“deutsch, nicht dumpf” von Thea DORN

Ein ganzes Buch über die die richtige Art „deutsch“ zu sein!
Wenn ich ehrlich bin, habe ich mir diese Aufgabe nicht wirklich selbst ausgesucht: Diese Rezension ist eine Art Auftragsarbeit für einen guten Freund. Wie sollte ich mich dem Interesse an meiner Meinung zu einem Buch entziehen?!

Dieses Buch ist ein Buch einer „klassischen“ Intellektuellen – geschrieben für genau die Sorte von intellektuellen Mitstreitern, die mit Vorliebe den Feuilleton-Teil der ZEIT, der FAZ oder der Süddeutschen studieren, um sich über die aktuellen gesellschaftlichen Diskurse auf dem Laufenden zu halten.

So zu schreiben bedeutet, dass Frau Dorn gerne zeigt, wie groß und tief der kulturelle Fundus ist, aus dem sie schöpfen kann. Es ist in erster Linie der Fundus des traditionellen humanistisch-gymnasialen Bildungsbürgers, der sich in den Geistesgrößen der deutschen Klassik verankert sieht und sich ganz selbstverständlich und souverän in den historischen, literarischen, philosophischen und musikalischen Strömungen der letzten 250 Jahren bewegt – wie ein Fisch im Wasser.

Den Text zu lesen bedeutet, dass man sich einlassen muss – auf eine komplexe Sprache, auf einen – manchmal fast schwindelerregenden – Parforceritt durch Zitate und Argumentationslinien. Man fühlt sich gefordert – aber lohnt sich diese Anstrengung auch?

Zunächst aber zum Inhalt: Das Buch arbeitet sich in acht aufeinander aufbauenden Kapiteln durch die Themen Leitkultur, Identität, Heimat, Europa, Weltbürgertum, Nation und schließlich Patriotismus.
Frau Dorn gibt sich dabei durchaus Mühe, ihre Leser mitzunehmen: Sie erklärt immer mal wieder, wo sie gerade ist, wie sie die Bezüge sieht und wo sie hin will. Das ist hilfreich und sympathisch.

Der Autorin gelingt es ganz offensichtlich, unter diesen Oberbegriffen ihr gesamtes kulturelles und politisches Weltbild unterzubringen. Sie hat klare Meinungen und eine Botschaft (der Begriff „Message“ verbietet sich in diesen Kreisen – ebenso wie andere Anglizismen).

Was will sie uns nun sagen? Ich versuche es mal exemplarisch in ein paar kurzen und einfachen Thesen:

  • Wir Deutschen dürfen stolz sein auf unsere Kulturnation.
  • Eine heimatliche Einbettung in sich zu tragen ist erstrebenswert und unverzichtbar; erst auf dieser Grundlage kann man im guten Sinne „Weltbürger“ sein.
  • Die Nation ist immer noch die beste Basis für die verlässliche und schützende Einbindung in ein Gemeinschaftssystem (auch wenn man langfristig größere Einheiten anstreben darf).
  • Ein aufgeklärter und unaufgeregter Patriotismus ist nicht nur erlaubt, sondern erstrebenswert. Dabei dürfen – über den „Verfassungs-Patriotismus“ hinaus, auch eher emotional besetzte „Wesenszüge“ des Deutschseins eine Rolle spielen.
  • Man darf sich der eigenen Nation stärker verbunden und verantwortlich fühlen als dem Rest der Welt und darf nach realistischen Kompromissen suchen zwischen solidarischer Nothilfe und Eigeninteressen.
  • Moralische Prinzipien und die universelle Gültigkeit der Menschenrechte schließen einen pragmatischen Umgang mit „schwierigen“ Partnern auf der Weltbühne nicht aus.
  • Die größte Bedrohung für die Menschheit geht von den technikberauschten Weltveränderern des Silicon-Valleys aus, die den Wesenskern des Menschen auf dem Altar des Transhumanismus opfern.

Was vielleicht deutlich geworden ist: Dorn ist eine Frau der Mäßigung, des Abwägens, des Sowohl-als auch. Extreme Haltungen und Antworten sind ihr suspekt. Sie mag die Differenzierungen. Gerne stellt sie immer wieder sich widersprechende Textstellen von mehr oder weniger bekannten Autoren gegenüber, um dann die Synthese zu präsentieren – entweder in Form eines noch schlaueren Zitats oder gerne auch selbstdefiniert.

