“Fabelhafte Rebellen” von Andrea WULF

Bewertung: 4.5 von 5.

Mit ihrem Buch über Alexander von Humboldt ist der Kunsthistorikerin WULF 2016 ein großer und erfolgreicher Wurf gelungen. Sie ist in ihrem Nachfolge-Werk der Epoche treu geblieben und hat sich mit den Denkern und Literaten an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert beschäftigt.
Wobei die Formulierung “beschäftigt” eine geradezu groteske Untertreibung darstellt.

Die Autorin hat mit dieser Publikation einen Sachbuch-Stil zur Perfektion getrieben, der sich etwas so beschreiben ließe:
“Tauche in eine historische Epoche und das Denken und Handeln ihrer Protagonisten so intensiv ein, dass nicht nur zeitgeschichtliche Zusammenhänge und kulturelle Bedeutungen plastisch werden, sondern ausgefeilte Persönlichkeitsprofile und privateste Beziehungsmuster zwischen den Beteiligten nachvollziehbar werden.”

Es geht schwerpunktmäßig um eine Gruppe von deutschen Geistesgrößen, die sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts in der recht überschaubaren Universitätsstadt Jena gelehrt, geforscht, geschrieben, diskutiert, geliebt und gestritten haben. Um die wichtigsten Namen einmal zu nennen (sie tauchen in dem Buch unzählige Male auf): Goethe, Schiller, Fichte, August Wilhelm, Friedrich und Caroline Schlegel, Schelling, Novalis, Hegel, Alexander und Wilhelm von Humboldt.
Zusammengefasst wird ihr Denken und Schreiben unter dem Begriff (frühe) Romantik, als deren Markenzeichen die Betonung des subjektiven “Ichs” als zentrale Quelle für das Weltverständnis und die Weltbeschreibung angesehen wird. Dabei bilden die Ideen der Französischen Revolution bzw. deren politisch-militärischen Irrungen und Wirrungen die entscheidende zeit- und ideengeschichtliche Basis.

Zwar kann man sich ohne großen Aufwand aus zahllosen Quellen über die beteiligten Personen und ihr Schaffen informieren – bilden sie und ihre Zeit doch den harten Kern der deutschen kulturellen Identität. Doch das von WULF gezeichnete Bild ist schärfer, facettenreicher und vor allem bunter und lebendiger als übliche Darstellungsformen.
Was ihr dabei besonders in die Hände spielt, ist die – oft geradezu zwanghaft anmutende – Neigung der Protagonisten, ihre Gedanken, Sehnsüchte und Handlungen in einer wahren Flut von Tagebuchnotizen und gegenseitigen Briefen zu verschriftlichen.
Das Ganze bildete ein unglaublich intensives und dichtes kommunikatives Netzwerk, das selbst in Zeiten des Social-Media-Irrsinns absolut beeindruckend erscheint: So wurden gelegentlich in Krankheitsphasen zwischen Goethe und Schiller mehrfach täglich durch Boten Briefe ausgetauscht!

Überhaupt bildet die Beschreibung der Freundschaft zwischen den beiden ganz Großen einen Höhepunkt dieses Buches: Die anschauliche, alltagsnahe Schilderung ihrer Beziehungsgestaltung lässt die Menschen hinter den Kultur-Helden fassbar werden – wie es keinem Schulbuch oder Lexikon-Beitrag jemals gelingen könnte.
Doch damit ist es nicht genug: Die literarischen und amourösen Beziehungsmuster zwischen den anderen Hauptdarstellern werden bis in die persönlichsten Winkel ausgeleuchtet. Da fehlt nicht mehr viel – und das Drehbuch für eine vielteilige Netflix-Drama-Serie ist steht!

WULF verliert die zeitgeschichtlichen Zusammenhänge nicht aus den Augen: Wir erfahren jede Menge über die deutsche Kleinstaaterei, über die Bedeutung der jeweils zuständigen Fürsten für die Geistesfreiheit und über die Auswirkungen der Feldzüge Napoleons auf das praktische und kulturelle Leben.

