“Das Unrecht” von Ellen SANDBERG

Bewertung: 3.5 von 5.

Dieser (Kriminal-)Roman enthält einige Zutaten, aus denen sich eine wirklich interessante Geschichte hätte entwickeln können: Ausgangspunkt ist ein düsteres Kapitel in der DDR-Vergangenheit, das dramatische Folgen für den weiteren Lebensweg der Protagonisten dieses Romans hatte – und in der Gegenwart plötzlich noch einmal aktualisiert wird. Diese Hypothek manifestiert sich in der kurz vor der Silberhochzeit stehenden Ehe zwischen Annett und Volker, die sich als Heranwachsende zu DDR-Zeiten schon kannten.
Auf der Gegenwarts-Zeitschiene begleiten wir Annett bei der schrittweisen Aufdeckung der damaligen Ereignisse und Zusammenhänge und erleben die sich daraus ergebenden Erschütterungen ihres gesamten Lebenskonzeptes.

Die eigentliche Thematik des Romans ist die Darstellung der psychologischen Dynamik, die in Annett bei diesem Prozess entsteht. Damit ist die entscheidende Frage hinsichtlich der
Qualität dieses Romans, wie glaubwürdig und nachvollziehbar diese hochambivalente innere Reise geschildert wird.
Mein Urteil: Das ist nur bedingt gelungen.
Dem Lesenden selbst wird kaum ein Spannungsbogen vermittelt, weil die Hinweise auf die wahren Zusammenhänge schon sehr früh sehr eindeutig sind. So ist man dazu verurteilt, der Protagonistin bei ihrer inneren Achterbahnfahrt zwischen Erkenntnis und Verleugnung zuzuschauen. Das ist eine gewisse Weile auch durchaus unterhaltsam, erreicht aber irgendwann den Punkt von Ungeduld und Unverständnis: Man hält es kaum noch für möglich und mag es kaum noch aushalten.

Nun mag man natürlich einwenden, dass bei der Schilderung von Einzelschicksalen durchaus auch eher unwahrscheinliche Verläufe ihre Berechtigung haben. Jede/r Leser/in hat eine eigene Schwelle, ab der bestimmte Reaktionen als unvereinbar mit dem eigenen psychologischen Verständnis erlebt werden – und daran auch die Identifikation mit einer Geschichte (bzw. mit einer Hauptfigur) leidet. Vielleicht kann man es sogar als genussvoll erleben, wenn man jemanden dabei zuschauen kann, wie er/sie den “Wald vor lauter Bäumen” nicht sehen kann.

Außerhalb der Beziehungsdynamik des Ehepaares hat dieser Roman durchaus einen interessanten zeitgeschichtlichen Hintergrund zu bieten. Wer weniger empfindlich bzgl. der psychologischen Stimmigkeit ist, kann sich durch Ellen SANDBERG durchaus anregend unterhalten lassen. Ein paar kurze Thriller-Elemente sind auch dabei; die Suche danach sollte aber nicht die Hauptmotivation für dieses Buch sein.

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