Organspende und Jens Spahn

Ich bin nicht gerade ein Fan von Jens Spahn. Die Art, in der er sich als Gegenfigur zur eher liberalen Merkel-CDU in Stellung gebracht hat, war mir nicht sympathisch. Ich verfolge aber mit Interesse seine Bemühungen, sich im schwierigen Gelände des Gesundheits-Dschungels zurechtzufinden und erste Zeichen (z.B. bei der Pflege) zu setzen.

Seinen Vorstoß für eine Neuregelung der rechtlichen Bedingungen für Organspenden finde ich mutig und begrüßenswert. Hier setzt sich offenbar jemand für ein Thema ein, das dringend eine sachgerechte Lösung benötigt, bei dem man sich aber nicht nur Freunde macht. Das Thema ist kontrovers und wird hoch-emotional diskutiert.

Meine Meinung zu diesem Thema war schon immer eindeutig: Die Möglichkeit, durch Organtransplantationen Leiden zu vermindern und Leben zu retten wiegen eindeutig schwerer als alle vorstellbaren Bedenken.

Ich will an dieser Stelle nicht die gesamte inhaltliche Diskussion wiedergeben; das kann man bei Bedarf überall nachlesen. Es geht mir um die Gewichtung.
Es gab in dem Transplantations-System ganz offensichtlich Schwächen, Fehler, Missbrauch und sogar kriminelle Machenschaften. So wie übrigens überall in der Medizin und der Psychotherapie, der Pädagogik, der ….
Auch steht ohne Zweifel fest, dass man bei Fragen um Leben und Tod etwas genauer hinschauen möchte und keine Hau-Ruck-Lösungen akzeptiert.
Aber all das ist zu vernachlässigen gegenüber der realen und konkreten Chance, Tausende von Leben zu retten, jedes Jahr.

Vielleicht sollte man sich mal zum Vergleich kurz daran vor Augen führen, wie viel uns offenbar einzelne Menschenleben wert sind, wenn ein paar Jungs in einer thailändischen Höhle eingeschlossen sind, ein Terrorist in Barcelona in eine Menschengruppe rast oder ein Mann in Chemnitz von zwei Ausländern ermordet wird.
Ich will das nicht kritisieren oder relativieren – aus meiner Sicht kann man einem einzelnen Menschenleben gar nicht genug Bedeutung beimessen.
Ich frage nur: Warum kann man nicht mit einem ähnlichen Mitgefühl und einer vergleichbaren Prioritätensetzung einen Rahmen dafür schaffen, Menschen eine Chance auf Weiterleben zu geben, die nichts anderes benötigen als ein Organ eines Toten?

Wer sich aus religiösen oder sonstigen Gründen – z.B. weil er sich nicht der Definition des “Hirntodes” ausliefern will oder das Prinzip der Selbstbestimmung bis in Tod zelebrieren möchte  – dieser menschlichen Solidarität verweigern will, der wird ja das Recht dazu haben (ob er trotzdem als Empfänger für ein Spenderorgan in Frage kommen sollte, könnte man diskutieren).
Aber unsere Gesellschaft darf und müsste doch ein Interesse daran haben, es als “Normalfall” zu betrachten, dass Organe genutzt werden dürfen – unter all den vorgeschlagenen Rahmenbedingungen.

Es geht wohl letztlich – ähnlich wie bei dem Thema des Sozialen Pflichtjahres – um das Verhältnis zwischen der Freiheit des Individuums und den Interessen der Gemeinschaft, in der und durch die der Einzelne erst all diese Möglichkeiten und Privilegien erwerben und entfalten konnte, die er dann oft so selbstgewiss gegen jeden Anspruch auf Solidarität verteidigen will.

Für diese Zusammenhänge (wieder?) ein stärkeres Empfinden zu entwickeln, sehe ich als eine der dringendsten Aufgaben der nächsten Jahre an. Auch für die Hass- und Wutbürger, die in unserem System nur noch als eine Ansammlung von Ausbeutung und Bösartigkeit sehen können.

Herrn Spahn wünsche ich jedenfalls  in dieser Sache viel Erfolg und wünsche mir mehr Politiker, die sich zugunsten des Gemeinwohls auch mal aus der Deckung wagen.

