21.04.2020

Verkehrte Welt

Heute war es dann soweit: Das erste mal in der Geschichte gab es einen negativen Preis für Öl: Wer einen Barrel Öl abnahm, bekam noch 13,40 Dollar dazu!

Das lässt natürlich meine Fantasien schweifen: Ab welcher Zuzahlungs-Summe wäre ich denn beispielsweise bereit, einen Porsche zu “erwerben”? Wie wäre es dann mit der Sonderausstattung? Könnte man damit die Kaufprämie noch erhöhen? Wäre es lohnend, verschiedene Händler gegeneinander auszuspielen? Wer bietet am meisten?

Natürlich stelle sich auch die Frage nach dem Wiederverkaufs-Verlust, wenn man ihn mal loswerden möchte: Es könnte ja sein, dass man beim Weiterverkauf des Gebrauchten noch mehr oben drauf legen müsste als man selbst beim Neukauf bekommen hat. Das wäre dann ein echtes Verlustgeschäft.

Es gibt immer so viel zu bedenken. Ich lass es doch wohl besser sein…

20.04.2020

Parallelwelten

Ich habe es in einigen Beiträgen schon angedeutet; heute ist es mir nochmal ganz klar geworden: Wir werden uns alle daran gewöhnen müssen, noch etliche Monate in zwei (vielleicht auch mehreren) Parallelwelten zu leben.

Nachdem einige Wochen unser Alltag dadurch bestimmt war, dass einige relativ klare Einschränkungen für fast alle Bereiche der Gesellschaft galten, wurde in dieser Woche eine zweite Phase eingeläutet: Die allmähliche Rückkehr in eine neue Normalität.

Mit einem Schlag wurde damit nicht nur die Situation deutlich unübersichtlicher; es begannen auch sofort eine vielstimmige Diskussion über angeblich falsche Entscheidungen – weil die Lockerung der Regelungen entweder zu schnell oder zu langsam erfolgen.

Schaute man auf diesem Hintergrund gestern bei Anne Will und heute bei Plasberg rein, wurde eines sehr schnell deutlich:
Es gibt die eine Welt, in der die Rückkehr zum normalen Leben und Wirtschaften nur noch durch überängstliche Virologen und sich autokratisch gebärdende Politiker gebremst wird.
Und es gibt die andere Welt, in der wir vielleicht bis ins übernächste(!) Jahr mit durchgreifenden Einschränkungen rechnen müssen (z.B. bzgl. der Kinderbetreuung in KITAS und Schulen) und in der möglicherweise eingeleitete Lockerungen wieder zurückgenommen werden müssen.

Diese beiden Realitäten wird es – so vermute ich sehr stark – nicht nur in der Politik und in den Medien geben. Jede/r von uns wird zwischen den beiden Polen hin- und herpendeln, manche von uns vielleicht mehrfach täglich – je nachdem in welchem Setting und in welcher Stimmung wir uns gerade befinden.

Aber das ist nur der eine Teil der Story, sozusagen der nationale.
Daneben wird es aus vielen Teilen der Welt (so wie gestern aus Südafrika und vor einigen Tagen aus Indien) noch eine geraume Zeit Meldungen geben, die uns immer wieder fassungslos und hilflos machen werden. Die Konfrontation mit der schreienden Ungleichverteilung von Lebensbedingungen und Ressourcen löst offenbar unter den Corona-Bedingungen etwas Besonderes aus: Zwar wissen wir im Prinzip alle, wie unglaublich privilegiert wir hier alle vergleichsweise leben (ja: alle!); aber die Unmittelbarkeit und Anschaulichkeit der Auswirkungen dieses globalen Ereignisses bringt es jetzt wirklich auf den Punkt!
Auf einmal steht die ganze Welt gleichzeitig vor der gleichen Herausforderung – und die Risiken und Bewältigungschancen unterscheiden sich wie Tag und Nacht!
Die Parallelwelten lassen grüßen!

Es gibt noch eine weitere Parallelwelt; die heißt Trump und spielt sich in den USA ab.
Ich will mich dazu hier nicht äußern, aber auf einen wirklich lesenswerten Artikel aus ZEIT-online verweisen. Es ist ein etwas längerer Text, aber er ist sehr informativ. Ich empfehle in sehr!

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19.04.2020

Ungeduld

Eindruck aus dem Sonntags-Talk: Anne Will möchte mit aller Macht wieder zurück zu den altgeliebten Kontroversen. Sie versucht zuzuspitzen.

