“System Error” von Solveig ENGEL

Bewertung: 3 von 5.

Es liegt voll im Trend, Bücher über den – aktuellen oder drohenden – Überwachungsstaat zu schreiben. Man muss nicht lange nach einem Stoff suchen, wenn man sich z.B. die aktuellen digitalen Systeme in China als Anregung nimmt.
Es fehlt dann nur noch ein passender Plot – und schon ist der nächste warnende Blick in die nähere Zukunft fertig.

In diesem krimi-affinen Roman geht es um einen ganz besonderen Big-Data-Algorithmus, der in der Lage ist, Verbrechen nicht nur aufzuklären, sondern letztlich sogar vorherzusagen. Entwickelt wird dieser geniale Code in einer privaten Firma, die durch zwei Teilhaber getragen wird, die sich im Laufe der Story zu unerbittlichen Gegnern entwickeln.
Während Marow einer echten Berufung folgt und der absoluten Korrektheit seiner Software verpflichtet ist, denkt der windige Kyle eher an Geld und Macht.

Als zentrale Bewährungsprobe für die Genialität des Verbrecher-Aufspür-Codes dient die Entlarvung eines bis dahin unbescholtenen Journalisten. Nach diesem spektakulären Erfolg stand dem Siegeszug des Programms nichts mehr im Wege. Kaum jemand zweifelte noch an seiner Schuld…
(Ganz nebenbei gerät dieser Ravi noch in eine rechtsterroristische Verschwörung; die Schilderung seiner Einschleusung in den inneren Kern ist dermaßen hanebüchen, dass es einem die Sprache verschlägt).
Mit von der Partie sind u.a. ein rechtslastiger Investor und ein Innenminister, der von der totalen Sicherheit für seine Bürger und Wähler denkt.

Wie fast immer geht es in dem Roman um “Gut gegen Böse”; wie leider so oft verläuft dieser Kampf ein wenig holzschnittartig und klischeehaft. In “System Error” geht es um gute und böse Programme und Programmierer, um Verrat und Intrigen, um Moral und Korruption.
Es geht auch um eine Welt, die sich nach absoluter Berechenbarkeit und Sicherheit sehnt und um eine Digitalisierung, die scheinbar unaufhaltbar in einen gesellschaftlichen Abgrund führt.

Allerdings trägt ENGELs Roman aufgrund seiner inhaltlichen Konstruktion wenig zu dem – eigentlich ja sehr spannenden – Grundsatzkonflikt zwischen “Freiheit und Sicherheit” bei: Letztlich sind es finstere Machenschaften eines Einzelnen, die das Überwachungs-System scheitern lassen – nicht die digitale Datenanalyse selbst. Man hätte gerne erfahren, was denn aus der seriösen Version des großen “Cyb-Systems” geworden wäre.
Der Showdown am Ende des Romans wirkt ein wenig aufgesetzt und kann zur Grundproblematik auch nichts mehr beitragen.

Obwohl ENGEL den Roman sprachlich ansprechend ausgestaltet, überzeugt die Geschichte inhaltlich insgesamt nicht wirklich. Man kann sich als Leser/in zwar in der Skepsis gegen Big-Data bestätigen lassen – einige Aspekte des Plots wirken aber wenig überzeugend.

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