Brauch man nun all das oder erlebt man es eher als intellektuelle Selbstbeweihräucherung?

Nun, ich habe mich auf den ersten Seiten tatsächlich gefragt, ob mir diese ganze Welt der Frau Dorn nicht doch zu fremd ist. Nicht nur deshalb, weil ich einfach nicht so verwoben bin mit der „Deutschen Klassik“ und ich meine Haltungen und Antworten im Allgemeinen mit deutlich weniger historischem Tiefgang ausbilde.

Tatsächlich war mir die geradezu missionarische Konzentration auf die „Hochkultur“ der Goethes, Kleists, Bachs und Wagners ein bisschen zu dominant und rückwärtsgerichtet. Ich verstehe ja, dass man Opern als ein wertvolles Kulturgut betrachten kann – aber muss das der notwendige Bezugspunkt im 21. Jahrhundert sein? Ganz sicher nicht! War Frau Dorn mal in einem Pink Floyd-Konzert? Ganz sicher nicht!
Sie sollte mit ihrem einseitigen Kultur-Begriff den Ball vielleicht ein wenig flacher halten.

Doch es gab beim Lesen auch die anderen Momente: Man wollte spontan den gut geführten Argumentationslinien folgen und fühlte sich angeregt und inspiriert von Ausführungen, die schon ein oder zwei Jahrhunderte auf dem Buckel haben. Manchmal ist es einfach überzeugend und klug, was da zusammengetragen und geschlussfolgert wird.

Ich habe kein Problem damit, dass jemand, der ein Buch schreibt, seine Weltsicht verbreiten will. Welche Motivation sollte naheliegender sein?! Dabei darf man gerne auch mal polemisch zuspitzen. Geschenkt!

Letztlich ist es ein Buch für eine eher begrenzte, speziell motivierte Leserschaft. Es wird nicht in den Mainstream vordringen. Aber es war keine verlorene Zeit. Wenn man denn Menschen um sich hat, mit denen man sich auf diesem Niveau austauschen kann…

“NSA – Nationales Sicherheitsamt” von Andreas ESCHBACH

Ich empfehle dieses aktuelle Buch sehr. Es lohnt sich also vielleicht doch, hier mal weiterzulesen.

Historische oder zeitgeschichtliche Romane sind überaus beliebt. Science-Fiction-Literatur erreicht eine – zwar begrenzte – aber treue Leserschaft. Liebesromane und Krimis treffen auf lesehungrige Massen.

Warum erwähne ich diese Banalitäten?
Nun: NSA ist ein Buch, das alle diese Genres in sich vereint – in gewisser Weise liest man also mit diesem Roman mindestens vier Bücher gleichzeitig. Dann um die Vermittlung von technisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen geht es nebenbei auch noch.

Am interessantesten erscheint mir die Kombination von zeitgeschichtlichem Rückblick und Zukunftsroman. Der ganz besondere Clou des Autors ist es nämlich, dass eine – inzwischen tatsächlich etablierte – technische Entwicklung (um einige Jahrzehnte) in die Vergangenheit transferiert wird und damit aus dieser (früheren) Perspektive ein mögliches Zukunftsszenario beschrieben wird. Da diese “Zukunft” ja bereits ein Teil unserer Geschichte ist, ergibt sich ein anregendes Spiel mit Eventualitäten.
Um es nochmal anders zu sagen: NSA ist ein “was-wäre-gewesen-wenn-Roman”.

Ich werde mal konkreter: Eschbach schildert die Entwicklung des “Dritten Reiches” unter der Voraussetzung, dass der Computer schon am Anfang des letzten Jahrhunderts erfunden und entwickelt wurde. Also: NS-Regime mit den technischen Möglichkeiten von Google und Co.

Da fällt einem ganz spontan eine Menge ein. Über die Risiken, die entstehen, wenn digitale Überwachungs-Macht von diktatorischen Systemen genutzt werden kann, wurde ja schon reichlich  geschrieben und diskutiert.
Durch den Kniff, dieses Szenario am Beispiel des Hitler-Regimes konkret durchzuspielen, gewinnt dieses Thema eine faszinierende Lebendigkeit.

