“Das Cafe der Existentialisten: Freiheit, Sein und Aprikosencocktails” von Sarah BAKEWELL

Ja, es ist mir klar. Diese Buchbesprechung zielt nur auf eine sehr umgrenzte Zielgruppe. Ich schreibe sie trotzdem. Weil es mich schon ganz für mich alleine reizt, meine Meinung zu einem Buch zu verschriftlichen.

Man kann sich auf mehreren Ebenen mit philosophischen Strömungen auseinandersetzen: Man  informiert sich bei Wickipedia, liest Überblickswerke (z.B. von Precht) oder setzt sich mit den Originaltexten namhafter Philosophen im Original auseinander.
Eine vierte Möglichkeit bietet das hier rezensierte Buch: Es wendet sich der Thematik ausführlich zu, bietet dabei einen deutlich tieferen Einblick als ein Lexikonartikel oder eine Philosophiegeschichte – anders als das Studium der Primärquellen jedoch mit dem Service eines angleiteten und strukturierten Zugangs.

Das Thema ist hier der Existentialismus, am engsten verknüpft mit dem Namen “Sartre”.
Warum wollte ich hier in die Tiefe gehen? Nun, ich bin bei Audible zufällig auf dieses Buch gestoßen. Es hatte gute Kritiken. Und ich fand es spannend, mich mit der philosophischen Richtung auseinanderzusetzen, die das Konzept der individuellen Freiheit geradezu grenzenlos zelebriert.
Übrigens gerade, weil ich am Konzept der Willensfreiheit schon seit Jahrzehnten meine Zweifel habe und weil diese Zweifel durch jüngste Erkenntnisse der Hirnforschung immer weitere Kreise ziehen.

Was erwartet einen nun in diesem Buch?
Auf jeden Fall eine Unmenge von Detailinformationen über eine ganze Gruppe von namhaften Vertretern der (eher deutschen) Phänomenologie und des (eher französischen) Existentialismus. Es geht – neben Sartre – um Denker und Autoren wie Edmund Husserl,  Martin Heidegger, Simone de Beauvoir, Albert Camus, Emmanuel Levinas, Maurice Merleau-Ponty – um die wichtigsten zu nennen.

Das Besondere dieses Buches ist der personen- und beziehungsspezifische Zugang: Die Darstellung orientiert sich nicht vorrangig an den Konzepten und Ideen, sondern stellt die agierenden Personen und ihre Beziehungen und Verknüpfungen in den Mittelpunkt. Man erfährt, wer mit wem in welchen Settings einig bzw. uneinig, verbunden oder zerstritten war. Man kommt nicht nur in Kontakt mit den Biografien der Denker sondern erhält auch einen sehr plastischen Eindruck von den Lebenswelten, in denen sie sich jeweils bewegt haben.

Das alles findet mit einer manchmal geradezu zwanghaften Akribie statt. Dabei wird man immer wieder mit Details (aus einzelnen Begegnungen oder Ereignissen) überschüttet, die realistischer Weise kein Mensch braucht.
Das ermüdet auch manchmal  – zudem durch einige Schleifen im Ablauf spürbar sind – und es hat mich zwischendurch an meinem Vorhaben zweifeln lassen.

Trotzdem war ich am Ende meiner Hör-Reise (das Buch wird wirklich perfekt vorgelesen) mit dem Text versöhnt. Kurzfristig flammte sogar der Gedanke auf, ob ich nicht jetzt, wo mir die Zusammenhänge klarer sind, nicht noch einmal von vorne anfangen sollte…
Ich habe mich stattdessen für einen Roman von Sartre entschieden (“Der Ekel”). Auch das kann man als eine Art Erfolg des Buches von BAKEWELL ansehen.

Meine Bilanz:
Wer ein größeres Interesse an dieser Philosophie-Epoche hat und sich einmal  – in allen Facetten – wirklich einlassen möchte auf die Hintergründe der daran beteiligten Personen, der sollte sich dieses Buch gönnen. Es strotzt wirklich vor Detailwissen und ist von dem spürbaren Bestreben getragen, den Lesern ein möglichst lebendiges Bild von Zeitgeist und Personen zu vermitteln. Man taucht ein – mit Haut und Haaren (Kopf und Bauch).
Als philosophisch interessierter Mensch kann man sich eigentlich nur wünschen, dass es zu jeder Denk-Epoche ein vergleichbares Werk gäbe.

Ach so – ich habe ja gar nicht geschildert, was Existenzialismus nun eigentlich bedeutet. Das stimmt!
Vielleicht dazu dann doch kurz bei Wickipedia nachschlagen….

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