„Die Bücherdiebin“ von Markus ZUSAK

Die Bücherdiebin ist kein aktuelles Buch. Es erschien erstmals 2005 und ist inzwischen als „Klassiker“ anzusehen. Aber ich habe zu diesem Buch erst jetzt gefunden – und ich bin froh, dass ich es nicht ganz verpasst habe.

Es geht um die NS-Zeit, die aus der Sicht eines bücherbegeisterten Mädchens beschrieben wird. Zwischendurch meldet sich der Tod als Ich-Erzähler zu Wort, der in diesen Kriegs-, Hunger- und Vernichtungszeiten mehr als genug zu tun hat.

Dieses Buch rührt den Leser bzw. die Leserin deshalb besonders an, weil es die Nöte und das Grauen dieser Zeit konsequent aus der sehr konkreten Perspektive eines Mädchens beschreibt und damit unmittelbar fassbar macht. Dieses Mädchen findet in einer Umgebung, in der Krieg und Menschenverachtung immer stärker zur Normalität werden, kleine Inseln von Humanität und Liebe. Diese Erfahrungen ermöglichen es ihr, selbst unter widrigsten Bedingungen als Person zu reifen und selbst Mitmenschlichkeit entwickeln und weitergeben zu können.

Als wichtiges Medium und Werkzeug in dieser kleinen Gegenwelt zum nationalsozialistischen Stumpfsinn entdeckt Liesel die Kraft der Worte, der Sprache und der Bücher. Unter unglaublichen Bedingungen lernt sie – verspätet – das Lesen und macht dann um das Lesen und Schreiben von Büchern herum die entscheidenden Erfahrungen, was es auch bedeuten kann, Mensch zu sein.

Doch Sprache ist nicht nur ein Thema des Buches, sondern ein besonderer Umgang mit Sprache wird auch vom Autor selbst zelebriert. Ein äußeres Zeichen sind  z.B. die vielen – auch längeren – Kapitel-Überschriften, die z.T. als Inhaltsangabe, als Strukturierung oder als zusätzliche Erzählebene dienen.

Ein Buch über Menschsein und Menschenliebe, die über Generations- und Glaubensgrenzen reichen können. Ein Buch über die Bedeutung von Büchern. Ein Buch über die wesentlichen Dinge….

Bundestagswahl

Wählen ist Privatsache. Zum Wahlrecht gehört das Attribut „geheim“.
Trotzdem möchte ich meine Überlegungen zum Thema hier offen machen.
Warum?
Es ist  – wie immer – eine Mischung zwischen Selbstreflexion und einem ganz bescheidenen Versuch der Einflussnahme durch Überzeugung.

Was kann man realistischerweise noch beeinflussen?
Nun, man kann vielleicht noch verhindern, dass die AfD drittstärkste Kraft wird und man kann dafür sorgen, dass eine der beiden für eine Koalition mit Merkel in Frage kommende Partei stärker wird als die andere.
Da der Ruf der GroKo ziemlich gelitten hat, ist es sehr wahrscheinlich, dass entweder die FDP oder die GRÜNEN Koalitionspartner werden. Und das macht einen wesentlichen Unterschied!

