“Ist das euer Ernst?” von Peter HAHNE

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Ist das sein Ernst?
Denkt HAHNE wirklich, dass er mit diesem Text einen sinnvollen Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs leisten könnte?

Eine erste Frage muss man sich wohl als Rezensent vorab selber stellen: Verdient ein Autor, der sich in seiner Publikation mehrfach als Corona- und Klimawandelleugner outet (z.B.: “Da wird dann eine Grippe schon mal zur Pandemie und der jahrtausendalte Klimawandel zur aktuellen Katastrophe”) überhaupt die Mühe, die mit einer halbwegs differenzierten Bewertung seines Produktes verbunden ist?
Nun: Das Büchlein führt die aktuelle SPIEGEL-Bestseller-Liste an. Ignorieren hilft also nicht!

HAHNE widmet sich den großen Aufreger-Themen: Zuwanderung, Corona, Wokeness/Gendern, vermeintliche Fremdbestimmung im Rahmen der “verordneten” ökologischen Transformation, wirtschaftliche Probleme. Aus seiner Sicht weisen alle diese Punkte in die gleiche Richtung: auf eine politische und mediale Klasse, die idiotisch, ideologiegetrieben und unfähig ist und unser Land in Riesenschritten ins Verderben führt.

Wie geht der schreibende Wutbürger vor? Er legt eine Sammlung zahlreicher Skandälchen und Social-Media-Stürme vor, die in den letzten Jahren durch die Gazetten und Talkshows getrieben wurden. Peinliche Versprecher, gecancelte Veranstaltungen, Bespiele für Gender-Verirrungen und Fehlwirtschaft. Natürlich geht es um Zigeuner und Indianer, um Pipi Langstrumpf und die Versprecher von Baerbock,
Und dabei gibt es kein Zweifel: Ja, es gibt sie: Die Patzer, Absurditäten, Übertreibungen und Verirrungen in der sog. “Mainstream-Politik”. Es gibt das Kleinreden und Verschweigen von Fehlentwicklungen aus taktischen Erwägungen. Es gibt die voreilige und undifferenzierte Ausgrenzung von anderen Meinungen. Es gibt die Versuche, missliebige Meinungen und Personen zu canceln. Es gibt ein reflexhaftes und undifferenziertes “Gutmenschentum”, dem manchmal ein Realitätsbezug abhanden kommt. Es gibt im Bereich Feminismus, Antirassismus und Transgender Gruppen von Aktivisten, die jedes Maß verloren haben.
Die Frage ist allerdings: Welche Schlüsse lassen sich daraus ziehen und wie kann man es besser machen?

Ein HAHNEL unterscheidet nicht zwischen sinnvollen/notwendigen Zielen und Mängeln in der Umsetzung; er sieht nicht das zugrundeliegende Engagement für eine gute und alternativlose Sache (ökologische Wende), er unterstellt nicht mal eine Spur von Orientierung an Gemeinwohl und Zukunftssicherung. Das alles wäre viel zu differenziert.
Für HAHNEL sind einzig Idiotie und Ideologie die Quelle für alle Zumutungen – weil es ja für ihn die großen (unbequemen) Herausforderungen schlichtweg nicht gibt (und – siehe Coraona – nicht gab).

Interessant ist, was HAHNE auslässt: Zwar kann er Corona und den Klimawandel klein reden, doch den Ukraine-Krieg umschifft er – so, als ob er für die aktuelle wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation unseres Landes und für die Sachzwänge der Politik keine Bedeutung hätte. So viel Ignoranz ist bemerkenswert!
Es geht ihm offenbar nicht um die Zukunftsfragen, nicht um die fortschreitende wirtschaftliche Spaltung unserer Gesellschaft, um die Beteiligung der Superreichen an der Finanzierung unseres Gemeinwesens, um die Vorbereitung auf die Verwerfungen des Arbeitsmarktes im Rahmen von Digitalisierung, Automation und KI.
Natürlich sind die Wut-Bauern seine aktuellen Helden, haben sie doch einen Kristallisationspunkt für all das diffuse Unbehagen geschaffen, das aktuelle Krisen und bevorstehende Veränderungen offenbar auslösen.

HAHNE hat einen erschreckend uninspirierenden Text geschrieben; den Mangel an Ideen und Argumenten versucht der Autor durch die schiere Sprachgewalt seiner Tiraden auszugleichen: Da ist permanent von Idiotie, geistigem Gift, Diktat, Klima-Religion, Ernährungswahn, Sprachzerstörung, moralischem Größenwahn, Öko-Sozialismus, Günstlingswirtschaft, Gehirnwäsche, galoppierendem Wahnsinn, Olympiade des Schwachsinns, Denunziantentum, totalitärem Erziehungsprogramm, versifftem Lebensstil u.ä. die Rede.
Natürlich ist auch die Löwen-Hysterie, die sich als eine banale Wild-Sauerei entpuppte, ein Beleg für das totale Politik- Staats- und Medienversagen…
Ist das der neue Sachbuch-Bestseller-Stil, mit dessen Hilfe Deutschland wieder in gesunde Bahnen kommt?

Was will HAHNE? Freiheit, Privatheit, Wohlstand – ohne lästige Konfrontation mit den Erfordernissen der multiplen Krisen . Er möchte nicht behelligt werden von den großen, globalen Herausforderungen. Er will, dass alles so bleibt wie es vorher (vor Markel und der Ampel, zumindest von 2015). Hier schreibt einer, der es offenbar mit aller Macht darauf anlegt, passgenau das Klischee vom “alten weißen Mann” zu erfüllen, gegen das halbwegs differenzierte Menschen mit viel Mühe ankämpfen.
Seine erträumte Gegenwelt findet HAHNE in der Nostalgie-Sendung “Bares für Rares”: Hier findet der Vergangenheitsfreund eine von modernen Zumutungen freie Welt mit “Herz, Hirn und Humor”. Das passt.

Dieses Buch tut nichts anderes, als sich mit Hilfe schon vielfach durchgenudelter “Skandälchen” von Wokeness und Genderwahn auf der großen Frust- und Wutwelle zu reiten. Der Beitrag von HAHNE liegt weder in einer erhellenden Analyse noch in kreativen oder zukunftsweisenden Lösungsvorschlägen – sein Beiträge sind eine erschreckend vereinfachte Zuspitzung und ein sprachlicher Extremismus, der einem schier die Sprache verschlägt. Ich kenne keine Veröffentlichung des hier so ungebremst aggressiv angegangenen politischen Lagers, die mit einer solchen Kanonade von Beschimpfungen und Beleidigungen auf die andere Seite losgeht.
Dass sich ein solcher wutschnaubender Hetzer am Ende auf Gott und das Christentum bezieht, bringt das Fass endgültig zum Überlaufen. Hier will einer ganz offensichtlich Gräben aufreißen, nicht Brücken der Verständigung bauen. Sich dafür religiösen Beistand zu vereinnahmen, ist an Dreistigkeit kaum zu übertreffen!

Was ist mit unserem Land los, dass man mit einem so niveaulosen Pamphlet ohne jeden Neuigkeitswert die Bestseller-Liste erklimmen kann?
Ist das unser Ernst?

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Eine Antwort auf „“Ist das euer Ernst?” von Peter HAHNE“

  1. Das ist ja mal eine zornige Rezension. Vor allem dafür meinen Respekt, das dümmlich dreiste Pamphlet gelesen und sich damit angetan zu haben. Ich drucke mir die Rezension aud und lege sie zum Hahne-Buch in die Auslage meines Buchhändlers Na ja, ich gebe es ihm in die Hand.

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