“Hoch die Hände – Klimawende” von Gabriel BAUNACH

Bewertung: 4 von 5.

Der Energieexperte BAUNACH stellt in seinem Klimawende-Ratgeber dem etablierten Konzept “CO2-Fußabdruck” den Begriff “Handabdruck” gegenüber. Dahinter steckt die Idee, dass die persönliche Veränderung des Klima-Lebenswandels zwar sinnvoll und lobenswert sei, dass aber die Veränderung von sozialen, gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen und Strukturen einen vielfach höheren Effekt haben könnten.
Deshalb konzentriert sich dieses Buch auf die Multiplikatoren-Rolle und motiviert eindringlich dazu, dass möglichst jeder klimabewusste Mensch seine Zeit und Energie (auch) in die Vergrößerung seines Handabdruckes investieren sollte.

Der Autor erzählt zunächst die Geschichte des “Fußabdruckes”. Er macht darauf aufmerksam, dass – bei aller Bedeutung dieses Konzepts – ihm von Beginn an eine gewisse Zweischneidigkeit innewohnte: Der Fußabdruck machte es möglich, klimaschädliches Handeln fassbar und messbar zu machen – lenkte aber gleichzeitig den Blick einseitig auf die individuelle Verantwortung und die ganz persönliche Lebensführung.
BAUNACH arbeitet heraus, dass genau diese Perspektive auch im Interesse der großen Fossil-Unternehmen lag: Der erste Fußabdruck-Rechner befand sich auf der Website eines Öl-Konzerns.

An konkreten Beispielen macht der Autor deutlich, wie viel (wie wenig) man letztlich durch individuelles Umsteuern bei Energieverbrauch, Konsum, Mobilität, Ernährung, Heizen und Reisen erreichen kann. Er hält alle diese Bemühungen nicht für überflüssig, macht aber auf die Gefahren aufmerksam, die in den – oft nur symbolischen – Beiträgen liegt: Man kann sich verzetteln, überfordern, sich durch kleine Gesten “freisprechen”, das Große und Ganze aus dem Auge verlieren. Auch bestehe die Gefahr, seiner sozialen Umwelt mit einer Art moralischer Arroganz bzgl. kleiner “Verfehlungen” auf die Nerven zu gehen.
Durchaus informativ sind die Vergleiche der Wirksamkeit individueller Anstrengungen: So werde z.B. die Bedeutung der Ernährung (fleischarm) und der Wohnungsgröße oft unterschätzt, während andere Faktoren überschätzt werden (Konsum von Plastik, Stromverbrauch von Kleingeräten).

Im Zentrum des Buches stehen dann die Vorschläge und Anleitungen zur Vergrößerung des eigenen Handabdrucks. Es geht darum, andere Menschen zu erreichen und zu motivieren (im Gespräch), im privaten und beruflichen Umfeld Einfluss auf Bedingungen bzw. Regelungen zu nehmen (Speiseplan in der Kantine, Solaranlage auf das Fabrikdach oder die Schule), als Konsument bzw. Kunde eigene Wünsche zu formulieren (mehr Bio-Produkte, mehr vegetarische Gerichte), in sozialen und gesellschaftlichen Kontexten Klima-Initiativen zu gründen oder zu unterstützen und im politischen Bereich durch Wahlen, Pateimitgliedschaft, Petitionen oder Kontakten zu Politikern etwas Grundsätzliches zu bewegen. Der Autor wird nicht müde, für jede individuelle Ausgangsbedingung Möglichkeiten zum Engagement auszuloten.
Letztlich sollen alle diese Bemühungen dazu dienen, dass die Rahmenbedingungen unserer Alltagwelt es bequem und lukrativ machen, sich klimafreundlich zu verhalten. Da, wo es notwendig sind, sollte natürlich auch Raum für Vorgaben und Regeln geschaffen werden.
Als entscheidenden Unterschied zwischen Fuß- und Handabdruck markiert BAUNACH die soziale Ebene: Im Gegensatz zum Fußabdruck setzt das Bestreben um einen größeren Handabdruck in der Regel eine Zusammenarbeit mit anderen voraus – in informellen oder formellen Gruppen (Familie, Nachbarschaft, Arbeitskollegen, Verein, Kirchengemeinde).
Der Autor zeigt dabei durchaus auch Sympathien für die heftigeren Formen des Protestes.

Zu den Highlights des Buches gehört die lebensnahe Typologie von Haltungen gegenüber der Bedrohung durch den Klimawandel: Hier kann sich jede/r wiederfinden – mit den eigenen Hoffnungen, Frustrationen, Widersprüchen und Resignationen.
Überhaupt ist das Buch durchweg leserfreundlich geschrieben und beinhaltet keinerlei Verständnis-Schwellen.
Positiv ist auch, dass die Hinweise und Vorschläge durchweg sehr konkret sind; an Beispielen und guten Modellen mangelt es in diesem Text nicht.

Man merkt dem Autor an, wie sehr in seine Mission umtreibt. Das könnte für manche/n Leser/in auch gelegentlich des Guten zu viel sein. Generell neigt BAUNACH ein wenig zur Redundanz: Er möchte offenbar ganz sicher gehen, dass seine Grundgedanken verstanden werden. Eine gewisse Ungeduld kann da schon entstehen…
Bei allem Verständnis für die so eingängige Unterscheidung zwischen Fuß- und Handabdruck: So ganz kann auch der Autor diese Dichotomie nicht durchhalten. Nachdem er anfangs den “Fußabdruck” eher kritisch (als eine Art Ablenkung) beschrieben hat, kommt er im weiteren Verlauf doch immer wieder auf ihn zurück. Es geht also nicht um ein Entweder-Oder, sondern um beide Aspekte.

Wem das individuelle Klein-Klein um den CO2-armen Alltag nicht ausreicht bzw. wem die Verzögerungen und Rückschritte im Kampf gegen die Klimakatastrophe keine Ruhe lässt, der findet in diesem sympathischen und alltagsnahen Buch viele Anregungen.
Wer sich allerdings schon selbst auf dem Weg zum Klima-Aktivismus befindet, braucht dieses Buch eher nicht (mehr); es holt eher den interessierten “Normalbürger” ab.

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