Zunächst zur AfD:
Einige von uns haben vielleicht im erweiterten Bekanntenkreis oder in der Verwandtschaft Kontakt zu Menschen, die potentielle AfD-Wähler sind. Vielleicht gibt es vor der Wahl noch eine Gesprächsmöglichkeit, die man nutzen könnte.
Wenn ich mir eine solche Situation vorstelle, dann würde ich weniger über einzelne Politikfelder oder gar Detailfragen sprechen. Bzgl. der bekannten Themen wie Flüchtlings- , Euro-, Familienpolitik und innere Sicherheit würde ich deutlich machen, dass „alternative“ Meinungen möglich und legitim sind. Ich würde auch Verständnis für das Gefühl zeigen können, dass sich bestimmte (konservativ-nationale) Wertvorstellungen und Meinungen bei den etablierten Parteien nicht mehr so richtig „unterbringen“ lassen (außer bei der CSU).
Somit wäre die Suche nach einer Alternative letztlich nachvollziehbar.
Das entscheidende Argument, trotzdem nicht AfD zu wählen, wäre für mich das Thema „Anstand“ (oder auch „Grundwerte“). Natürlich kann und will ich nicht jedem AfD-Kanditaten ganz persönlich diesen Anstand absprechen. Aber festzuhalten bleibt, dass diese Partei von Meinungen und Personen durchsetzt ist, die einige  für mich wesentliche Grundwerte zumindest in Frage stellen.
Ich meine damit Haltungen wie
– klare Abgrenzung von klassisch-rechtsradikalem und nationalistischem Gedankengut
– Verzicht auf Verunglimpfung von politischen Gegnern oder bestimmten Menschengruppen
– Verzicht auf jede Verharmlosung von Gewalt (als Ausdruck eines Protestes oder als politisches Mittel)
– Beibehaltung einer Grundsolidarität mit Menschen, die unter Krieg, Verfolgung, Not und bitterer Armut leiden (was ausdrücklich nicht die Bereitschaft beinhalten muss, alle diese Menschen nach Europa oder Deutschland einzuladen).
Wenn Menschen sich zu diesen – sehr allgemeinen – Grundüberzeugungen bekennen könnten, dann dürften sie eigentlich nicht mit gutem Gewissen ihr Kreuz bei der AfD machen. Diesen Gedanken würde ich gerne vermitteln. Mit allem Respekt vor den Unterschieden in konkreten Fragestellungen.

Jetzt zur Koalititionsfrage:
Auch wenn sich die FDP sehr modern und weltoffen – vor allem sehr digital – zeigt: Entscheidend scheint mir zu sein, dass sie durch ihren Vorrang für den „freien“ Markt (mit möglichst wenig Regeln) nicht die Voraussetzungen dafür schaffen wird, dass wir uns als Gesellschaft schnell und konsequent genug auf eine ökologisch ausgerichtete Wirtschaft, Energieerzeugung, Mobilität, Landwirtschaft, … zubewegen. Die freie Entfaltung des einzelnen und der Unternehmen mag ein hohes Gut sein – aber das Bewältigen des Klimawandels und der skandalösen Ungleichheit bei der Verteilung des Reichtums und der Ressourcen muss eine höhere Priorität bekommen. Und dafür bedarf es eines starken Staates, der regulierend und steuernd eingreift und – da wo es notwendig ist – auch der wirtschaftlichen Macht Grenzen setzen kann.
Sollte es für eine Koalition mit den GRÜNEN eher reichen als mit der FDP, zeichnet sich zumindest die Chance ab, nicht nur Rückschritte zu verhindern (was ja auch schon gut wäre) sondern auch in Einzelfragen positive Akzente zu setzen (vielleicht bei der Braunkohle oder der Massentierhaltung).

Insofern glaube ich, dass man tatsächlich mit einer Wahlentscheidung für die GRÜNEN in dieser besonderen politischen Konstellation etwas bewegen und beeinflussen könnte – und zwar mit relativ wenigen Stimmen, die aber eine wichtige Weichenstellung beinhalten könnten.

„Das Kind, das nicht fragte“ von Hanns-Josef ORTHEIL

Bewertung: 5 von 5.

Ein tolles Buch über
– Kindheitsverletzungen, ihre Auswirkungen und ihre Heilung
– Sizilien (Landschaft, Menschen, Küche)
– Ethnologie (als Wissenschaft und als Berufung)
– die Kunst, andere zum Reden zu bringen
– die große Liebe

Meiner bescheidenen Meinung nach ist dieses Buch ein Meisterwerk – zumindest für alle, die sich durch die obige Aufzählung angesprochen fühlen.

Man verschmilzt ganz rasch mit dem Ich-Erzähler und will ihn kaum wieder loslassen.
Es ist ein durch und durch positives Buch – obwohl von einer schwierigen Kindheit erzählt wird. Aber man ist so fasziniert davon, wie der Erzähler diese Kindheit auf eine unnachahmliche Weise verarbeitet hat, dass das erfahrene Leid in den Hintergrund rückt.
Das Buch strotzt vor Interesse und Liebe für die Menschen – im Allgemeinen und in einer sizilianischen Kleinstadt im Besonderen. Und wer eine wirklich große Liebe mal in einer ganz besonderen Form beschrieben haben möchte, der wird hier auf seine Kosten kommen.

