“Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten” von Becky CHAMBERS

Wie komme ich auf so ein Buch?
Nun, auf meinem Buchportal mojoreads schaue ich immer wieder mal Empfehlungen anderer Mitglieder an; das führt dann zu ganz überraschenden Entscheidungen.

An Science-Fiktion interessieren mich keine actiongeladenen Kampfszenarien mit irgendwelchen abstrusen Super-Waffensystemen. Ich will auch keine abgedroschenen Versatzstücke aus allen möglichen Fantasy-Mythen, die einfach nur in ein Zukunfts-Setting verlagert werden. Ich brauche mich nicht ins Jahr 2380 versetzen lassen, um da mit irgendwelchen Prinzessinnen oder edlen Rittern gequält zu werden.

Was ich suche? Zwei Sachen:
Ich will entweder technische Entwicklungen, die jetzt schon erkennbar sind, konsequent – und gerne auch mit viel Fantasie – weiter gedacht bekommen. Nach dem Motto: “Wo könnte die Reise hingehen?”
Oder ich will spannende Entwürfe von zukünftigen gesellschaftlichen Formen des Zusammenlebens.

Becky Chambers liefert ganz sicher keine SF-Standard-Kost. Das ist schon mal gut!
Bei ihr liegt das Schwergewicht ganz eindeutig auf der sozialen, nicht auf der technischen Seite der Zukunftsbetrachtung. Und da hat sie doch einiges zu bieten.

Das Buch nimmt uns mit an Bord eines speziellen Raumschiffs, das dafür ausgestattet ist, Verbindungen zwischen Universen herzustellen. Dafür “bohrt” es Löcher in das Raum-Zeit-Kontinuum und überwindet so Entfernungen, die sonst völlig außerhalb jeder Vorstellung wären.
Um ganz ehrlich zu sein: Aus meiner Sicht lohnt es sich nicht besonders, sich mit den astro-physikalischen oder technischen Grundlagen der Geschichte zu befassen. Dafür sind die beschriebenen Prozesse wirklich zu abgedreht.

Kommen wir zum Kern: Es geht um die Besatzung des Raumschiffes. Sie “multi-kulturell” zu nennen, wäre eine deutliche Untertreibung. Es sind völlig unterschiedliche Spezies, die hier in einer engen Team-Situation zusammenarbeiten. Und damit sind nicht etwa leichte Abwandlungen menschlicher Rassen gemeint, sondern wirklich Aliens.
Und nicht zu vergessen: Auch eine Künstliche Intelligenz (KI) ist mit im Spiel – natürlich eine mit Empfindungsfähigkeit und Ich-Bewusstsein.

Die schriftstellerische Leistung von Chambers besteht eindeutig darin, das Zusammenleben und -arbeiten dieser “Geschöpfe” sehr alltagsnah und konkret auszugestalten.
Dabei menschelt es ziemlich stark. Das hat damit zu tun, dass Menschen die kleine Mannschaft zahlenmäßig dominieren. Zunächst entstand bei mir daher auch der Eindruck, dass alles zu sehr vermenschlicht wird; aber das hat sich im weiteren Verlauf der Story relativiert.

Es ist wirklich amüsant, wenn die Unterschiedlichkeit sozialer Regeln und Gewohnheiten der beteiligten Spezies so anschaulich beschrieben werden.
Als Botschaft kann man heraushören: Wenn es offenbar sogar möglich ist, solche grundsätzlichen Verschiedenheiten mit Toleranz zu überbrücken, wie kann es dann die Menschheit ernsthaft daran scheitern, die – im Vergleich – winzigen kulturellen Herausforderungen zu meistern?!

Alles, was mit Technik zu tun hat, wird in dem Roman eher skurril als zukunftsweisend dargestellt. Es wird geschraubt und mit Ersatzteilen vom Schrottplatz gebastelt, als ob man eine Dampfmaschine zu warten hätte und keinen hypermodernen Universen-Verbinder. Man weiß nicht genau, ob man das nun witzig oder hilflos finden soll.
Ich halte der Autorin mal zugute, dass Sie mit diesem Kontrast bewusst spielt. Insgesamt gibt es in ihrem Schreibstil viel “Augenzwinkern”: Man muss das alles nicht so ernst nehmen!
Sonst wäre es auch kaum aushalten, wenn mitten im unendlichen Raum mal eben eine Post-Drohne vorbeikommt oder man alte Bekannte wiedertrifft.