“Liebe Sachsen” von SILVIA

Liebe Sachsen,

dies ist ein Brief an Euch, die wir uns nicht kennen und er entspringt meinem Bedürfnis verstehen zu wollen, was in eurem doch so wunderschönen Bundesland passiert.

Aber ich beginne von vorne. Elf Jahre habe ich im Ausland gelebt und nun beschlossen, wieder zurück nach Deutschland zu gehen. Meine Wahl  fiel auf Sachsen. Vor einigen Tagen, ich befand mich auf einem Grillfest von deutschen Einwanderern, kam nun dieser, mein  Wunsch und meine Planung in der gutgelaunten und fröhlichen, Würstchen verspeisenden Runde, zur Sprache. Die Reaktion der Anwesenden verschlug mir erstmal dieselbe. „Wie kannst du dahin ziehen wollen, da leben doch die Rechten, die Faschos.“ war einer der nettesten Kommentare, weil er zumindest die Möglichkeit beinhaltete zu antworten. Ihnen zu erzählen, dass mich mit Sachsen nicht nur die Tatsache verbindet, dass meine Kinder dort ein zuhause gefunden haben und dass ich als Jugendliche aus dem Westen viele Reisen in dieses Bundesland machen durfte und es mir vertraut scheint.

All dies fand  kein Gehör, mit dem die Skepsis und die Ablehnung meiner Zuhörer überwunden werden konnten.

Oh ja, die Ossis und die Wessis. Ich kann mich noch sehr gut an den Tag erinnern, als ich gebannt vor dem Fernseher saß, die Berichterstattung über die Öffnung der Grenze verfolgte und dann wie viele andere auf den Marktplatz von Lübeck eilte, auf dem sich schon eine ungemein große Zahl von Menschen versammelt hatten. Menschen aus dem Osten und Menschen aus dem Westen. Deutschland war wieder vereint. Ich kann mich aber auch sehr gut daran erinnern, wie ich Tage später skeptisch den Versprechungen lauschte, in denen Herr Kohl blühende Landschaften versprach, wie ich fassungslos miterlebte, dass die Menschen, die in Massen in Lübeck anscheinend völlig  berauscht vor den Läden standen, die Markenjeans für unsere „Brüder und Schwestern aus den alten Bundesländern“ zu Spottpreisen anboten und sie dann in einen Kaufrausch verfielen. Für mich gab es einiges, das sie aus ihrem bisherigen Leben stolz hätten präsentieren können. Aber das taten sie nicht. Der Westen versprach das Paradies, der Osten übergab sich und seine bisherigen Werte ohne Wenn und Aber den Versprechen aus dem Westfernsehen.

Leise Zweifel überkamen mich, schon damals. Diese friedliche Revolution. Warum  hatte sie stattgefunden? Reisefreiheit, keine Bespitzelungen mehr, keine Unterdrückung durch eine festgefahrene, verrostete, sozialistische Führungsriege, die Gedankenfreiheit einschränkte und vorgab, was richtig oder falsch war. Und jetzt? Waren meine Zweifel berechtigt? Ging es nicht wirklich darum eine Demokratie leben zu wollen, Eigenverantwortung zu übernehmen und als freier Staatsbürger nicht mehr alleine Die Politiker für das eigene Leben in die Pflicht zu nehmen.

Sachsen war einmal ein Land, das lange vor unserer Gegenwart  Fremden erfolgreich ermöglichte, sich zu integrieren, es war ein tolerantes Land, in dem sich Kultur und Kunst frei entfalten konnten. Lange vor unserer Zeit, das stimmt. Wie kann es sein, dass gerade in Sachsen so viele Menschen leben, die anscheinend wissen, wogegen sie kämpfen, aber nicht wissen, wie sich Hass in der Sprache und in den Gedanken verselbständig. Er wird zum Aushängeschild für eine Welt wird, in der man nicht mehr kritisch betrachten kann, wer man ist, sondern nur noch darüber spricht, wen man ausgrenzt und wen man verachtet.