Doch das größte Kompliment am Schluss: Ich habe wohl nie zuvor ein so schönes Happy-End gelesen, ohne es auch nur einen Moment lang kitschig zu finden.
Ein absolutes Lesevergnügen, das mich sofort eine zweites Buch dieses Autors ausprobieren lassen wird.
(Dieses zweite Buch ist inzwischen gelesen und hier besprochen)

Heilpraktiker – abschaffen oder aufwerten?

Man diskutiert aktuell über den Status des Heilpraktiker-Berufs. Kann es wirklich sein, dass die beiden medizinischen Berufsbilder „Arzt“ und „Heilpraktiker“ scheinbar gleichberechtigt nebeneinander stehen, obwohl der niedergelassene Mediziner ein wahrlich aufwändiges Studium absolviert hat und der Heilpraktiker letztlich eine Mini-Prüfung ablegen musste, die sicherstellen soll, dass er einen groben Schaden anrichtet.
Gibt es da nicht einen Handlungsbedarf? Ist das Berufsbild noch zeitgemäß? Schützt die Bezeichnung „Heilpraktiker“ ausreichend vor Scharlatanerie? Werden nicht völlig unrealistische Erwartungen geweckt und gefährliche Risiken generiert durch die immer stärkere Hinwendung zur Alternativmedizin?

Okay – ich höre die Stimmen des Protestes: Könnte es nicht sein, dass die engstirnige und technisierte Schulmedizin – unterstützt von der Pharmalobby – mal wieder auf genau die „Konkurrenz“ losgeht, die den enttäuschten und frustrierten Patienten einen menschliche und ganzheitlichen Zugang zu ihren Störungen und Krankheiten ermöglicht? Kennt nicht jede/r im Bekanntenkreis (oder bei sich selbst) ein Beispiel dafür, dass die Schulmedizin versagt, der Heilpraktiker aber geholfen hat? Wollen wir wirklich zulassen, dass es demnächst noch weniger Alternativen zur „Fünf-Minuten-Dann-Rezeptblock-Zücken-Medizin“ gibt. Müssen wir uns mit den Heilpraktikern solidarisieren und den Berufsstand retten?

Okay – der Bogen ist aufgespannt. Und nun?

Vorweg eine Bemerkung: Es gibt gute und schlechte Ärzte genauso wie gute und schlechte Heilpraktiker. Es gibt mit Sicherheit Heilpraktiker, die durch Aus- und Fortbildung und Erfahrungswissen ein profundes medizinisches Faktenwissen haben und dies mit einer wohltuenden Zuwendung, einer therapeutischen Gesprächsführung und einer natürlichen Autorität verbinden können. Es gibt ohne Zweifel zahlreiche körperliche und psychosomatische Störungen, für die diagnostischen Sichtweisen, die Interpretationen, die Ratschläge und die angebotenen Behandlungsformen außerordentlich hilfreich und letztlich auch heilend sein können.
Aber eben nur „können“. Das Schild an der Tür sichert das alles nicht ab. Zwar garantiert die Kassenzulassung auch keinen Ideal-Mediziner – aber sie steht für einen Ausbildungsstandard, der meilenweit über das geforderte Wissen des Heilpraktikertums hinausgeht (vielleicht sogar Lichtjahre).

Also bleiben meines Erachtens nur zwei Möglichkeiten: Entweder werten wir das Berufsbild soweit auf, dass jeder Patient davon ausgehen kann, dass ihm ein gut ausgebildeter Mensch gegenübertritt, der – zumindest für einen Teilbereich – auch schulmedizinisches Wissen in sein Tun einbringt. Oder wir schaffen diese „Grauzone“ zwischen esoterischem Heiler und Alternativ-Mediziner ab und schaffen damit Klarheit, dass für „Krankheiten“ nur die eine, „richtige“ Medizin zuständig sein kann. Die Medizin nämlich, die ihre Methoden überprüfen und ihre Erfolge messen lassen muss.