Fazit: Nette Unterhaltung, die den Gedanken einer Kooperation zwischen verschiedenen Spezies mal im lockeren Stil weiterdenkt.

Übrigens ist mir nicht bekannt, ob ich umgekehrt mit meinen Rezensionen bei anderen auch “untypische” Leseabenteuer auslöse.

11.05.2020

Die Menschen werden scheinbar zunehmend nervös.
Das macht mich auch zunehmend nervös.
Morgen muss ich unbedingt etwas dazu schreiben…

Ekel-Industrie

Die industrielle Fleischproduktion ist kein besonders angenehmer oder sympathischer Wirtschaftszweig. Sie ist das krasse Gegenteil.

Wir kennen aus den letzten Jahrzehnten zahlreiche Skandale rund um Tierzucht und Fleischverarbeitung. Jeder, der mal entsprechende Dokumentationen gesehen hat, kommt schnell auf die Idee, dass das ganze System ein Skandal ist.

Im Moment deckt Corona gerade mal auf, wie himmelschreiend miserabel die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Menschen sind, die für uns in den Schlachthöfen die Sorte von Arbeit macht, die wir am liebsten gar nicht kennen würden (geschweige denn selbst tun).

Wie lange nehmen wir das alles in kauf, damit man die XXL-Grillschale im Supermarkt für 7,99 € kaufen kann?

Ich will Fleischkonsum nicht verbieten. Aber es muss schluss sein mit der Ekel-Industrie! Fleisch muss mindestens zwei- oder dreimal so teuer sein, damit es angemessen (artgerecht) “produziert” und verarbeitet werden kann.

Dann kann man auch richtige Löhne zahlen und menschenwürdige Unterkünfte anbieten.

So einfach ist das!

08.05.2020

Es lohnte sich heute wieder einmal, das heute-journal anzusehen.

Der 75. Jahrestag des Endes des 2. Weltkrieges wurde in angemessener Form gewürdigt.

Ich schätze unsere öffentlich-rechtlichen Medien. Ich würde sie gerne auch den Amerikanern anbieten.

Um ehrlich zu sein: Am liebsten würde ich sie ihnen verordnen!

Kollateralschäden

Ich lungere noch gemütlich im Bett herum und studiere meine “Morgen-Zeitung”, also ZEIT- und SPIEGEL-online. Dabei stoße ich auf einen Artikel, der ein wenig die Perspektive erweitert und gleichzeitig die Auseinandersetzung um Lockerungsstufen relativiert.

Es geht vor allem um die indirekten Folgeerscheinungen der Corona-Pandemie auf die Prävention und Behandlung von bekannten “Killer-Krankheiten” (Malaria, Tuberkulose, Masern) in anderen Teilen der Welt. Das liest sich absolut dramatisch und bedrohlich.

Was fängt man an mit der Hilflosigkeit, die solche Informationen auslösen? Macht es überhaupt Sinn, sich dieser zusätzlichen emotionalen Beunruhigung auszusetzen – wo wir uns doch selbst noch in einer ganz nahen Ausnahmesituation befinden? Wie viel Kapazität haben wir zum Verarbeiten, Mitfühlen oder Verdrängen?

Ich habe keine echte Antwort. Ich weiß nur, dass zwei Extreme ausscheiden sollten: Weder können wir mit ungebremster Empathie auf jede Notlage irgendwo auf der Welt reagieren, noch dürfen wir uns in völliger Ignoranz von allem abwenden, was uns nicht unmittelbar betrifft.

Meine Minimallösung ist oft folgende: Ich mache mir bewusst, wie unfassbar gut es uns hier in diesem Lande geht. Und ich versuche hin und wieder in privaten Gesprächen andere davon zu überzeugen, dass es eine globale Verantwortung für die Lebensverhältnisse auf unserem Planeten gibt.

Das ist erschreckend wenig. Ich habe riesigen Respekt vor den vielen Menschen, die mehr tun.

Und – obwohl ein unangenehmes Gefühl zurückbleibt – werde ich weiter die Katastrophen-Meldungen aus aller Welt lesen…

Nachtrag:

Ich habe es vor wenigen Minuten live im TV gesehen:

Unser Wirtschaftsminister hat die Frage verneint, ob eventuelle Kaufprämien für Autos an deren Umweltfreundlichkeit gekoppelt werden sollten. Er sieht die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Industrie als vorrangiges Gut.

