“Die große Transformation” von Uwe Schneidewind

Der Titel könnte auch einen Science-Fiktion-Roman schmücken – aber es ist (mal wieder) ein reales Zukunftsbuch.
Was unterscheidet es von den vielen anderen Büchern dieser Art, von denen einige auch in diesem Blog schon besprochen wurden (1, 2, 3, 4)?

Das lässt sich relativ einfach erklären: Während die anderen Bücher Fakten und Trends zusammentragen und die Notwendigkeit aufzeigen, sich auf die anstehenden Risiken und Herausforderungen (Digitalisierung, Klimawandel, usw.) möglichst bald einzustellen, macht das Buch von Schneidewind (und seinem Wuppertaler Institut) den Weg und die Prozesse der Umsteuerung zum Thema. Die Ausgangslage und die Ziele werden also weitgehend vorausgesetzt, es geht um die Umsetzung.

Damit ist auch die Zielgruppe für dieses Handbuch definiert: Es richtet sich weniger an den einzelnen Bürger und Konsumenten, sondern an die (potentiellen) Gestalter der Veränderungsprozesse, die als unvermeidlich bzw. ethisch geboten angesehen werden. Also an Muliplikatoren, Sozialwissenschaftlicher, Politiker, Aktivisten, Verbände, usw.
Es geht nicht um Faktenwissen, sondern um System- und Veränderungswissen.
Um es kurz zu sagen: Das Buch analysiert und beschreibt – sozusagen auf der Meta-Ebene – Wege und Methoden, wie die als dringend notwendig erachtete “Zukunftskunst” vermittelt und erworben werden kann. Eine solche Zukunftskunst wäre ein Potpourri an Kompetenzen, Einstellungen und Verhaltensmustern, das den einzelnen und die ganze Gesellschaft befähigen könnte, die anstehenden Aufgaben der Transformation zu leisten.

Es gibt eine zentrale Zielsetzung, die als Vorgabe über dem gesamten Buch schwebt: Die Autoren verschreiben sich (Achtung: Wortspiel) mit vollem Engagement einem moralischen Anspruch: Die Erde soll für (alle!) demnächst ca. 10 Milliarden Menschen ein Ort werden, in dem ein menschenwürdiges Dasein möglich ist. Also ein Leben, in dem die Grundbedürfnisse und Menschenrechte gesichert sind. Und zwar – und jetzt kommt sozusagen der zusätzliche Anspruch – auch für künftige Generationen!
Es geht also um Gerechtigkeit UND Nachhaltigkeit.

Wie gesagt: Es wird nicht für dieses Ziel geworben, es wird vorausgesetzt. Dem kann ich gut folgen; ich wüsste keinen logischen oder ethischen Grund, der gegen dieses Ziel sprechen könnte.
Das Besondere ist nun, dass die Lösung nicht einer politischen oder ideologischen Heilslehre, nicht in einem gesellschaftlichen Umsturz und nicht in einer bloßen idealistischen Utopie gesehen wird. Statt dessen geht es ganz systematisch in kleinen, realistischen und zum Teil schon erprobten Schritte ans Arbeiten. Gucken, was es gibt, was schon funktioniert, welche Kräfte man bündeln könnte, welche Akteure bereit stehen, welche Institutionen man nutzen kann, usw.
Nach und nach entsteht so ein Netzwerk von Ideen, Prozessen und Beteiligten, die an ganz unterschiedlichen Stellschrauben drehen – auf ein gemeinsames Ziel hin.

Man wird fragen: Wo um Himmels willen soll denn bitte die Einsicht und Bereitschaft der Menschen herkommen, auf lieb gewonnene Gewohnheiten und ererbte Privilegien zu verzichten, zum Wohle des Ganzen?
Nun, genau um diesen kulturellen Wandel, um die Veränderung von Vorstellungen über ein “gutes” Leben geht es auch in diesem Buch. Prioritäten können sich ändern; man kann diesen Prozess anstoßen, begleiten erleichtern.
Beispiel: Wenn Städte in Zukunft menschen- und nicht mehr autogerecht sein sollen, dann müssen Stadtplaner, Mobilitätsmanager und Wirtschaftsfachleute zusammenarbeiten. Und gleichzeitig muss es “schick” werden, eben kein eigenes Auto mehr zu besitzen – so wie es in den urbanen Zentren von der jungen Generation schon vorgelebt wird. Solche Trends können Wege in die Nachhaltigkeits-Lebensweise weisen.

Es wird vielleicht schon an meinem Schreibstil der Rezension deutlich: Es geht um eine insgesamt eher trockene, abstrakte Materie. Es wird strukturiert und systematisiert, es gibt Listen und Schaubilder, Zusammenhänge werden beschrieben. Es gibt eine gewisse Redundanz und ein großes Bedürfnis nach Vollständigkeit. Nicht jede/r wird mit so einer Lektüre die kostbare Freizeit füllen wollen.
Aber es gibt Alternativen zum Durcharbeiten eines solchen Fachbuches.
So gibt es eine Internetseite, ein informatives Video in Kurz– und Langfassung und ein Podcast aus der Reihe “Philosophisches Radio” von WDR 5.
Ich empfehle insbesondere den Podcast: In ca. 50 Minuten bekommt man einen guten Eindruck von der gesamten Thematik – auf recht unterhaltsame Weise.

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