“Papyrus” von Irene VALLEJO

Bewertung: 3.5 von 5.

Es gibt Bücher, die so besonders sind, dass man sich wünscht, für sie der/die passende Leser/in zu sein. Die klassische Philologin Irene VALLEJO hat ohne Zweifel so ein Buch geschrieben.

Dieses Buch ist nicht nur ein Buch über Bücher – es ist eine geradezu ausschweifende Liebeserklärung an das geschriebene Wort. Dessen Geschichte wird von den Vorläufern (der mündlichen Überlieferung), über die ersten Anfänge (das Entstehen alphabetischer Schriften), über die verschiedenen Verbreitungsformen, die ersten Bibliotheken, die ersten Buchhandlungen, die ersten Lesekulturen bis in die Gegenwart erzählt.
Wobei die Betonung auf “erzählt” liegt: VALLEJO hat zwar ein vor Detailwissen berstendes Sachbuch geschrieben, dies aber nicht in einer nüchternen Systematik, sondern in einer vielschichtigen Breite und Tiefe, die geschichtliche Verläufe an unzähligen Beispielen und Anekdoten lebendig werden lässt.

Der thematische Einstieg und Schwerpunt ist die Griechische Antike. Von dem Startpunkt der ersten globalen Buchsammlung in der legendären Bibliothek in Alexandria aus, breitet die Autorin ein dichtes Gewebe von Fakten und Bezügen aus. Immer wieder geht sie dabei in die Tiefe, nutzt historische Einzelquellen zum Eintauchen in konkrete Lebenswelten einzelner Protagonisten (Feldherren, Bibliothekaren, Buch-Kopierer, …).
So entsteht über hunderte von Seiten ein beeindruckendes Kaleidoskop des Griechischen (und später Römischen) Altertums – wobei VALLEJO in kauf nimmt, dass ihr eher assoziativer Schreibstil zu einigen historischen Schleifen führt. Kritischer formuliert: Man hat den Eindruck, sie findet aus ihrer Lieblingszeit nicht so recht hinaus.

Für jeden geschichtsaffinen und bibliophilen Menschen, insbesondere für jeden Fan der Wiege unserer klassischen Kultur, stellt dieses Buch eine fast unbegrenzte Fundgrube dar, die zum Schwelgen einlädt.
Interessiert man sich hingegen eher nüchtern-wissenschaftliche für die Geschichte des Buches, dann könnte man sich auch überfordert fühlen von der an jeder Ecke spürbaren Begeisterung der Autorin für alle denkbaren Aspekte der Thematik, für jedes erreichbare Detail.
Für den “normalen” Lesenden ist dieses Buch wohl nur dann empfehlenswert, wenn er/sie bereit ist, sich einem intensiven Flow zu überlassen, wenn das Ziel nicht die Informationsaufnahme, sondern das Eintauchen und Verweilen ist, wenn dieser Zeit und Konzentration vereinnahmende Text nicht in Konkurrenz mit anderen Themen und Büchern steht.

Leider war ich nicht ganz der passende Leser für dieses ganz sicher grandiose Buch. Ich habe ca. 500 von 660 Textseiten durchgehalten (ca. 100 Seiten Anhang gibt es auch noch); dann waren mein Interesse und meine Geduld endgültig verbraucht. Meine Hingabe an das Thema ist einfach nicht so grenzenlos wie die der Autorin.
(Meine Sterne-Bewertung stellt einen Kompromiss zwischen der allgemeinen und persönlichen Sicht auf dieses Buch dar).

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