Da dieses Buch ja nicht für historische Seminare geschrieben wurde, bietet es natürlich sowohl spannende Erzählstränge als auch reichlich Stoff für die emotionale Identifikation mit den dargestellten Einzelschicksalen. Es geht um Liebende, um Hassende, um Böse, um Gute, um Persönlichkeitsgestörte, usw.
Man kann sich das sicher irgendwie vorstellen…

Mich haben insbesondere folgende Aspekte beeindruckt und zu dem Urteil beigetragen, dass es sich wirklich um ein besonders lesenswertes Buch handelt:

  1. Dem Autor hat es offensichtlich großes Vergnügen gemacht, die moderne PC-Technik mit all ihren Facetten in den zeitgeschichtlichen und sprachlichen Kontext zu übertragen. Das ist wirklich durchweg sehr originell gemacht und lädt immer wieder zum Schmunzeln ein.
  2. Eschbach baut auf eine elegante Weise historische Einzel-Ereignisse (Anne Frank, Geschwister Scholl, …) in seinen Plot ein, wodurch sein Spiel mit der “alternativen Realität” nochmal an Ausdruckskraft gewinnt.
  3. Das Spiel mit den Ebenen wird auf eine sehr kreative Weise auf die Spitze getrieben: Ausgerechnet in einem Roman, in dem es um eine historische Alternative geht, tritt eine Figur auf, die sich als Geschichts-Student mit dem Thema beschäftigt, was denn hätte geschehen können, wenn der Computer erst viel später erfunden worden wäre. Toll!
  4. Ich mag Bücher, die nicht erwartungsgemäß enden.
    Dazu sage ich an dieser Stelle selbstverständlich nichts Genaueres.

Natürlich spürt man fast in jeder Zeile die Botschaft – in diesem Fall die Warnung – des Autors vor den Gefahren der aktuellen und drohenden digitalen Totalüberwachung und -kontrolle.
Aber: So intelligent und unterhaltsam bekommt man dieses Thema sicher nur extrem selten dargeboten.
Und wann kann man schon mit einem guten Gefühl sagen: “Ich habe gerade vier gute Bücher gelesen!”

“UDO” von Udo LINDENBERG und Thomas HÜETLIN

Der Leser / die Leserin meines Bücher-Blogs wird sich vielleicht fragen: Warum lese (höre) ich überhaupt so ein Buch – wo es doch unzählige “wertvollere”  literarische Themen und Texte in der Warteschlange gibt?

Nun: Udo Lindenberg ist ein Teil meiner persönlichen Zeitgeschichte, musikalisch, politisch und bezogen auf Konzertbesuche. Es gibt dadurch eine Art von Verbundenheit, die als Motivationsquelle für die Beschäftigung mit seiner aktuelle Biografie völlig ausreicht.

Viele – etwas jüngere Menschen – haben Udos erste musikalische Schaffensphase nicht “live” verfolgen können. Sie haben ihn eher als ein öffentliche Figur kennengelernt, die irgendwo zwischen einer schon etwas angestaubten Galionsfigur des “Deutsch-Rocks”  und einem insgesamt sympathischen Politclown durch die Medienwelt geisterte. Udo war irgendwie schon früh sein eigenes Denkmal, der durch die gut gepflegten Attribute seines Markenzeichens die Jahrzehnte überdauerte.
Übersehen wird dabei, dass er Anfang bis Mitte der 70iger einige musikalisch und textlich überragende Platten angeliefert hat, die heute noch fast alles in den Schatten stellen, was je in deutscher Rockmusik produziert wurde.

Ach so – das Buch!
Nach einem kurzen Einstieg in der Come-Back-Phase stellt die (Auto-)Biografie das private, musikalische und öffentliche Leben des Künstlers facettenreich und detailverliebt dar. Das ist zunächst alles ganz interessant und unterhaltsam. Man staunt, wie früh der jugendliche Udo damals schon in die Musik-Szene eingetaucht ist (wie die meisten wissen werden, als Jazz-Schlagzeuger) und wie übergangslos er von dem Alkoholismus seines Vaters in die eigene Säufer-Karriere gerutscht ist.