Das betrifft auch die Auswahl der Gäste: Man lädt wieder Leute ein, von denen man kritische Beiträge erwarten kann.

Vielleicht ist das alles so richtig, weil in einer Demokratie ja gestritten werden soll.

Auf mich wirkt es überflüssig und vor allem ungeduldig.

18.04.2020

Ist zu Corona alles geschrieben und gesagt?

Geht es euch auch so? Ich bin ein bisschen müde und leer, vielleicht auch gesättigt.
Will oder braucht man noch mehr Zahlen, neuere Prognosen, Diskussionen über Masken, Homeoffice oder die Öffnung der Schulen?
Hat man überhaupt schon mal (außer vielleicht unmittelbar nach dem 11. September) so lange so intensiv an einem Thema verweilt?

Man ist – wenn man denn möchte – inzwischen unglaublich gut informiert. Dazu gehört inzwischen, dass man auch die Zwischentöne kennt, die (kleinen) Nuancen in den Einschätzungen selbst der Fachleute.
Jeder halbwegs aufmerksame Mensch könnte in einer Podiumsdiskussion wohl inzwischen in die Rollen von Laschet, Söder oder Lindner schlüpfen, ohne dass es groß auffallen würde.

Das Verrückte ist nur: Trotz aller Gewöhnung, trotz zunehmender Gelassenheit könnte es sein, dass das “dicke Ende” noch kommt. So ganz allgemein für uns alle, aber auch so ganz fürchterlich persönlich.

Aber: Kann man das beeinflussen, wenn man noch mehr Zeit investiert, noch mehr Informationen sammelt? Ich glaube, eher nicht.
Jede/r wird wohl inzwischen wissen, wo er/sie sich einordnet bzgl. der Vorsichtsmaßnahmen und der Umgehensweise.

Deshalb ist es sicher nicht verkehrt, wenn man sich mal anderen Themen zuwendet.
Das Virus wird keinen Unterschied machen – egal wie viele Sondersendungen man versäumt hat.

17.04.2020

Ebikes

Es gibt auch noch andere Themen in der Presse. Gelegentlich.

Auf ZEIT-online gibt es eine Serie über Ebikes. Durchaus löblich!
Da erfährt man doch tatsächlich, dass Elektromobilität mit dem Fahrrad nicht nur etwas für Alte, Faule oder Invalide ist. Wow!

Es sollen sogar schon Menschen unter 40 auf einem Ebike gesichtet worden sein: unfassbar! Gerüchteweise haben sich sogar in Einzelfällen schon echte Designer mit dieser Produktklasse befasst! Kaum zu glauben!

Vermutlich werden demnächst diese Bikes auch noch außerhalb des Sanitäts-Fachhandels vertrieben…

Toll – mal was anderes als Corona zu lesen…

“Das egoistische Gen” von Richard DAWKINS

Warum – so kann man mich mit Fug und Recht fragen – sollte jemand im Jahre 2020 eine ganze Reihe von Stunden seiner Lebenszeit aufwenden, um ein wissenschaftliches Buch zu lesen, das in seiner 1. Auflage aus dem Jahr 1976, in der 2. Auflage aus 1989 stammt?

Nun: Denkbar wäre, dass es sich um ein inhaltlich epochemachendes Werk handelt oder dass die Art der Darstellung einen “zeitlosen” Wert in sich trägt.
Für dieses Buch des Evolutionsbiologen DAWKINS gilt beides in hohem Maße.
Trotzdem gab es noch ergänzende (subjektive) Gründe für diese Lektüre:
– so eine Art schlechtes Gewissen, dass ich dieses Standardwerk noch nie im Original gelesen hatte
– die weltanschauliche Nähe zu dem Autoren (der sich auch in der Thematik des “Atheismus” einen Namen gemacht hat)
– die Verfügbarkeit des Buches in der allernächsten Umgebung

Ich fühle mich an dieser Stelle nicht berufen, den Inhalt dieses Buches wiederzugeben. Die Theorie des “Egoistischen Gens” hat sein Jahrzehnten ihren Platz in jedem Lehrbuch der Biologie (erst recht natürlich der Genetik oder der Evolutionswissenschaften) gefunden. Sie ist jederzeit aus verschiedensten Quellen abrufbar.
Im Kern geht es DAWKINS darum, die durch Darwin entwickelte Theorie der “natürlichen Auslese” zu präzisieren und zu Ende zu denken: Seiner Überzeugung nach, sind nicht Individuen (also einzelne Menschen, Tiere oder Pflanzen) oder gar Gruppen solcher Lebewesen Gegenstand der evolutionären Kräfte (also der Auslese), sondern es sind bestimmte Gen-Einheiten, die jeweils für die Ausprägung bestimmter Merkmale (mit “Überlebenswert”) verantwortlich sind.
Die Individuen, die wir (aus egozentristischer Eitelkeit) als so bedeutsam betrachten, sind für DAWKINS nur Überlebensmaschinen zur Weitergabe von Gen-Abschnitten.