Ich wiederhole mich: Da ist etwas nicht verstanden worden.

Auf den wichtigen Diskussions-Beitrag, dass man darauf achten müsse, mit all dem Geld nicht alte Strukturen zu “retten” reagiert Maischberger mit dem Wechsel zum Thema “Fußball”.

Danke, das reicht!

Corona und die Autos

Ich bin ein prototypischer Vertreter der Auto-Generation. Seit meinem 18. Geburtstag besaß ich jeden einzelnen Tag meines Lebens einen eigenen PKW. Bis heute – und vermutlich noch eine Weile (je nach meiner Lebensdauer und Gesundheit).

Aber in diesen (fast 50) Jahren hat sich die Welt verändert. Das Auto ist von einem Wohlstands-, Status- und Kultsymbol zu einem – für viele noch – notwendigen Übel geworden. PS-Protze und SUVs werden von aufgeklärten, umwelt- und klimabewussten Menschen inzwischen als Dinosaurier betrachtet – kurz vor dem Aussterben.

Dann kommt Corona und der Auto-Absatz geht in die Knie. Wie ein Großteil der Wirtschaft. Und was schlagen die Konzernherren vor: Kaufanreize durch Prämien vom Staat, also vom Steuerzahler. Damit alles so bleiben kann, wie es war. Schnell noch ein paar Hunderttausend fahrtüchtige Autos entsorgen, damit noch auf den letzten Drücker die alte Technologie verkauft werden kann. Deutschland einig Autoland!

Nein, ich will nicht, dass VW, Daimler, BMW und Konsorten Pleite gehen. Ich halte es für legitim, dass innovative, zukunftssichere Verkehrssysteme auch staatlich gefördert werden. Davon sollen gerne auch die Auto-Konzerne und vor allem ihre Beschäftigten profitieren. Aber zielgerichtet!

Haben wir es nicht beim Bergbau alle erlebt: Jahrzehntelange Subventionen haben einen als systemrelevant und identitätsstiftend erklärten Wirtschaftszweig künstlich am Leben erhalten und dadurch die sowieso unvermeidbare Umstellung nur unnötig hinausgeschoben und verteuert. Alternative Energiekonzepte gab es schon in den 70iger und 80iger Jahren. Aber es ging ja um die Kumpels!

Wir müssen aufpassen, dass die Auto-Beschäftigten nicht die Kumpels von morgen werden. Wenn wir mit Hilfe von staatlichen Subventionen so tun, als ob die alte Auto-Welt mit ihrer alten Auto-Logik weiter funktionieren könnte – dann verschieben wir die notwendigen Anpassungen und Umsteuerungen. Mal wieder, weil wir nur an die Arbeitsplätze von heute, nicht aber an die von morgen denken.

Wir werden in 20 Jahren keine Auto-Städte mehr haben wollen und können. Wir brauchen eine nachhaltige Mobilität. Schrittweise, natürlich. Aber schrittweise darf nicht heißen, dass man undifferenziert in das bisherige System hineininvestiert.
Jeder Anreiz muss ein Nachhaltigkeits-Anreiz sein – alles andere wäre nicht zu verantworten.

Was wir brauchen sind kleinere, leichtere, sauberere Fahrzeuge. Was wir brauchen sind moderne öffentliche Transportsyssteme – gerne auch gebaut von Daimler und Co.
Es kann doch nicht sein, dass im Jahr 2020 Prämien dafür gezahlt werden, dass sich – sowieso recht wohlhabende – Menschen Autos mit 200 PS oder mehr kaufen.

Hat da jemand was nicht verstanden?

Ein grüner Sarrazin?

Jetzt ist der – schon mehrfach als leicht provokativ aufgefallene – Tübinger OB, Boris Palmer, endgültig zum Problem-Grünen geworden.
Er hat an einem Tabu gerüttelt, an dem sonst eher von ganz anderer Seite gekratzt wird. Er wollte wohl mit seinem ungeschickten – aber sachlich nicht falschen – Satz (“Wir retten möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären”) darauf aufmerksam machen, dass die Rettung von individuellen Menschenleben nicht in allen Fällen um jeden Preis alleine Richtschnur für das Handeln ganzer Gesellschaften sein kann. So wie es unser Bundestagspräsident Schäuble etwas staatstragender auch angedeutet hatte.

Darf so etwas ein GRÜNER sagen? Muss er deswegen ausgegrenzt werden?

