“Blue Skies” von T. C. BOYLE

Bewertung: 4 von 5.

Wenn die Verrücktheiten der amerikanischen Lebensweise auf die volle Dröhnung des Klimawandels treffen – dann könnte sowas entstehen, wie es BOYLE in seinem neuen Roman genüsslich ausmalt.

Der Autor tut erstmal alles dafür, dass sein Buch nicht gleich als Klimaroman zu erkennen ist. Er erzählt von den hippen Tendenzen, sich mit Hilfe von Insektenzucht möglichst fleischarm zu ernähren und von Schlangen, die als Haustiere und als eine Art Identitäts- und Image-Booster gehalten werden. In diesem etwas schrägen Kontext lernen wir die Protagonistin Cat, und dann nach und nach ihren Partner und ihre Familie kennen, wobei ihre Mutter (Ottilie) und ihr jüngerer Bruder (Cooper) besondere Bedeutung erlangen.
Rein strukturell geht im Weiteren in dieser Familie um Hochzeit, Schwangerschaft und Mutterschaft, Beziehungskrisen, hochdramatische persönliche Schicksalsschläge, familiäre Unterstützung und Bewältigungsversuche.

In zunehmendem Umfang wird diese Handlungsebene (die sich weiter mit dem Thema Schlangen herumplagt) von den Auswirkungen des Klimawandels unterwandert bzw. eingenommen. In den beiden Schauplätzen (Florida und Kalifornien) geht es um Dürre und Brände bzw. um Regen und Fluten; aber auch die Auswirkungen der Erwärmung auf das Wandern und Aussterben von Tier- und Pflanzenarten.
Irgendwann übernehmen dann das Klima endgültig die Regie über das familiäre Geschehen.

BOYLE seziert mit einer schonungslosen Akribie die Widersprüche und Absurditäten, mit denen das “American Way of Life” auf die dramatischen Umwälzungen reagiert: So bleibt z.B. das morgendliche Bad im Pool und der Besuch hochpreisiger Restaurants eine ganze Weile unberührt von den Um- und Zusammenbrüchen in den Umweltbedingungen ringsum.
Und auf ein Schmiermittel ist immer und überall Verlass: Alkohol! Der Autor zelebriert geradezu die unfassbare Selbstverständlichkeit, mit der letztlich alle Protagonisten sich des Alkohols bedienen – als eine Art permanente Krücke, die das Leben unter unsäglichen Bedingungen noch halbwegs ermöglicht.

BOYLE trägt gerne dick auf; er ist kein Freund der leisen Töne. Seine Figuren wirken fast alle etwas überzeichnet – aber das ist kein Versehen, sondern sein Stil. Das muss an mögen – sonst kann schnell nervig werden.
Wer einen reinrassigen, ausgewiesenen Klima-Roman erwartet, wird möglicherweise etwas enttäuscht sein: Der Autor ist schon sehr in seine Rahmenhandlung (die mit den Schlangen) verliebt. Sein Zielpublikum besteht nicht aus Weltverbesserern, denen die jeweilige Handlung mehr oder weniger egal ist, wenn nur die Botschaft stimmt. Er will mit seinen Figuren und dem Plot in einer Art und Weise überzeugen, die auch ohne das Klima-Thema funktionieren würde. Und genau auf dieser Basis wird es dann so unausweichlich – weil es eben rein objektiv unvermeidlich ist.

Die Klimakatastrophe macht einfach alles andere platt. Vermutlich werden wir es erst glauben, wenn sie uns mit vergleichbarer Wucht trifft. An BOYLE wird das nicht liegen; er hat uns gewarnt.
(Ob man dazu so viel über Schlangen schreiben muss, ist Geschmackssache…).

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