Den folgenden Text habe ich auf der Plattform “mojoreads” veröffentlicht. Er wurde da durchaus beachtet. Ich stelle ihn deshalb auch hier mal (in leicht verkürzter Form) ein.
Ich bin leider erst sehr spät in meiner Lesebiographie auf die
Vorzüge gestoßen, die das Schreiben von Rezensionen mit sich bringt. In den
letzten Jahren habe ich diese Vorzüge sehr schätzen gelernt und möchte davon
kurz berichten. Die meisten von euch werden ähnlich Erfahrungen selber machen;
es geht mir also nicht darum euch irgendetwas Neues zu erzählen, sondern nur
darum, diese Erfahrungen einmal in Worte zu fassen.
Das
Festhalten von Empfindungen und Gedanken, die ein Buch auslöst, hat für mich
zwei Haupteffekte: es intensiviert das Lesevergnügen selbst und vergrößert die
Nachhaltigkeit, also den langfristigen Gewinn. Das muss natürlich nicht für
jeden Menschen so gelten, weil es für viele völlig ausreicht, das Vergnügen
beim Lesen als ein eher „diffuses“ Gefühl zu genießen. Auch die Inhalte oder
Themen, die angestoßen werden, können ja durchaus aufgenommen und genutzt
werden, ohne sie in eine eigene, sprachlich durchstrukturierte Form zu bringen.
Das ist alles richtig und okay.
Ist man
aber ein Mensch, der sprachliche Erfassung und Formulierung eigener Gedanken
als ein Vergnügen und nicht als eine Pflicht erlebt, ist die Situation ganz
klar: Ich bin durch das Verfassen einer Rezension dazu gezwungen, meinen
Gedanken zu ordnen und auszudifferenzieren. Wenn ich etwas in eigene Worte
fasse, muss ich es klarer durchdringen, als wenn ich meinen Gedankenstrom
fließen lasse. Diese Genauigkeit („welches Wort trifft es am besten?“)führt
letztlich dazu, dass ich aus dem gelesenen Text mehr für mich herausholen kann
– weil ich mir dessen Wirkung durch die Versprachlichung bewusst mache.
Vielleicht
kennen andere Menschen diese Erfahrung von Gesprächen nach einem Kinobesuch mit
Freunden. Es gibt Menschen, die völlig damit glücklich sind, sich nach einem
Film gegenseitig zu bestätigen, dass man ihn genossen hat. Andere Menschen
freuen sich schon während des Films darauf, seine Figuren und Handlungsstränge
noch mal auf ihre Bedeutung oder in Bezug auf die ausgelösten Empfindungen zu
diskutieren. Man dringt sozusagen auf der Analyseebene noch einmal auf eine
tiefere Schicht ein und wird sich über die Erlebnisse und deren Hintergründe
bewusster. Und erkennt vielleicht Zusammenhänge zwischen filmischen Stilmitteln
und deren Wirkungen.
So geht
es mir im Umgang mit einem Buch: Schreibe ich eine Rezension, dann eigne ich
mir das Buch in einer größeren Intensität an und schaffe gleichzeitig eine
Grundlage für mein Gedächtnis, davon auch langfristig zu profitieren.
Literaturwissenschaftliche
Aspekte spielen bei meinen Rezensionen keine Rolle; ich habe dafür auch einfach
nicht die theoretischen Grundlagen. Viel wichtiger ist es mir, das Gelesene mit
meiner Person, meinen Erfahrungen, meinen Zielen und meinen Werten in
Verbindung zu bringen. Diese Verbindung, die ja in einer Bestätigung oder in
einer Widersprüchlichkeit bestehen kann, ist für mich oft der entscheidende
Punkt, der ein Buch für mich interessant macht.
Deshalb
ist mein Ziel nicht in erster Linie eine neutrale oder objektive Beschreibung
der Qualitäten eines Buches (das muss sicherlich auch ein Aspekt sein), zu
sondern es geht für mich immer auch um den Bezug zu mir: Ich muss als Personen
in jeder Rezension spürbar sein – sonst ist es nicht meine Rezensionen. Das
mögen andere gerne als irgendwie selbstverliebt oder ichbezogen beurteilen; trotzdem
ist es meine Triebfeder zu schreiben.