die CDU beim Wähler wieder punkten?
Was soll Ramelow denn tun? Den Wahltermin so bemessen, dass die CDU einen von ihr festgelegten Mindest-Prozentsatz garantiert hat?
Die spinnen doch!

Dann gibt es da noch die Bewerbung von Herrn Röttgen auf den CDU-Vorsitz. Eine echte Überraschung.
Als Regelmäßiger Talkshow-Beobachter hat man sich in den letzten Jahren öfters gefragt, warum dieser gescheite und abgewogen argumentierende Mensch in der CDU kein angemessenes Amt bekleidet. Man hatte das Gefühl, er ist Spezialagent für Talkrunden; gefühlt habe ich ihn dort schon 100 mal erlebt.
Jetzt will er mitmischen und bringt schon am ersten Tag die Kungelrunde zwischen den drei bisherigen Matadoren durcheinander.
Ich erlebe diesen Politiker als gemäßigt und kompetent. Den Auslandseinsatz als Kanzler könnte er ohne jede Warmlaufphase starten.
Warum also nicht?

17.02.2020

Heute wurde eine Studie über unser zweigeteiltes Krankenversicherung-System veröffentlicht. Um es kurz zu sagen: Dieses – in Europa einmalige – Zweiklassenprinzip ist unsolidarisch und es macht die Versorgung insgesamt teurer. Der Grund: Gut verdienende junge Privatversicherte zahlen deutlich zu wenig; sie können sich aus der Solidarität herausmogeln.

Aber damit sind noch nicht alle Fragen beantwortet. Denn auch in einem einheitlichen System, in das alle einzahlen würden, stellt sich die Frage, ob es z.B. Vergünstigungen für bestimmte gesundheitsfördernde Verhaltensweisen geben darf oder soll. Auch hier warnen viele Sozialpolitiker vor dem Aufweichen des Solidarprinzips.

Da bin ich mal auf der anderen Seite. Ich habe keine Probleme damit, Anreize für das Vermeiden von Risikofaktoren bzw. für eine gesundheitsbewusste Lebensführung zu schaffen. Ich finde es richtig, dass die Menschen wissen und spüren, dass es eben auch etwas mit Solidarität zu tun hat, bekannte Risiken zu vermeiden. Wenn man das nicht will, dann darf es auch ein bisschen teurer sein. Menschen sind so bedacht auf ihre Vorteile; das darf auch mal der “Volksgesundheit” zu Gute kommen…