Da wären wir auch schon beim entscheidenden Stichwort: “Alkohol”.
Sowohl das persönliche Leben von Udo als auch dessen literarische Beschreibung leiden an diesem Thema. Selbst der gutmütigste Leser wird irgendwann ermüden oder verzweifeln an der nicht enden wollenden Schilderung von Alkohol-Exzessen, kurzen Ausstiegsversuchen und ewigen Rückfällen. Es ist wirklich nur schwer erträglich und irgendwann – wenn die Fassungslosigkeit abgeklungen ist – einfach auch langweilig.

Eine besondere Rolle spielt in der Darstellung die Rolle von Udo als ziviler Kämpfer für die Durchlöcherung der innerdeutschen Mauer – exemplarisch ausgetragen in dem zähen Kampf um eine Auftrittserlaubnis im abgeschotteten Osten. Seine besondere “diplomatischen” Beziehung zu Erich Honecker wird ausführlich beschrieben – ebenso wie die große symbolische Bedeutung, die Udo für seine treuen Fans in der DDR hatte.

Natürlich ist das Buch so aufgebaut, dass es ja nicht auf ein endgültiges Scheitern dieser zwiespältigen Figur hinausläuft, sondern auf das große Come-Back. Es erscheint wirklich fast wie ein Wunder, dass dieser kaputte Typ nochmal ganz nach oben kam. Die Geschichte dieses “letzten Aufbäumens” gehört sicher zu den informativen Teilen dieses Buches.

Bleibt die Bilanz:
Für Udo-Fans eine Menge Infos aus dem sehr persönlichen Umfeld. Für den allgemein Interessierten eine Portion Zeitgeschichte. Für den Musik-Liebhaber ein wachsendes Unverständnis und Unbehagen angesichts der scheinbar so dominanten Rolle des Alkohols in dieser Subkultur.

Persönliche Schlussbemerkung:
Ich kann mich nicht davon freimachen, dass der Respekt vor der Person Udo doch ein wenig gelitten hat. Eignen sich solche Menschen wirklich als Vorbilder bzw. Idole; als Instanzen, die der Jugend Orientierung geben können?
Anderseits: Vielleicht erreicht so jemand wie Udo gerade deshalb – wegen der eigenen Unvollkommenheit und inneren Zerrissenheit – eben auch Gruppen, die sonst gar nicht oder durch weitaus gefährlichere Verführer angesprochen würden.
Er steht ja doch irgendwie auf der richtigen Seite!

Die Bewertung der aktuellen musikalischen Leistung findet sich hier.

Seehofer

Ich könnte es nicht ertragen, wenn jetzt monatelang darüber diskutiert und gestritten wird, ob und wann Seehofer auch als Innenminister zurücktritt.

Hat denn dieser Mensch überhaupt keine Selbstachtung und keinerlei Gespür dafür, dass die Menschen jetzt etwas anderes wollen und brauchen?

Es ist wirklich unfassbar!

“The Beatles” (Das weiße Album) von The BEATLES

Für Mensch wie mich, die seit ca. 50 Jahren bewusst und leidenschaftlich Popmusik hören, gibt es einen interessanten Trend: Die 50-jährigen Jubiläen von Gruppen-Gründungen oder stilbildenden Alben.
Soweit es die Gruppen noch gibt – und es gibt erstaunlich viele – gehen sie nochmal auf Tournee (ist gut für das eigene Rentenkonto); auf die “großen” Alben stürzen sich die Tontechniker mit dem Ziel, die bisherigen digitalen Remaster-Versionen noch ultimativ zu toppen. Dabei werden dann gerne aufwendig ausgestattete Luxus-Pakete zusammengestellt, die alle möglichen Alternativ-Takes und verschiedene Abmischungen beinhalten (oft einschließlich Vinyl und Dolby-Digital 5.1 ).

Jetzt also das Weiße Album von den Beatles aus dem Jahre 1968.
Mit der Tournee ist es bei ihnen schwierig; Paul und Ringo wollen sich einfach nicht zusammentun; ohne John und George geht es wohl nicht.

Ich will mich hier nicht als kompetenter Beatles-Fachmann oder als Musik-Kritiker hervortun. Über jedes Album der Beatles gibt es fachkundige Ausführungen – mit allen denkbaren musikalischen und zeitgeschichtlichen Bezügen.