Es ist die perfekt gelungene Verflechtung zwischen Philosophie, Literatur, Naturerforschung, Politik, Zeitgeschichte und Privatheit, mit der dieses Buch für die interessierte Leserschaft einen fast unerschöpflichen Fundus von Erkenntnissen und Anregungen schafft.
Allerdings: Ein mehr als durchschnittliches Detail-Interesse an den dargestellten Einzel-Persönlichkeiten und ihren Verquickungen sollte man als Leser/in tatsächlich mitbringen. Manchmal treibt die Autorin die Analyse auch der feinsten Ausschläge im literarischen und erotischen Miteinander doch etwas auf die Spitze: Will und muss man das alles so genau wissen? So kann man durchaus an einigen Stellen ein wenig ungeduldig werden…

Insgesamt ist WULF dem selbst gesetzten Standard für besonders lebendige und detailverliebte Sachbücher zweifellos gerecht geworden. Sie hat ein fabelhaftes Buch über die “Fabelhaften Rebellen” geschrieben. Den Lesenden kann versprochen werden, dass sie sich dieser Epoche und deren Leitfiguren noch nie so nahe gefühlt haben.


10.02.2023 Harry Potter Video-Spiel

Foto von RODNAE Productions: https://www.pexels.com/de-de/foto/holz-tisch-zimmer-kerzen-7978061/

Wie ich ZEIT-online entnehmen kann, gibt es in der Gamer-Welt einen erbitterten Streit darüber, ob man das – lang erwartete und offenbar extrem gut gelungene – Video-Spiel zur weltbekannten Fantasy-Reihe kaufen bzw. spielen “darf”.
Dabei geht es nicht um die möglichen Folgen von magischen und mystischen Geschichten für unsere Gesellschaft. Nein – das Problem liegt viel tiefer!

Es geht schlichtweg darum, ob man mit seinem Gewissen (oder einer woken correctness) vereinbaren kann, dass die Schöpferin des Potter-Universums daran mitverdient (was sie natürlicherweise tut).
Warum das schlimm ist? Vielleicht weil Rowling schon so unglaublich reich geworden ist?

Nochmal nein! Die Autorin hat es wiederholt gewagt, zur durchaus konfliktträchtigen Beziehung zwischen FeministInnen und Trans-AktivistInnen eine eigene Meinung zu äußern. Da diese nicht mit der Ideologie der Trans-Bewegung übereinstimmt, wurde sie per Experten-Beschluss als “transphob” überführt.

Nun sitzen offenbar junge Menschen mit zittrigen Fingern vor ihren hochgezüchteten Gaming-PCs und würden nichts lieber tun, als auf den berühmten Besen um das Zauberschloss Hogwarts zu sausen – und jetzt besteht doch tatsächlich die Gefahr, dass man sich mit dieser Entscheidung gegen die Transbewegung stellen könnte…
Was für ein tragisches Dilemma!

Warum fühle ich mich manchmal fremd in diesem unserem Lande….?

(Zu weiteren Tages-Gedanken)

09.02.2023 Man kommt kaum hinterher…

Von President Of Ukraine from Україна – Europe has no right to react in silence to what is happening with our Mariupol – address by the President of Ukraine (flickr.com), CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=116602856

Gerade in diesen Tagen erscheint es tatsächlich spektakulär, in welchem Ausmaß dieser Regierungschef die politische Agenda in ganz Europa bestimmt. In drei Tagen hat er London. Paris und Brüssel in Schauplätze für den Überlebenskampf seiner Ukraine gemacht. Seine Energie, sein Einsatz, seine Hoffnung scheinen erschöpflich zu sein.
Gleichzeitig ist dieser Mensch – sicher auch auf der Basis seiner Medienerfahrung – ein extrem begabter Kommunikator, der seine Person zu einer Art Markenzeichen für die Unbeugsamkeit und den Freiheitswillen einer ganzen Nation gemacht hat – bis hin zu einem konsequent durchgehaltenem Outfit. Alles an Selenksky ist eine Botschaft!

Und doch ist zu wünschen, dass man diesen Präsidenten möglichst bald wieder in langweilig-genormter staatsmännischer Aufmachung zu sehen bekommt.
Es wird ein langer Prozess und vermutlich die schwierigste Aufgabe für diese Symbolfigur sein (die so oder so in den Geschichtsbüchern landen wird): Kann er den Übergang vom Kampf in die irgendwann notwendige “Befriedung” managen? Hat er auch dafür die Kraft und die innere Ausstattung?