Ich habe vor einiger Zeit hier auf diesem Blog schon mal in diese Richtung gedacht. Im Zusammenhang mit der Frage, ob denn wirklich jeder sehr alte und/oder sehr kranke Mensch sich so einer extrem belastenden und risikoreichen Behandlungsprozedur aussetzen will (vielleicht tatsächlich mit dem maximalen Gewinn von ein paar Lebensmonaten). Insbesondere, wenn die Behandlungsplätze tatsächlich mal knapp werden sollten.

Darf man darauf aufmerksam machen, dass unsere Gesellschaft auch an anderen Punkten ja nicht ALLES tut, um jedes nur mögliche Leben zu retten. Wir stationieren nicht alle 300 Meter einen Notarztwagen, um auf Herzinfarkte oder Schlaganfälle innerhalb von zwei Minuten optimal reagieren zu können. Wir haben uns gerade dagegen entschieden, das Organspenden zum Regelfall zu erklären (obwohl das ganz sicher konkrete Leben gerettet hätte und dazu noch weitgehend kostenfrei). Und natürlich tun wir auch nicht ALLES Denkbare, um Corona-Infektionen zu vermeiden – obwohl das Menschenleben kostet.

Warum darf ein GRÜNER dazu keine Fragen stellen oder Diskussionen anstoßen?
Geht es darum, dass tatsächlich unhaltbare (menschen-verachtende) Dinge gesagt werden oder geht es darum, für mögliche Angriffe durch Medien oder den politischen Gegner keine Angriffsfläche zu bieten?

Ich habe mich mit Boris Palmer nicht intensiv beschäftigt. Vielleicht gibt es ja andere gute Gründe, ihn zu kritisieren. Aber im Moment erscheint mir seine kategorische Verurteilung ein wenig übertrieben.

Worauf soll man hoffen?

Es mehren sich die Betrachtungen, die über den Tellerrand der nächsten Wochen oder Monate hinausgehen: Was wird sich vielleicht langfristig ändern durch die Corona-Krise? Schlaue Menschen stellen Prognosen an über alle möglichen Aspekte des Daseins, z.B. hinsichtlich einer möglichen Neubesinnung auf Solidarität und Empathie.
Mir geht es gerade mal um die Wirtschaft und uns Konsumenten.
Meine dazu kreisenden Gedanken sind durch einen aktuellen Essay auf ZEIT-online konkretisiert worden.

Es gibt ernst zunehmende Vermutungen, dass sich aus der erzwungenen Konsumpause der letzten Wochen eine längerfristige Veränderung des Kaufverhaltens entwickeln könnte. Das unfreiwillige Innehalten könnte einen Automatismus unterbrochen haben, der für einen großen Teil der Bevölkerung bisher handlungsbestimmend war: Kaufen und Konsumieren war das “natürliche” Ziel des Lebens, die Belohnung für den Arbeitseinsatz, die Erfüllung der Bedürfnisse, die Teilhabe an den gesellschaftlichen Glücksversprechen und – nicht zuletzt – die Aufwertung der eigenen Identität, stellvertretend durch die erworbenen Produkte oder gekauften Events.

Wenn es plötzlich ohne all das geht – weil es gehen muss – könnte etwas entstehen, dass über Irritation und Entzugssymptome hinausgeht: eine Nachdenklichkeit, ein Zweifel, eine Umbewertung von Prioritäten.
Sicher nicht bei allen! Viele stehen schon in den Startlöchern, um den verschobenen Konsum möglichst rasch nachzuholen. Für Schnäppchenjäger stehen rosige Zeiten bevor! Kaufanreize und Steuervorteile werden locken!
Aber es würde ja reichen, wenn nur eine relevante Minderheit ins Stocken käme. Weil bestimmte materielle Dinge auf einmal nicht mehr so unwiderstehlich bedeutsam erscheinen. Weil man auf einmal etwas anderes in sich spüren konnte – andere Sehnsüchte, andere Empfindungen, andere Gedanken. Einfach, weil mal Platz dafür war. Weil ein bestimmtes Gespräch geführt wurde. Weil man mal in die überquellenden Schränke geschaut hat, wo all das Zeug lagert, was mal so unverzichtbar erschien.