Ich will nur sagen: Die Sound-Qualität dieser Neuveröffentlichung ist wirklich umwerfend. Ich habe die komplette Platte über (meine besten) Kopfhörer gehört – es ist wirklich bombastisch klar, brilliant und transparent.
Natürlich wären aktuelle Produktionen weniger “höhenlastig” – aber es gibt nun mal ein bestimmtes Ausgangsmaterial.

Wer das Album vielleicht gar nicht kennt: Es ist in die Musikgeschichte eingegangen, weil die vier Musikgenies hier eine bis dahin für eine “Beat-Band” unfassbare Breite bzw. Vielfalt von Musikstilen nutzt, um die musikalischen Ideen der einzelnen Mitglieder auszudrücken.

Wenn man sich dafür mal interessiert: Es lohnt sich in diesem Fall wirklich, das 2018-Remaster als Quelle zu nehmen.

“Tumult” von Herbert Grönemeyer

Bewertung: 4.5 von 5.

Herbert liebt man – oder man kann ihn und sein Sprechgesang kaum ertragen. Unberührt lässt er nur wenige.
Mich begleitet Grönemeyer seit 1984 (4630 Bochum) durch mein musikalisches und emotionales Leben – allerdings in den letzten 20 Jahren mit absteigender Tendenz.
Das hat sich geändert. Gestern. Denn da habe ich “Tumult” gehört.

Ja – ich halte dieses Album für ein Meisterwerk. Es ist stimm- und textgewaltig, musikalisch abwechslungsreich und unglaublich emotional intensiv.
Wenn man sich denn auf den Grönemeyer-Stil einlassen kann…

Auch in den politisch stürmischen Zeiten sind Beziehungen und Liebe die zentralen Themen. Dass es möglich ist, auch im 15. Studioalbum noch neue und kreative Formulierungen für Liebesgefühle zu generieren, gleicht einem sprachlichen Wunder.

Doch es werden auch andere Themen berührt (ausländische Sexsklavinnen, Depression und Verzweiflung, Mut und Aufbruch, unerfüllte Sehnsucht, … ) und es werden Zeichen im Bereich Migration  gesetzt: Das Album enthält ein zweisprachiges Lied (deutsch/türkisch) mit dem sinnigen Titel “Doppelherz”.

Gibt es auch etwas zu meckern?
Nun ja – an ein oder zwei Stellen hätte man sich den  schmalzigen Hintergrundchor vielleicht sparen können. Geschenkt!

Gibt es für mich in diesem Album so etwas wie eine zentrale Botschaft? Ja, vielleicht sogar zwei:
Es gibt keine Trennung zwischen privater Empfindsamkeit und gesellschaftlicher Wachheit. Wer sich in seinem Inneren wirklich spürt, ist auch nicht blind für die Dinge, die sich drumherum ereignen.
Auch wenn man seelische Abgründe, Zweifel und Apathie kennt und als Teil des Lebens akzeptiert – es gibt immer noch gute Gründe für Aufbruch, Kampf und Lebenslust. Für Herbert ist der zentrale Grund – wie könnte es anders sein – die Liebe (auch wenn eines der Lieder davon handelt, das sie zwar ersehnt wird, aber ausbleibt).

Hört es euch an – und wenn ihr Lust habt, schreibt eure Meinung!

Die Texte gibt es z.B.  hier.
(Ich schicke auch gerne ein PDF)

Ein paar Gedanken zum PLURALISMUS

Als Vorbereitung auf eine Diskussion unter Freunden habe ich ein paar Thesen aufgeschrieben, die ich auf diesem Weg etwas breiter streuen möchte.
Letztlich geht es dabei nicht nur um ein abstraktes Thema, sondern um die konkrete Frage, ob und wie unsere demokratisch-pluralistisches System angesichts der Bedrohung durch autokratische Tendenzen überleben kann.

1)  Unsere pluralistisch angelegte Gesellschaft bietet einen sicheren Rahmen dafür, dass unterschiedliche Interessen, Weltanschauungen und Wertesysteme nebeneinander stehen können und dürfen. Damit entsteht Raum für individuelle Freiheit bzw. Weiterentwicklung und Schutz vor Bevormundung und Unterdrückung.