Da dieser Grundgedanke auf über 500 Seiten ausgeführt wird, liegt nahe, dass die Zusammenhänge recht komplex sind und viel Energie (Argumentationskraft und Befunde) darauf verwandt werden, ihn facettenreich zu erläutern.
Wenn man ehrlich ist: Das braucht kein Nicht-Experte in dieser hochdosierten Form!

Kommen wir also zum Stil der Abhandlung.
Und hier bestätigt sich rasch die Erfahrung aus seinen religionskritischen Werken (z.B. “Der Gotteswahn”): DAWKINS ist ein Autor ist, der (gerne) polarisiert.
Das liegt hier im Bereich der strengen Wissenschaft nicht daran, dass an weltanschaulichen Tabus gerüttelt wird; aber die gemeinsame Basis seines Schreibens ist eine deutlich spürbare Lust an der Konsequenz.
Dinge radikal weiter zu denken – bis an die Grenzen der vermeintlichen Absurdität – das bereitet dem Autor ganz offensichtlich ein nicht unerhebliches Vergnügen.
DAWKINS streitet gerne und scheut auch nicht, seine Argumente als “überlegen” zu kennzeichnen, wenn sie durch Beobachtungen oder Experimente bestätigt wurden.
DAWKINS lebt für die Wissenschaft, er ist Naturwissenschaftler mit Leib und Seele (an die er natürlich nicht glaubt).
Er wäre jederzeit bereit, einen Irrtum oder einen Fehlschluss einzuräumen, wenn die Fakten dies notwendig machen würden. Das ist Ehrensache! Aber bis dahin würde er “kämpfen” – um die logischte Interpretation der Daten, um die eleganteste Theorie.

Wenn man ein wenig so tickt wie der Autor, dann mag man seine Denk- und Schreibweise. Wenn einem seine Art sogar fasziniert, dann kann man diesem Klassiker eine Menge abgewinnen. Dann nimmt man auch so (vermeintliche) Absurditäten in kauf, dass das Verhalten von Tieren gegenüber ihren Verwandten dritten Grades durch den Anteil des geteilten Genmaterials erklärt wird oder das die Spieltheorie (die meist in den Wirtschaftswissenschaften zur Anwendung kommt) biologische Verhaltensmuster abbildet und voraussagt.

So richtig ernsthaft kann ich aber letztlich kaum jemandem die Lektüre des Buches empfehlen – trotz der extrem vielfältigen und anregenden Ein blicke in die Geheimnisse der Evolution.
Das Lesen ist einfach auch mühsam; DAWKINS bleibt nun mal nicht an der Oberfläche. Manchmal muss man sich auch ein wenig quälen.
Das Lesen dieses Buches setzt schon ein gehöriges Ausmaß an intrinsischer Motivation voraus.

Ich bin froh, dass ich einmal im Leben diese Motivation aufgebracht habe.
Es ist so ähnlich, wie einmal FREUD im Original zu lesen (oder SATRE, oder GOETHE).
Es geht weniger um die Fakten als um einen Eindruck vom “Geist” dieses Buches und seines Autors.

Mein (intellektuelles) Leben wird durch Menschen wie DAWKINS bereichert. Er zeigt, was man mit menschlichem Wissensdrang und der Anwendung wissenschaftlicher Methodik alles erkennen kann.
Dass dies manchmal mit “metaphysischen” weltanschaulichen Überzeugungen in Konflikt gerät, ist für mich kein Problem.

“Alles was ich dir geben will” von Dolores REDONDO

Es sollte ein anspruchsvoller Krimi werden, sozusagen “literarisch”. So was mag ich: Die Kriminalgeschichte ist dann (nur) eine Art Rahmen für kunstvolle sprachliche und gehaltvolle inhaltliche Belletristik.