Ich glaube zu verstehen, dass Ihr  Euch verraten fühlt. So viele Versprechungen und so viel Ernüchterung. Was bleibt, ist der Blick in die Vergangenheit, in der, ähnlich wie heute, die „Mächtigen“ Eure Gegner waren, Ihr aber eingebettet in einen menschlichen Zusammenhalt Euch geborgen fühlen konntet. Später dann musstet Ihr erfahren, dass dieses Gefühl in der Gemeinschaft oft auf einer Lüge aufgebaut war, aber die Sehnsucht danach ist geblieben. Welche Heimat wünscht Ihr Euch? Ich bin stolz auf dieses Land Deutschland. Vergleiche ich es mit anderen Ländern, so erlebe ich, dass es uns in Deutschland gelungen ist, aus der Vergangenheit zu lernen und wir das Wissen um die Zerbrechlichkeit von Frieden und Rechtsstaatlichkeit genutzt haben, eine funktionierende Demokratie aufzubauen. Das war nicht leicht und ist weiterhin eine Herausforderung, wenn wir diese erhalten wollen. Wenn ich nun lese, dass die AFD bei er nächsten Wahl die stärkste Kraft in Sachsen werden könnte, fällt es mir zum einen schwer, dem Vorwurf, dass „die Sachsen“ Menschen mit rechtsradikalen, ja faschistischen Gedanken und Zielen sind, zu widersprechen, zum anderen kann und mag ich nicht glauben, dass „Wir sind das Volk“ bedeutet, dass Ihr Euch erneut einem System von Ausgrenzung, Intoleranz und Verachtung unterordnen wollt.

Gut oder Böse als Maßstab für Entscheidungen? Emotionen statt Sachwissen? Wisst Ihr, dass Mitglieder dieser Partei am 26.Juni dieses Jahres Journalisten, die vom Kyffhäusertreffen berichten wollten, als „Bazille, „dreckige Fotze“ beschimpft haben? (Artikel von Boris Rosenkranz) Dies ist nur ein Beispiel von vielen, in denen man doch wahrlich ins Grübeln kommen könnte, wem man da vertraut.

Liebe Sachsen, ich möchte weiterhin in Euer schönes Bundesland ziehen. Ich bin überzeugt davon, dass unabhängig von dem prognostizierten Wahlergebnis den größten Teil der Menschen die Sehnsucht nach einem friedlichen Miteinander vereint. Und daher freue mich darauf, auf der Straße, in den Kneipen und beim Metzger über notwendige Verbesserungen  und die Gestaltung unserer Welt zu diskutieren. Für uns und unsere Kinder.

“Fräulein E.” von SILVIA

Fräulein E.