Soll man das hoffen? Darf man sich sogar wünschen, dass sich ein gewisser Teil des Konsum-Hamsterrades in Zukunft verlangsamt oder sogar stehenbleibt. Ist das nicht genau das, was uns die Experten als Grundlage für den Übergang in eine nachhaltige Welt ans Herz und an den Verstand gelegt haben?
Stehen wir vor einer großen Chance? Ist gerade – aus Versehen – der erste Schritt erfolgt?

Und dann wird es plötzlich schwierig und widersprüchlich:
Beruht nicht all das, was wir im Moment – so überaus beeindruckend für die ganze Welt – zur Krisenbewältigung auffahren können, genau auf diesem “alten” Wirtschaftsmodell? Sind nicht alle Hilfspakete und Entschuldungsprognosen daraufhin ausgerichtet, dass der “Rubel” sobald wie möglich wieder rollt, und zwar ungebremst und ungehemmt? Muss dieser – im Moment so omnipotent wirkende – Sozialstaat nicht ganz dringend und durch uns alle wieder aufgepäppelt werden? Auch um für eine nächste Bedrohung gewappnet zu sein?
Müssen wir uns nicht deshalb – zwangsläufg und alternativlos – wünschen, dass ganz schnell auch wieder ganz viel überflüssiges und Ressourcen vernichtendes buntes Glitzerzeug gekauft wird? Sollte da nicht jede/r mitmachen? Brauchen wir Patenschaften für die Urlaubs-Flieger, die jetzt traurig auf den Flugplätzen stehen? Sollten wir nicht jeden Tag mindestens eine Stunde mit unseren Autos im Kreis herumfahren, damit die Öltanks nicht überlaufen und die Energiewirtschaft nicht kollabiert? Damit die Staaten, die von den Ölverkäufen abhängig sind, weiter unsere Produkte kaufen und bezahlen können?
Wenn der Export wegbricht – müssen wir dann nicht erst recht kaufen wie die Weltmeister?

Für mich wäre das eine extrem frustrierende und trostlose Aussicht.
Und doch sind die Zwänge und Abhängigkeiten extrem hoch. Das ist kein System, aus dem man mal so eben aussteigen kann und trotzdem weiter darauf hoffen kann, dass Sozialversicherungen und Renten wie von selbst weiter funktionieren.
Ohne florierende Wirtschaft wären wir ganz schnell kein Sozialstaat mehr – selbst wenn die LINKE die absolute Mehrheit hätte!

Also alles beim Alten lassen? Sind Modelle von einer anderen Wirtschaft nur etwas für Utopisten? Ich glaube das nicht!
Ich glaube an die Möglichkeit, schrittweise umzusteuern. Ich sehe die Chance, ab sofort bei jeder(!) Entscheidung über Hilfsgelder, Kredite und Investitionen die Nachhaltigkeits-Ziele mitzudenken.
Der Staat gibt gerade unglaubliche Mengen an Geld aus. Mehr als niemals zuvor. Ganz sicher wird nicht alles nur in “grüne” Projekte fließen können; das wäre naiv und unrealistisch. Aber was man erwarten und verlangen kann: Bitte kein kostbares Kapital mehr in “alte” Technologien! Finanziert die Erneuerung! So viel Einfluss werdet ihr Politiker so schnell nicht wieder bekommen!

Ja, wir werden nur ganz langsam aus der Wachstums-Falle herauskommen. Der erste Schritt wird ein “qualitatives”, ein “grünes”, ein “klimaneutrales” Wachstum sein.
Die grundsätzliche Umgestaltung des Systems von Besteuerung und Sozialversicherung muss allerdings parallel schon konzipiert werden. Wir werden es sicher schon innerhalb der nächsten 10 – 20 Jahre brauchen.

Ich bin ein Freund von Experten. Ich mag auch die Virologen und Epidemiologen, die in den letzten Wochen so wichtig waren.
Ich wünsche mir, dass die Politik mit einer vergleichbaren Konsequenz auf die Klimawissenschaftler und die zukunftsorientierten Soziologen und Volkswirtschaftler hört: Jeder denkende Mensch weiß, dass der gesellschaftliche Reichtum in 20 Jahren ganz anders als heute geschaffen wird und verteilt werden muss.

Wir brauchen nicht nur Milliarden für die Erforschung von Impfstoffen und Medikamenten. Wir brauchen dringend die Entwicklung und Erprobung alternativer Wirtschaftskonzepte.
Damit es in Zukunft nicht mehr heißt: “Jetzt ab in die Kaufhäuser und Elektronikmärkte, damit wir wieder auf die Beine kommen!”