Und jetzt kommt das Wichtigste: Natürlich muss sich die Schulmedizin verändern! Radikal! All das, was die Menschen beim Heilpraktiker oder Homöopathen suchen (und oft auch finden), muss in die standardmäßige ärztliche Betreuung integriert werden. Und das, was dort nicht hineinpasst, gehört in eine deutlich erweitere psychotherapeutische Versorgung. Natürlich wollen und brauchen kranke und gestörte Menschen einen ganzheitlichen Blick auf ihre Lebenssituation und ihr gesundheitsrelevantes Verhalten. Natürlich brauchen sie Zuwendung und Gespräch, um sich verstanden zu fühlen und Veränderungsmotivation aufbauen zu können. Aber all das sollte innerhalb des medizinischen Systems geboten werden und nicht außerhalb – in kaum zu kontrollierenden Nischen und in einer oft geradezu anti-wissenschaftlichen Gegenwelt.

Wenn die Diskussion um Heilpraktiker und Homöopathie ernsthaft und kritisch geführt wird (was ich sehr begrüße), dann geht das nicht ohne Konsequenzen für die „normale“ medizinische Versorgung. Man kann nicht nur etwas wegnehmen (wofür es tatsächlich gute Gründe gäbe), ohne den Bedarf zu decken, der sich bisher dorthin entladen hat.

(Ich empfehle zum Thema noch meine Rezension über dieses Buch).

Nordkorea-Konflikt

Nein – wir werden vermutlich nicht in einen atomaren Schlagabtausch geraten. Es wird noch irgendwie gut gehen. Denke ich. Hoffe ich.

Aber:
Ist es nicht wirklich total pervers und völlig abstrus, dass im 21. Jahrhundert – im digitalen Zeitalter – das Risiko eines (zumindest) lokalen Weltenbrandes von den psychischen Abnormitäten einzelner Personen (besser gesagt „Männern“) abhängt?! Als ob zwei Steinzeit-Clans mit Faustkeilen aufeinander losgehen, weil sich die Häuptlinge gegenseitig genervt haben?

Wem soll man das erklären? Welche halbwegs intelligente außermenschliche Rasse würde sich mit einer solchen degenerierten Spezies länger beschäftigen – außer sie vielleicht im interstellaren Grusel-Kabinett auszustellen.

Wirklich unfassbar!
Und unfassbar traurig…

„Unterwerfung“ von Michel HOUELLEBECQ

Dieses Buch wurde als „skandalträchtig“ diskutiert – insbesondere an seinem Entstehungsort, in Frankreich.
Es geht um die schleichende Machtergreifung durch den Islam in einem mitteleuropäischen Staat. Entsprechend wurde dem Autor der Vorwurf gemacht, die irrationalen Ängste der (meist rechtsgerichteten schweigenden Mehrheit) zu rechtfertigen bzw. noch anzuheizen.

Für mich ist es kein Problem, auch politisch „inkorrekte“ Bücher zu lesen, wenn sie anregend geschrieben sind bzw. einen Erkenntnisgewinn bringen.
Der Grundgedanke, dass durch verschiedene Tendenzen und Trends eine Entwicklung eingleitet werden könnte, in der „plötzlich“ als selbstverständlich angesehene demokratische Regeln außer Kraft gesetzt werden können, ist nach der Erfahrungen der letzten Jahre sicher noch nachvollziehbarer geworden.

Was mich an dem Buch sehr gestört hat, war der sehr dominante Bezug auf die private und berufliche Welt des Protagonisten. Mich haben diese Bezüge (auf sein Liebesleben und seine universitäre Karriere als Professor) eher gelangweilt. Das fühlte sich eher an wie für Insider geschrieben; es hat mich nicht berührt. Vielleicht auch, weil mir viele Dinge einfach nicht sympathisch waren.

Insgesamt würde ich daher dieses Buch nicht empfehlen – obwohl das Thema sicher spannend ist.

„Paradox: Am Abgrund der Ewigkeit“ von Philllip P. PETERSON

Ja – es ist Science-Fiction. Aber vielleicht sollte das nicht gleich ein K.-o.-Kriterium sein!
Es geht um die klassische Situation: Mit neuen Technologien beginnt der Aufbruch zu unerforschten Welten. Trotzdem empfehle ich das Buch auch Lesern, die nicht zu den Fans dieses Genres gehören.
Warum?