2) Pluralistische Gesellschaften weisen aber auch Schwächen auf: Ihnen fehlt ein einigender Bezugspunkt, der Identität, Zugehörigkeit und Orientierung schafft (wie es z.B. Staaten bieten können, die ihre Basis in Tradition, Religion, Ideologie oder Nationalismus definieren und zelebrieren). Dieses Problem verschärft sich noch zusätzlich, wenn die potentielle gemeinsame Basis (Grundgesetz) nur abstrakt vorhanden ist und nicht auch emotional verankert wird.

3) Ein extrem ausgebildeter Pluralismus kann in eine Beliebigkeit führen. Dadurch, dass alle denkbaren Lebensvarianten quasi gleichwertig nebeneinander gestellt werden (und dabei auch noch Abweichungen und Minderheiten besonders beachtet bzw. geschützt werden), geht das Gefühl für das „Normale“ (vielleicht auch das „Richtige“) immer stärker verloren.

4) Die Vielfalt und offensichtliche Beliebigkeit von Lebensentwürfen und Normen überfordert insbesondere Menschen mit eher geringen (intellektuellen, emotionalen) Ressourcen. Sie sind dann z.B. Einflussnahmen von Demagogen oder wirtschaftlichen Interessen ausgeliefert und werden so – unter dem Mantel einer vermeintlichen Autonomie und Freiheit – wirkungsvoll manipuliert (z.B. indem man die Neigung in Richtung Sensation und Extrem ausnutzt).

5) Angesichts der realen Menschheitsprobleme (Ressourcen, Klima, Migration, Rüstung…) können wir uns möglicherweise diese pluralistische Haltungen einfach rein objektiv nicht mehr leisten. So können z.B. unterschiedliche Vorstellungen zur Energieerzeugung oder zum Verkehrssystem dann nicht mehr dem freien Spiel pluralistischer Überzeugungen überlassen werden, wenn davon die Zukunft der Menschheit oder des Planeten abhängt.

6) Es wird sich in den nächsten Jahrzehnten vermutlich noch stärker als bisher erweisen, dass Gesellschaften, die weniger pluralistisch sind (insbesondere China und andere asiatische Staaten) effizienter, zielgerichteter und weitsichtiger handeln können und damit wirtschaftlich erfolgreicher sein werden.

7) Aus meiner Sicht läge die Lösung in einem „gebremsten“ Pluralismus. In so einem System, würden die Grundwerte der Gesellschaft (Verfassung, Menschenrechte, Gewaltfreiheit) viel stärker in das öffentliche und erzieherische Zentrum gerückt und dort auch emotional verankert. „Abweichungen“ würden zwar nicht unterdrückt, würden aber nicht mehr automatisch durch einen besonderen „Minderheiten-Bonus“ geadelt. Gewisse Basis-Tugenden (Anstand, Ehrlichkeit, Verantwortung für das Allgemeinwohl) würden im öffentlichen Raum nicht mehr ein unverbindliches Angebot bleiben, sondern zum gewollten Identitätskern des Zusammenlebens gemacht und verteidigt.
Inwieweit in diesem Zusammenhang auch der Einfluss der Medien auf die Entstehung von gesellschaftlich relevanten Wertsystemen zum Thema werden müsste, bedarf einer besonderen Diskussion.

 

“Der begrabene Riese” von Kazuo ISHIGURO

Ich wollte mich mal wieder der ernsthafteren Literatur zu wenden. Was kann man da besseres tun, als den  – immer noch aktuellen – Nobelpreisträger von 2017 zu wählen. Dachte ich.

Vor dem Schreiben dieser Rezension musste ich mich sehr beherrschen: war ich doch wirklich sehr neugierig darauf, wie wohl die vielen positiven Bewertungen (z.B. bei amazon) begründet werden.
Möglicherweise habe ich ja mit meinem mangelhaften literarischen Wissen die wesentlichen Stärken dieses Romans übersehen, womöglich gar nicht verstanden. Vielleicht war diese Geschichte aus längst vergangenen Zeiten voller Symbole und Allegorien, die einem halbwegs gebildeten Leser einen intellektuellen Genuss bereiten.
Ich werde es später nachlesen.
Jetzt sage ich erstmal meine Meinung.

Mir war und ist der Sinn und damit auch den Wert dieses Buches nicht zugänglich. Ich weiß nicht warum diese Geschichte geschrieben wurde und ich weiß nicht, warum man sie lesen (oder in meinem Fall “hören”) sollte.

