“Regen” von Ferdinand von SCHIRACH

Bewertung: 3.5 von 5.

Kurzgeschichten sind ein faszinierendes literarisches Genre. Erst recht, wenn Sie von einem Meister dieser Gattung geschrieben werden.
Von SCHIRACH ist zweifellos so ein Meister. Das hat er zuletzt in seiner Sammlung “Nachmittage” unter Beweis gestellt.
Sein aktuelles Buch enthält genau eine solche meisterhafte Kurzgeschichte.

Ein gescheiterter Schriftsteller (ein etwas einsamer, aber tiefgründiger Sonderling) ist aus seiner Lebensroutine herausgerissen worden: Er wurde zum Schöffen berufen; auch dort droht er scheitern. Es zieht ihn zum Tatort seines ersten Falles.

Der Text besteht aus den Icherzähler-Selbstreflexionen dieses Mannes. In einer assoziativen Verknüpfung von Gedanken und Erinnerungen erfahren wir von seiner einmaligen Autorenschaft, von seiner ersten Schöffen-Erfahrung und von seinen Einstellungen zu einigen Aspekten des Lebens und des Sterbens. Zwischendurch wird die vergangene Szenerie einer offenbar bedeutsamen Begegnung mit einer Frau aufgebaut.

Es ist bemerkenswert, wie viele – ganz offensichtlich auch sehr persönliche – Themen von SCHIRACH in diesem überschaubaren Text platziert. Man lässt sich gerne durch diese Gedankenwelt führen – es fühlt sich wie ein gemeinsames “sich treiben lassen” an.
Natürlich streut der Autor ganz locker einige dieser Lebensweisheiten ein, für die er bekannt ist und für die er inzwischen von einem internationalen Publikum verehrt wird.

Der Sinn dieser Geschichte besteht nicht darin, irgendwo hinzuführen. Mit solchen Banalitäten hält sich  von SCHIRACH nicht auf. Es geht wohl vorrangig darum, sich selbst seiner Leserschaft zu zeigen. Nur schwach getarnt versteckt sich von SCHRACH hinter seinem Protagonisten.
Dieser Eindruck der “Selbstoffenbarung” verstärkt sich, wenn man im zweiten Teil dieses Büchleins angekommen ist: Dort ist ein Zeitungs-Interview abgedruckt, in dem es  – recht persönlich – um den Menschen und Autoren von SCHIRACH geht. Zweifelsfrei ist der Autor eine spannende Person, der seine demonstrative Ferne vom Mainstream durchaus nicht uneitel zelebriert.

So irritiert diese Publikation gleich auf zwei Ebenen: Durch die quantitative Reduktion auf eine einzige kurze Geschichte und durch die Konzentration auf die eigene Person.
Letzteres wird die große Fan-Gemeinde des Autors sicher nicht stören: Die Marke “von SCHIRACH” ist ja in zwischen ein Selbstläufer geworden; zwischen seiner Person und seinen Texten lassen sich kaum echte Grenzen ziehen. Der Autor avancierte zu einer Art Kontrast-Figur zu der geschwätzigen und abstoßend-oberflächlichen Welt der Influencer und Lifestyle-Promis.
Dass ein bereits veröffentlichtes Interview dazu benutzt wird, aus einer Kurzgeschichte ein Buch zu basteln, ist verlegerisch schon ein wenig bemerkenswert (um es neutral auszudrücken). Es wird dem kommerziellen Erfolg aber ganz sicher nicht schaden.

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