Fangen wir mit der Story an:
Durch den plötzlichen Tod seines Ehemannes erfährt der Erfolgsschriftsteller Manuel von einem bisher völlig unbekannten zweiten Leben seines Partners. Dieser war Teil einer bedeutsamen galizischen Adelsfamilie mit langer Tradition.
Im Kontext von Trauerfeier und Testamentseröffnung wird Manuel nicht nur mit dem Schock über sein “Hintergangen-Werden”, sondern auch mit den anderen Angehörigen und ihrer Familiengeschichte konfrontiert.
Der Rest ist akribische Aufklärung: Wer war wann und warum in welche Machenschaften verwickelt, die zu dem Tod des geliebten Partners geführt haben? Was war er wirklich für ein Mensch? Müssen alle vermeintlichen Gewissheiten über Bord geworfen werden? Was bleibt übrig von Manuel und seiner großen Liebe?

Ich suche immer gerne nach den grundsätzlichen Themen; ein Buch nur wegen einer Geschichte zu lesen, die keine Bedeutung für mein restliches Leben hat, reizt mich nicht.
Natürlich geht es hier um Liebe, hier homosexuelle Liebe. Damit ist schon absehbar, dass es auch um Vorbehalte und Diskriminierung geht.
Es geht auch – soweit darf man wohl spoilen – um Kindesmissbrauch.
Im Fokus des Autors stehen auch feudale Strukturen im ländlichen Spanien: Wie viel Macht konzentriert sich in den traditionellen Familiendynastien und wie wird sie missbraucht? Wie extrem werden Loyalitäten eingefordert und ausgelebt?
Auch ein (bürgerlicher) Ehekonflikt, die katholische Kirche und die Beziehung zu einem Tier spielen eine gewisse Rolle.
Damit kann man doch sicherlich eine Menge anfangen?!

Die Autorin spielt durchaus gekonnt mit diesen Themen. Sie entwirft Figuren, von denen einige durchaus differenziert gezeichnet sind, so dass auch die Leser sich in Ambivalenzen üben können. Es ist zu spüren, dass es REDONDO um psychologische Stimmigkeit geht.
Sprachlich spielt der Roman sicher auf einem guten Niveau – ohne gleich permanente Begeisterung auszulösen.
Sie schafft es ohne Zweifel, die Leser in diese galizische Adelswelt mitzunehmen. Genau das – das Eintauchen in einen anderen Kontext – sollte ein guter Roman schaffen.

Kommen wir zum Krimi-Teil.
Ich mache es mal kurz: Für mich war es am Ende zu viel Krimi!
Es mag ja für die vielen Amateur-Detektive gerade sehr reizvoll sein, nach und nach die verschiedenen – durchaus kunstvoll gelegten – Fährten zu verfolgen, um dann doch eine unerwartete Auflösung zu genießen. Für mich ist das nicht so bedeutsam; ich empfand eher eine gewisse Redundanz, auch weil immer mal wieder rekapituliert wurde, was man gerade zum aktuellen Zeitpunkt wusste.

Daher mein Urteil: Wer Krimi möchte, bekommt einen Krimi – und dazu einen besonderen Schauplatz, anregende Inhalte und eine niveauvolle Sprache.
Wer sich das Aufdeckungsspiel eher als Beiwerk wünscht, wird vielleicht ein wenig enttäuscht sein. Gut unterhalten wurde er/sie trotzdem.

14.04.2020

Hochkant-Videos

Darf man in so ernsten Zeiten über die Absurditäten des Alltags schreiben?
Ich finde: ja!

Vor etwa einem Jahr habe ich so etwas wie eine Glosse über das Phänomen “Hochkant-Videos” geschrieben. Zu meinen damaligen Betrachtungen kann ich immer noch stehen.

Inzwischen hat sich der Irrwitz weiter ausgebreitet: Selbst bei Konzerten (ja, so etwas gab es vor den Corona-Zeiten) stehen inzwischen Menschen vor einer 80m breiten Bühne und schwenken mit ihrem Hochkant-Handy hin und her. Das Bild besteht hauptsächlich aus Publikum und der Hallendecke – und trotzdem kommen sie nicht auf die Idee, das Handy zu drehen, um sich damit auf natürliche Art dem Aufnahmeobjekt anzupassen.

Der letzte Trend: In der neuen “heute-App” gibt es einen extra Bereich für Hochkant-Videos. Damit passt sich selbst das klassische TV-Medium den Smartphone-Sehgewohnheiten an. Das nennt man wohl “totale Kapitulation”.

Ich schlage als nächsten Schritt vor, auch die Fernseh-Bildschirme und Kino-Leinwände auf Hochkant umzubauen.

Vielleicht erbarmt sich nach ein paar 100 000 Jahren auch die Evolution und ordnet endlich unsere beiden Augen übereinander – statt wie bisher so altmodisch nebeneinander – an.

Dann wäre wieder alles in bester Ordnung!