Erzählt wird von einem Ehepaar, dass sich im Britannien des 5. Jahrhunderts auf die beschwerliche Reise zu einem Dorf machen, in dem sie ihren vor langer Zeit verschollenen Sohn vermuten. Erschwert wird diese Unternehmung nicht nur durch die Widrigkeiten des damaligen Lebens und Reisens, sondern auch durch einen ominösen Nebel des Vergessens. Wie sich später herausstellt, sorgt der Atem eines Drachens für diese Gedächtnisstörung.

Das – bereits ältere Ehepaar (für damalige Verhältnisse) – ist aber nicht nur auf der Suche nach dem Sohn, sondern auch nach der gemeinsamen Paar-Geschichte, die ebenfalls weitgehend der Vergessenheit anheim gefallen ist.
Ebenfalls eine Rolle spielen die Erinnerungslücken für das nur notdürftig befriedete Zusammenleben zwischen Britannien und Angelsachsen.
Wie dünn das Eis ist, zeigen die Begegnungen mit einem alten Ritter und einem jungen Kämpfer dieser Volksgruppen – die sinnigerweise beide auch irgendwie mit der verantwortlichen Drachin zu tun haben.
Zu erwähnen bleibt noch eine mysteriöse Insel, auf die ein Fährmann ein Paar nur dann überschifft, wenn dies durch eine besonders innige und vertraute Liebe verbunden ist.

Aus diesem Stoff ist diese Erzählung gebastelt. Es gibt darin viele Dialoge, manche Kämpfe, die auch zu manchem Tod führen. Und ein plötzliches und offenes Ende.

Natürlich soll diese Geschichte für irgendetwas stehen; so ansatzweise literarisch gebildet bin ich schon. Vermutlich geht es um große Fragen des Menschseins: um Beziehungen, um Krieg und Frieden, um die Vor- und Nachteile des Vergessens, um Rache, Vergebung, Tapferkeit und Opfermut. Und vermutlich um vieles mehr – wenn man sich dann die Mühe macht, es aus dem Text zu erschließen.

Ich persönlich würde niemandem nahelegen, sich dieser Aufgabe zu unterziehen. Es gibt jede Menge Bücher, die all diese Themen in einer zugänglicheren Form anbieten. Vielleicht ist das dann nicht eine so große und nobelpreiswürdige Kunst. Mag sein; dann bin ich an diesem Punkt ein Ignorant.

PS.: Ich bin wirklich aufrichtig interessiert daran, von jemandem zu erfahren, der dieses Buch mit Genuss gelesen hat!
Und ich werde jetzt die positiven Kritiken lesen (und mich vielleicht ein wenig schämen….).

Richterwahl in den USA

Ich mache es diesmal kurz:

Was auch immer damals bei der Wahl von Trump passiert ist – man konnte sich damit herausreden, dass es ja nur ein Protest war bzw. dass man ja davon ausgehen konnte, dass sich dieser Provokateur als Staatsmann zivilisieren würde.

Jetzt wissen die Amerikaner und die Welt seit fast zwei Jahren, wessen Geistes Kind dieser Trump ist. Und es gelingt ihm tatsächlich trotzdem, einen umstrittenen erzkonservativen Richter auf Lebenszeit in das höchste Gericht zu drücken.

Ich finde es trostlos, dass es nicht zumindest einige republikanische Senatoren gibt, die bei dieser Gelegenheit ein Zeichen gegen Trump zu setzen bereit sind.

Wie ist es möglich, dass sich dieser Mann nach diesen unseligen zwei Jahren noch so bestätigt fühlen kann?

Ich kann nur fragen – Antworten finde ich gerade nicht.

“Einmal Schicksal und zurück” von Sandra PULS

Vorweg ein Warnung:
Ich bin hier erstmals als Rezensent nicht neutral, da eine persönliche Beziehung zur Autorin besteht. Das ist auch der Grund, warum ich dieses Buch schon einen Tag nach dessen Erscheinen besprechen kann: Ich kannte es schon vorher. Trotzdem schreibe ich hier natürlich meine “echte” Meinung.