Wenn es nicht so unfassbar schrecklich, grausam und gefährlich wäre, könnte man es fast “spannend” finden, wie all das letztlich von statten gehen wird. Allerdings ist dieser “Spannungsbogen” manchmal fast unerträglich – weil ein guter und schneller Ausgang alles andere als gewiss ist. Es könnte auch für uns noch sehr viel schlimmer kommen…

Ob dabei diese großen Auftritte in den europäischen Metropolen eine Rolle spielen?
Wer sollte das jetzt wissen?

(Zu weiteren Tages-Gedanken)

08.02.2023 Die spinnen, die Menschen!

Foto von Kony Xyzx: https://www.pexels.com/de-de/foto/mann-in-der-tarnjacke-die-auf-grunem-grasfeld-liegt-3706659/

Vielleicht wiederhole ich mich ja…

Gestern kamen in den Nachrichten zwei Meldungen direkt hintereinander. In der ersten wurde über das Anlaufen der internationalen Hilfsaktionen für die Erdbebenregion berichtet. Spezialisten und trainierte Hunde begeben sich in einen dramatischen Kampf gegen die Uhr – um möglichst noch ein paar wenige Überlebende aus den tonnenschweren Trümmern zu ziehen. Die Opferzahlen steigen stündlich – jedes noch gerettete Leben wird gefeiert.

Danach kam dann die Information, dass bei besonders schweren Kämpfen im Osten der Ukraine vermutlich insgesamt über 1000 Soldaten ums Leben gekommen sind (zuzüglich der Verletzten natürlich).
Diese Menschen (die übrigens ähnlich leiden bzw. gelitten haben wie Erdbebenopfer) hätten nicht mit schwerem Gerät gerettet werden müssen – sie hätten einfach nur zu Hause bleiben können. Beispielsweise in Russland.

Eine verrückte Welt…

(Zu weiteren Tages-Gedanken)

07.02.2023 Auto-Berlin

Foto von Niki Nagy: https://www.pexels.com/de-de/foto/mann-im-schwarzen-hoodie-reittrike-1128419/

“Schlimmer geht’s nimmer”!
Der Wahlkampf der Wiederholungswahl in Berlin geht in die letzte Runde. Gegen zwei profilierte Frauen (ROT und GRÜN) kämpft sich jetzt ein besonders konservativer CDU-Mann in den Vordergrund.
Eines seiner Hauptthemen: Etwas für die Autofahrer tun!

Nun gibt es in einer dichtbesiedelten Metropole wie Berlin kaum ein abwegigeres Ziel als das Umdrehen der Verkehrswende in Richtung Individualverkehr. Das soll das Zukunftskonzept für unsere Hauptstadt sein?
Armselig!

(Zu weiteren Tages-Gedanken)

06.02.2023 Natur-Katastrophen…

Foto von Sanej Prasad Suwal: https://www.pexels.com/de-de/foto/schwarz-und-weiss-menschen-gebaude-kaputt-7806175/

So ein heftiges Erdbeben – wie heute in der Türkei und Nordsyrien – löst Bestürzung und Mitgefühl aus, bei vielen auch eine Bereitschaft, aktiv Solidarität zu zeigen.

Die Bilder der zerstörten Gebäude wecken Assoziationen mit den täglichen Nachrichten aus der Ukraine und werfen eine Frage auf: Ist es nicht ein Wahnsinn, dass uns Leid und Elend auf der einen Seite so anrühren, wir auf der anderen Seite immer noch nicht verhindern können, das ein ähnlicher Schrecken vor unseren Augen menschengemacht und gewollt stattfindet.
Dabei brauchten wir doch alle Kräfte, um den unvermeidlichen Naturkatastrophen und dem selbst verursachten Klimawandel gerecht zu werden.

(Zu weiteren Tages-Gedanken)

05.02.2023 Die Zeiten ändern sich…

Foto von JÉSHOOTS: https://www.pexels.com/de-de/foto/person-mit-sony-ps4-dualshock-4-21067/

Manchmal sind es ganz unspektakuläre Dinge, die einem langsam älter werdenden Menschen damit konfrontieren, dass die eigenen inneren Bilder nicht mehr mit der veränderten Realität übereinstimmen.