Weil das Buch wirklich vielschichtig ist.
Natürlich geht es auch um Raumfahrt und ihre Geschichte. Wie zu erwarten werden eine Menge physikalische und technische Details dargestellt und deren Entwicklung in die Zukunft projiziert. Und natürlich stellt sich die Frage nach dem außerirdischen Leben.
Aber es gibt (mindestens) drei weitere Ebenen, die das Lesen zu einem anregenden Gesamt-Erlebnis werden lassen:

1.  Die Protagonisten
Es werden vier Hauptpersonen und einige wichtige Nebenfiguren in ihrem Beziehungsgeflechten dargestellt. Das gelingt dem Autor recht überzeugend (wenn auch nicht völlig klischeefrei).

2.  Die Beziehung zwischen Staat und Privatwirtschaft
Am Beispiel der Raumfahrt wird dargestellt, wohin die Konzentration von Finanzmacht in den Händen von Einzelpersonen führen kann.

3.  Die Außenperspektive auf die Erde
Das bekannte Thema taucht immer wieder auf. Man kann wirklich gut nachvollziehen, welche Gefühle und philosophische Betrachtungen es auslöst, unsere letztlich winzige und extrem verletzliche Heimat-Kugel aus der Distanz zu betrachten. Die Zweifel an der „Intelligenz“ der dominanten Spezies auf diesem Planeten nehmen durch das Lesen dieses Buches sicher nicht ab….

Somit bietet das Buch mehr als einen Grund, als Lesestoff in Betracht gezogen zu werden.

P.S.:  Ich würde mich sehr über Rückmeldungen zu meinen Empfehlungen freuen. Gerne auch dann, wenn nach dem Lesen eine ganz andere Einschätzung entstanden ist.
Schreibt doch einfach einen kurzen Kommentar!

Deutschland – Autoland?

Wir befinden uns am Beginn einer Krise – einer Krise unserer Automobilwirtschaft. Noch machen die Konzerne gute Geschäfte mit tonnenschweren, übermotorisierten Dinosauriern – doch brausen sie alle gemeinsam in einem noch weitgehend ungebremsten Tempo in eine Sackgasse. Wenn wir Glück haben, meistern wir dieses Krise irgendwie. Wenn das gelingen sollte, dann nicht wegen der Fähigkeiten sondern trotz der Unfähigkeit unserer Automobil-Manager.

Warum – so fragt man sich – finden sich in den millionenschweren Chefetagen keine Persönlichkeiten mit visionären, wirklich innovativen Ideen und Zielen? Warum reicht es noch nicht mal für einen realistischen Blick in die nahe Zukunft? Besteht die einzige vorstellbare Management-Strategie in dem Festhalten an dem Vorhandenen? Statt sich dem seit langem vorhersehbaren Trend zuzuwenden (der emissionsfreien Mobilität), wird politische Lobby-Arbeit betrieben und über viele Jahre der Versuch gemacht, sich durch kriminelle Absprachen und technische Manipulationen durchzumogeln. Als ob sich die Notwendigkeiten des Klimaschutzes und die Konkurrenz im  Rest der Welt so lange gedulden würden, bis auch der letzte deutsche Manager bereit und in der Lage ist, die Welt zu verstehen.

So sollen Arbeitsplätze gesichert werden?
Ein Armutszeugnis!

Drei große Zukunfts-Sachbücher im Vergleich

Al GORE: Die Zukunft
HARARI: Homo Deus
LESCH / KAMPHAUSEN: Die Menschheit schafft sich ab

Ja – ich habe sie wirklich alle drei gelesen in den letzten Monaten (alles ziemlicher Wälzer). Mit großem Gewinn. Da nicht jede/r so viel Zeit hat, möchte ich durch den Vergleich der drei Bücher eine Entscheidungshilfe geben.

