“Die Kunst der Illusion” von Matthew L. Tompkins

Meine Haltung zu geschenkten Büchern hat sich verändert: Inzwischen freue ich mich gerade über die Werke, auf die ich von selbst nie gekommen wäre. Dieses besondere Buch gehört definitiv dazu.

Es geht hier nicht einfach um ein Buch zu einem – zugegeben – etwas ausgefallenen Thema. Ich stelle euch eine wahre Schatzkiste vor: liebevoll gestaltet und großzügig illustriert. Ein Vergnügen für die Sinne, die Neugier und den Verstand.

Der Untertitel verrät schon eine Menge. „Magier, Spiritisten und wie wir uns täuschen lassen“. Dahinter verbirgt sich nicht weniger als ein gut recherchierter Überblick über zwei kultureller Nischen, die üblicherweise nicht gerade im Zentrum zeitgeschichtlicher Betrachtungen stehen.

Gemeint sind einerseits die Geisterbeschwörer (Spiritisten), die auf verschiedenen Wegen und mit unterschiedlichen Zielen Phänomene präsentieren, die – vermeintlich – außerhalb jeder naturwissenschaftlichen Erklärung liegen. Meist geht es um Kontakte mit Verstorbenen, deren Botschaften sich – so wird behauptet – mit Hilfe eines geeigneten Mediums in eine wahrnehmbare Form bringen lassen.
Eine parallele Linie beschreibt die Welt der Zauberei, in der es ebenfalls um das Staunen über „Unglaubliches“ geht – diesmal aber auf einem anderen Hintergrund: Der Zuschauer weiß (und genießt sogar), dass er mit hoher Professionalität „betrogen“ wird. Die perfekte Illusion ist das Ziel; das Mittel ist eine Kunstfertigkeit.

Das Besondere an diesem Buch ist die extrem spannende Verknüpfung dieser beiden Bereiche. Wer würde – ohne dieses Buch zu kennen – schon auf die Idee kommen, dass es spannende und hochkontroverse Querverbindungen zwischen Spiritisten und Magiern gab. Teilweise wechselten die beteiligten Personen sogar zwischen den Lagern hin und her; z.T. waren sie sich auch spinnefeind.

Das hört sich vielleicht etwas spröde an. Weit gefehlt!
Das Buch beinhaltet eine schier unglaubliche Sammlung  historischer (Bild-)Materialien aus beiden Welten. In gewisser Weise hat die Publikation den Charakter eines Bildbandes – mit begleitendem Text. Man kann sich wirklich hineinbegeben, insbesondere in das 19. und frühe 20. Jahrhundert. Es wartet eine fremde, wundersame Welt, in der die Sensationen noch nicht elektronisch oder digital verbreitet wurden.

Doch auch der textliche Inhalt hat es in sich: Der Autor, selbst Zauberer und Psychologe, führt mit klarer Linie und ruhiger Hand durch die Kontroversen über Geister, Wunder, Täuschung, Tricks und Humbug. Er polemisiert nicht; er klärt respektvoll und ohne erhobenen Zeigefinger auf. Und wenn es einmal keine vollständige Aufklärung gibt, dann schreibt er das auch.

Was insgesamt dabei herauskommt, ist ein extrem motivierender und anregender Ausflug in eine andere, weitgehend vergangene Welt, in der es mal ein paar Stunden nicht um aufgeregte Tagespolitik oder Internetblasen geht.

Aber es gibt sogar noch eine weitere Zugabe: Der Autor bleibt nämlich nicht in der historischen Darstellung und Analyse stecken, sondern spendiert am Ende noch eine ordentliche Portion moderne Wahrnehmungspsychologie. So bietet er schließlich mit der Beschreibung der Prozesse, die sich zwischen unseren Sinnesorganen und unserer Konstruktion der Wirklichkeit abspielen, sozusagen die gemeinsame Antwort auf die Rätsel von paranormalen Phänomenen und Zauberei.
Das alles ist nicht nur lehrreich, sondern auch wieder anschaulich vermittelt.

Was zu meckern? Kaum: Der Preis ist für dieses toll aufgemachte Buch mit angenehm kartonartigen Seiten ganz sicher nicht zu hoch. Ein kleines Rätsel bleibt allerdings ungelöst: Warum muss in diesem opulent bebilderten Buch der Text so winzig klein gedruckt werden?

Ein tolles Geschenk!

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