Ein Beispiel dafür sind Beitrage in “seriösen” Magazinen (wie ZEIT oder SPIEGEL), in denen eigene Journalisten oder Redakteure über selbst gemachte Erfahrungen berichten.
Das wäre erstmal nichts Besonderes.
Irritierend erscheint mir aber, dass dort plötzlich über das suchtartige Umgehen mit Tinder-Dating, einen ungebremsten Konsumrausch, ein Gaming-Marathon oder exzessiven Gebrauch von Genuss- bzw. Suchtmitteln in einer Club-Nacht berichtet wird – und zwar aus der Innenperspektive.
Ich stutze dann, weil mir eine (vermutlich uralte) innere Stimme sagt: “Wie bitte? Wie kann dieser Mensch so abstruse und unvernünftige Dinge tun oder erleben – und gleichzeitig erwarten, dass man ihn in seiner professionellen Rolle als Teil des Qualitäts-Journalismus akzeptiert? Wo bleibt die Seriosität? Das sind ja noch halbe Kinder!”

Ja, die Welt verändert sich. Die über Jahrzehnte aufgebauten Gewissheiten tragen nicht mehr zuverlässig.
Will man diese Veränderungen wirklich? Vermutlich nicht!
Muss der Journalismus sich an die neuen Zielgruppen anpassen? Vermutlich ja!

Also bleibt nur die Verwunderung…

(Zu weiteren Tages-Gedanken)

04.02.2023 “Sexuelle Identität” ins Grundgesetz

Foto von Alexander Grey: https://www.pexels.com/de-de/foto/person-mit-korperbemalung-1209843/

Im Grundgesetz werden die Gruppen aufgezählt, die in besonderer Weise vor Diskriminierung geschützt werden sollen. Zur Zeit läuft eine Initiative, hier auch die “sexuelle Identität” mit aufzunehmen – also die Menschen, die sich selbst nicht mit ihrem biologischen Geschlecht identifizieren können bzw. wollen.

Gegen diesen Schritt wäre natürlich überhaupt nichts einzuwenden. Jede gefährdete Minderheit sollte einen solchen Schutz genießen.

Aus meiner Sicht sollte daraus aber nicht abgeleitet werden, dass queeren Menschen der LBJTQ+-Community auch das Recht zuteil wird, der restlichen cis-Gesellschaft ihre Definition vom “zugewiesenen Geschlecht” überzustülpen. Die subjektiv erlebte Unvereinbarkeit der eigenen Identität mit dem biologischen Geschlecht ist nicht genauso selbstverständlich und “normal” wie die üblicherweise vorhandene Übereinstimmung. Es ist eine Besonderheit, die nicht zu einer Benachteiligung führen darf.
Das kann und soll gerne auch im GG markiert werden.

(Zu weiteren Tages-Gedanken)

03.02.2023 Moderator und Aktivistin

Stefan Müller (climate stuff, 1 Mio views) from Germany, CC BY 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by/2.0, via Wikimedia Commons

Manche Dinge glaubt man nicht.

Da wird in Deutschland ernsthaft darüber diskutiert, ob ein Moderator im öffentlich-rechtlichen Fernsehen (Louis Klamroth) eine Talkshow moderieren kann/darf, wenn er privat mit einer bekannten Klima-Aktivistin liiert ist.
Man verliert also seine journalistische Kompetenz und Unabhängigkeit, wenn man eine/n Partner/in mit einer öffentlich bekannten Position zu politischen oder gesellschaftlichen Fragen hat?!

Manchmal dreht es tatsächlich ein wenig ab – im Land der schnellen Aufregung…

(Zu weiteren Tages-Gedanken)

02.02.2023 Biologie und Spielzeug

Foto von Pixabay: https://www.pexels.com/de-de/foto/junge-im-weissen-tragershirt-das-tagsuber-blauen-coupe-druckguss-nahe-braunem-holzernem-bankstuhl-spielt-163768/

Es gibt noch Hoffnung!
Bei ZEIT-online erschien heute ein Artikel über den Zusammenhang zwischen biologischem Geschlecht von Kindern und die Vorliebe für bestimmtes Spielzeug. Man traut sich also über Studien zu berichten, die das eindrucksvoll nachgewiesen haben. Übrigens in verschiedensten Kulturen – und sogar in Experimenten mit Affenkindern.
Ja, es geht tatsächlich um Puppen und Autos.
Ob das die Gender-AktivistInnen ertragen können…

Ich werde die Kommentare mal beobachten.

(Übrigens: Diese Untersuchungen werden in diesem Buch ausführlich geschildert.)

(Zu weiteren Tages-Gedanken)