Zu den Gemeinsamkeiten:
Alle drei Bücher bieten eine fast unerschöpfliche Quelle von Fakten und Zusammenhängen über die Trends und die Risiken an, die das Schicksal der Menschheit in den nächsten Jahrzehnten bestimmen werden. Die Argumente und deren wissenschaftliche Untermauerung sind absolut überzeugend, geradezu zwingend. Natürlich geht es um Klima, Umweltzerstörung, Bevölkerungswachstum, wachsende soziale Ungleichheit, Bedrohung der Demokratie, künstliche Intelligenz, Genmanipulation und die Digitalisierung aller Lebensbereiche. In den Grundaussagen und den Schlussfolgerungen sind sich die Autoren sehr einig – wenn sie auch unterschiedliche Schwerpunkte setzen.

Wo also liegen die Besonderheiten bzw. Unterschiede?

Das Buch von Al GORE ist aus der Perspektive eines amerikanischen Politikers geschrieben, von einem Insider des Systems. Die von ihm analysierten Fehlentwicklungen der US-Demokratie sind beeindruckend klar und unmissverständlich beschrieben – geradezu entlarvend. Diese detaillierte Auseinandersetzung mit dem Versagen eines politischen Systems findet sich in den anderen beiden Büchern nicht.  Dabei bleibt Al GORE ein amerikanischer Patriot und hofft darauf, dass die USA sich von dem Einfluss des Großkapitals, der Lobbyisten und der rechten Medien-Zaren wieder befreien kann und dann (wieder) eine verantwortliche Führungsmacht für die ganze Welt werden kann. (Er konnte sich wohl nicht ernsthaft vorstellen, dass Trump eine US-Wahl gewinnen könnte – sonst hätte wohl sein Optimismus noch mehr Schaden genommen).
Al GORE ist in erster Linie ein Klima- und Umwelt-Aktivist; diese Schwerpunkte sind dem Buch auch anzumerken.
Seine Darstellung ist gut gegliedert; der rote Faden ist immer zu erkennen. Es wird keine Behauptung aufgestellt, die nicht auch faktenreich untermauert wird. Der Stil ist eher unaufgeregt und sachlich.

LESCH ist ein deutscher Wissenschaftler. Sein Buch ist eine sehr gründliche und umfassende Bestandsaufnahme der (aktuell stark bedrohten) Menschheitsentwicklung auf diesem Planeten. In diesem Sinne umfasst er mit seinem Buch sogar noch die erste Publikation von HARARI (Eine kurze Geschichte der Menschheit).
Es werden unglaublich viele  Aspekte nicht nur berührt sondern auch vertieft.
Das Buch von LESCH ist schon fast ein historisches, naturwissenschaftliches und umweltbezogenes Nachschlagewerk (leider ohne ein Stichwortverzeichnis).
Die Darstellungsform unterscheidet sich insbesondere dadurch, dass LESCH immer wieder einzelne Themen in separaten Exkursen vertieft (abgehoben in farbigen Kästchen). Dadurch wird ein noch größerer Tiefgang erreicht; die Darstellung bekommt dadurch einen kaleidoskopischen Charakter und verläuft nicht so stringent in einem Fließtext. Ein weiteres Stilmittel stellen eingebaute Interviews mit anderen Experten dar; ebenso werden Quellen nicht nur erwähnt sondern teilweise sehr ausführlich zitiert.
Diese Buch liest man sicher nicht nur einmal – es verführt dazu, einzelne Aspekte immer mal wieder nachzuschlagen.

Warum ist trotzdem HARARIs Buch mein Favorit?
In gewisser Weise ist dies das subjektivste Buch dieser Auswahl. Hier ist am meisten vom Autor und seinen Gedanken zu spüren. Bei HARARI geht es nicht in erster Linie um eine beeindruckende Faktensammlung sondern im Mittelpunkt steht seine sehr besondere Einordnung und seine Systematik.
Von HARARI wird man am meisten „an die Hand“ genommen. Er erklärt die Welt (und den Menschen) auf dem Hintergrund seiner Denkschablonen.
Vielleicht gibt es Menschen, die das eher befremdlich finden oder sich manipuliert fühlen. Bei ihnen entsteht vielleicht eine Reaktanz.
Mir erging es anders: Ich empfand es anregend und faszinierend, mich auf diese Reise zu begeben. Ich hatte keine Probleme, mich auch auf die subjektiv-wertenden und manchmal sehr selbstüberzeugten Aspekte seiner Darstellung einzulassen. Ich habe es sehr genossen!
Natürlich gab es auch für mich einige Stellen, die mich zur Relativierung oder gar zum Widerspruch reizten – dafür habe ich über weite Strecken das Angebot ausgekostet, bekannte Tatsachen und Trends in ungewohnten und höchst kreativen und anregenden Zusammenhängen serviert zu bekommen.
Insgesamt ist der Homo Deus das philosophischste der drei Bücher; der von HARARI erstellte gedankliche Überbau ist absolut gleichrangig bedeutsam wie die angeführten Fakten.