Wie der Titel verrät, geht es um das Schicksal. Damit werden eine Menge – auch widersprüchliche – Assoziationen geweckt: Geht es um Vorsehung? Um die Rolle des Zufalls? Um esoterische Erkenntnisse? Oder ist jeder seines Glückes Schmied? Und warum “zurück”?

Das Buch speist sich aus zwei Quellen:
Die Autorin verarbeitet – wie sie auch auf ihrer Website verrät – ein eigenes Thema, nämlich die Erfahrung, dass sich das Unglück manchmal auf unfassbare Weise bei bestimmten Menschen bzw. Familien konzentriert.Aus dem Umgehen mit der Kontrasterfahrung – selber auf der Sonnenseite leben zu dürfen – entstand die persönliche Motivation für dieses Buch.
Darüber hinaus stellt dieses – für junge Menschen ab der Pubertät konzipierte – Werk einen unterhaltsamen und anregenden Einstieg in das Philosophieren dar.

Wann – wenn nicht im Jugendalter – werden zum ersten Mal die großen Fragen des Lebens gestellt? Und wann – wenn nicht in dieser Entwicklungsphase – besteht ein Interesse an Freundschafts-/Liebesbeziehungen und spannenden Abenteuern in virtuellen Welten?
Was liegt näher – so dachte sich Sandra PULS – als diese beiden Bedürfnisse zusammenzuführen?

Der Autorin hat diese Aufgabe – wie ich finde – außergewöhnlich kreativ gemeistert. Sie erzählt die Geschichte eines jungen Paares (das sich natürlich gerade erst ganz vorsichtig findet): Der vom Glück verwöhnte Ben und die in einer vom Pech verfolgten Familie lebende Liv geraten bei einem Ausflug in digitale Spielwelten per Zufall in eine Parallelwelt, in der das Schicksal der Menschen geradezu bürokratisch verwaltet wird. Und beim Verwalten erweisen sich die “Wächter des Schicksals” als nur allzu menschlich…
Natürlich geht es bald um die entscheidende Frage: Können die beiden es schaffen, Liv und ihre Familie aus den Fängen der fehlgeleiteten Wächter zu befreien?

Doch auf einer zweiten Ebene geht es eben doch die ganze Zeit um die Grundfragen der Existenz. Wer oder was bestimmt denn nun das individuelle Schicksal? Gott, der Zufall oder das eigene Tun?
Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen ist so geschickt in die spannende Handlung eingewoben, dass keine Spur eines pädagogischen Anspruches zu spüren ist.
Das Ergebnis: Nachdenken und Philosophieren kann also Spaß machen!

Wie könnte es anders sein: Natürlich werden keine fertigen Antworten angeboten. Das Fragen und Denken sind die eigentliche Ziele.
Und doch gibt es eine Botschaft: Es lohnt sich auch in schwierigen Situationen, Gelegenheiten beim Schopf zu packen und auf die Unterstützung von wohlwollenden Mitmenschen zu vertrauen.

Ach ja: warum eigentlich “zurück”?
Vielleicht ist es schon klar geworden: Natürlich kehren die beiden Abenteurer von ihre Reise in den normalen Alltag zurück – und werden vermutlich noch eine Weile zusammen bleiben….

Fehlt noch ein Wort zur sprachlichen Seite: Der Stil des Buches ist locker und leicht verständlich; das Lesen verursacht keinerlei Mühe. Und doch wird deutlich, dass die Autorin die Sprache nicht nur als Mittel zum Zweck einsetzt. Sie “spielt” auch mit ihr. Immer wieder mal stößt man auf bestimmte Begrifflichkeiten, die man in dieser Zusammensetzung oder in diesem Kontext nicht erwartet hätte. Man spürt förmlich, dass sie diese eine spezielle Formulierung gebraucht hat, um ein bestimmtes Gefühl oder Bild zu vermitteln – dafür nimmt sie auch ein kurzes Stutzen des Lesers in kauf.

Ich empfehle dieses Buch uneingeschränkt für Jugendliche beiderlei Geschlechts ab ca. 14 Jahren. Es ist ein tolles kleines Geschenk, wenn man das Ziel hat, Denkanstöße zu geben und gleichzeitig Lesevergnügen zu bereiten. Dieses Buch verstaubt ganz sicher nicht ungelesen im Regal.

Weitere Infos findet ihr beim Verlag bzw. auf der Website der Autorin.