Warum liest man drei solche Bücher, wenn man inhaltlich sowieso schon überzeugt ist?
Das ist eine gute Frage, über die ich ernsthaft nachdenken werde….

Gemeinwohl-Ökonomie

Bitte was?
Habe ich auch erst gedacht, als ich den Titel der letzten Sendung (07.07.2017) des „Philosophischen Radios“ auf WDR 5 gelesen habe.
(http://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/wdr5-das-philosophische-radio/index.html

Doch siehe da: Das Konzept hat mich sofort angesprochen und ist gerade dabei, in den Mittelpunkt meiner politischen Überzeugungen zu rücken.

Warum?
Die in diesem Denkansatz steckenden Ideen passen geradezu perfekt zu der Ratlosigkeit, die mich angesichts der dramatischen globalen Fehlentwicklungen, des gerade auf dem G20-Gipfel erlebten Irrsinns und der Mut- und Ideenlosigkeit der meisten politischen Parteien befallen hat.
Wo bitte – so habe ich mich gefragt – ist das überzeugende Gegenmodell zu der zukunftslosen kapitalistischen Wachstumsideologie? Woher könnte in dieser verfahrenen Lage, in der man auch auf der linken politischen Seite kaum innovative Konzepte findet, so etwas wie eine „realistische Utopie“ kommen?

  • Eine Antwort gibt die Prinzipien der Gemeinwohl-Ökonomie.

Das Gute dabei ist: Wir brauchen keine Revolution, wir brauchen kein von Grund auf verändertes Gesellschaftssystem. Was wir – nach dieser Idee – brauchen ist „nur“ eine Einigung darauf, dass der Erfolg und die materiellen Ergebnisse eines wirtschaftlichen Handelns zukünftig danach bemessen werden soll, in welchem Umfang damit die als „Gemeinwohl“ definierten Ziele erreicht wurde. Es ginge dann also nicht – wie bisher – darum, wer ein Produkt zu dem günstigsten Preis anbietet; es würde statt dessen berücksichtigt, unter welchen (sozialen und ökologischen) Bedingungen dieses Produkt erzeugt wurde, wie viele Ressourcen dabei verbraucht wurden und welche Gemeinwohl-Bedürfnisse damit befriedigt würden. Die Einmischung in den „freien“ Markt würde nicht über Verbote und Kontrolle erfolgen, sondern durch wirtschaftliche Anreize bzw. Auflagen.
Ein kleines Beispiel: Es gibt bereits woanders erste Regelungen, die solche Unternehmen mit einer zusätzlichen Steuer belegen, in denen das Verhältnis zwischen dem niedrigsten und höchsten Einkommen besonders extrem hoch ist.

Okay! Es gibt tausend Fragen und Einwände – ich weiß!
Es geht um das Überwinden von Denkblockaden. Es geht darum, sich nicht weiter vermeintlichen Naturgesetzen der momentanen wirtschaftlichen Weltordnung auszuliefern – weil diese einfach unverantwortliche und z.T. perverse Ergebnisse liefert.
Was wäre wirklich verkehrt daran, wenn eine Gesellschaft die Anreize so definieren würde, dass diese mit den eigenen ethischen Zielen und den ökologischen Notwendigkeiten übereinstimmen?
Das alles wird nicht kurzfristig umsetzbar sein. Es geht um den Denkanstoß!
Ich hoffe und denke, dass wir von diesem Ansatz in den nächsten Jahren noch hören werden.

https://de.wikipedia.org/wiki/Gemeinwohl-%C3%96konomie
http://www.christian-felber.at/schaetze/gemeinwohl.pdf