Vor einiger Zeit begann ich damit, meine Habseligkeiten darauf zu überprüfen, ob sie im Falle meines Ablebens für die Nachwelt von Interesse sein könnten. Mit kritischem Blick durchforstete ich meine geliebten Staubfänger. Was würde wohl mit meinem kleinen Holzelefanten passieren, der ohne Stoßzähne, aber innig geliebt, für das Glück in meinem Universum sorgt. Diese Frage kann ich mir durchaus realistisch, aber mit Bauchgrimmen, beantworten. Er würde in einem Müllsack landen und verzweifelt darüber nachsinnen, ob er seiner Aufgabe nicht gerecht wurde. Da dies Ereignis ihn nach meinem Ablehnen treffen wird, könnte man etwas zynisch sagen, dass er tatsächlich versagt hat und sein Schicksal somit durchaus verdient hat. Vielleicht sollte ich aber fürsorglicher Weise, ihm bereits zuvor ein angemessenes Begräbnis zukommen lassen?
Sie fragen sich nun, wie man auf derartige schräge Gedanken kommen kann und diese nun auch noch zu Papier bringt. Dass mir derartige Überlegungen nicht fremd sind, könnte ich zu einem späteren Zeitpunkt noch aufklären, dass ich nun darüber schreibe, hat etwas mit einem mich berührenden Ereignis am gestrigen Vormittag zu tun.
Auf einem Flohmarkt erstand ich eine braune Wildledermappe. Der Betrag von nur einem Euro, den ich dafür hinterlassen musste, gab mir das Gefühl, mal wieder meine Schnäppchenseele liebevoll gestreichelt zu haben. Kurze Zeit später, genussvoll einen Kaffee schlürfend, öffnete ich diese Mappe und fand zu meiner Überraschung sorgfältig sortierte Papiere eines gewissen Fräuleins Karin E. aus den 60iger Jahren. Sie hatte sich als Fremdsprachensekretärin beworben, die Stelle bekommen, Karriere gemacht und dann, mit einem hervorragend Zeugnis bedacht, gekündigt. Das alles geschah in Frankfurt, ich aber saß mit diesen Unterlagen nun in Spanien in einer Bar. Welch eine merkwürdige Begegnung mit einem mir fremden Menschen, dachte ich, und Ratlosigkeit bemächtigte sich meiner Gedanken und meiner Fantasien.
Um diese, meine Fantasie, in geordnete Bahnen zu lenken, begann ich dem Fräulein E. eine Geschichte zuzuordnen. Die Tatsache, dass nun diese Dokumentenmappe vor mir lag und das Geburtsdatum von Fräulein E. ließen mich vermuten, dass diese gestorben sei. Wie aber kamen die Unterlagen von Frankfurt nach Spanien auf einen Flohmarkt? Sie war Fremdsprachensekretärin. Vielleicht war sie ausgewandert? Fräulein E. hatte gekündigt, als sie 28 Jahre alt war. Jetzt war ich sicher, sie hatte sich verliebt und geheiratet. Vielleicht einen Spanier? Abgesehen von diesen fantastischen Spielereien hatte ich eindeutig das Problem, dass ich bei der Vorstellung, die Papiere in einem Müllcontainer zu entsorgen, einen deutlichen Widerwillen verspürte. Nachdenklich packte ich erstmal alles zu meinen sonstigen Flohmarktschätzen und fuhr später gemeinsam mit Fräulein E. nachhause.
Sorgfältig legte ich die Hinterlassenschaft meiner neuen Bekannten neben den Computer in die Ablage, als mir der Gedanke kam, dass mir die ach so moderne Technik ja die Möglichkeit eröffnete, ganz distanzlos auf die Suche nach ihr zu gehen. Und siehe da, ich fand diesen Menschen, mit dem mich mittlerweile eine irrationale Beziehung verband. Sie war tatsächlich gestorben. Karin, bei unserem Vertrautheitsgrad nahm ich mir ungefragt das Recht heraus, ihr das Du anzubieten, hatte in Meran gelebt. Sie war verheiratet, hatte Kinder und Enkelkinder und gemeinsam mit ihrem Mann besaß sie eine Pension. Auch ein Foto fand ich und konnte nun dem Namen ein Gesicht zuordnen. Darauf wirkte Karin freundlich, gut frisiert und zufrieden.
Während der Betrachtung meldeten sich erste, leise Zweifel. Sie nun seelentechnisch in meiner eher unordentlichen und chaotischen Welt zu beherbergen, könnte durchaus konfliktreich für uns sein. Zu meinem Chaos gehört jedoch eine gewisse Portion Toleranz. Ihr zu Liebe würde ich nun meinen Schreibtisch aufräumen. Das tat ich. Als mir dabei mein kleiner Glückselefant ohne Stoßzähne in die Hände  fiel, staubte ich ihn liebevoll ab und erklärte ihm, dass ich ihn auf keinen Fall zu Lebzeiten entsorgen würde. Aber ich hoffe, dass ihm ein Schicksal bestimmt sein wird, das seinen Taten entspricht. Er könnte mir zum Beispiel zu einer guten Eingebung verhelfen, wie ich mich respektvoll und ohne Karin zu verärgern, von ihr verabschieden kann. Noch warte ich auf eine Antwort, aber ich bin sicher, er wird sie mir geben.

Was passiert gerade in und mit unserem Land?

Man traut seinen Augen und Ohren nicht!

Auf einmal steht alles zur Disposition: Die mühsam gebildete Regierung, die gewohnt Parteien-Landschaft, die politische Stabilität in unserem vermeintlichen Muster-Land.
Welches Unheil ist über uns hereingebrochen?  Ein kriegerischer Akt mitten in Europa? Eine Seuche ohne Gegenmittel? Eine Naturkatastrophe ungeahnten Ausmaßes?

Nein!
Die CSU will ein gutes Wahlergebnis in Bayern. Und dafür pokert sie mit einem unglaublich hohen Einsatz und nimmt dabei Kollateralschäden in Kauf, die kaum abzuschätzen sind.

Wann ist zuletzt vergleichbar verantwortungslos mit unserem Gemeinwesen umgegangen worden? Ich kenne die Antwort nicht – obwohl ich nun inzwischen weit  über 40 Jahre einigermaßen bewusst die politische Entwicklung verfolge.

Ich bin der letzte, der behaupten würde, dass bzgl. des Asyl- und Flüchtlingsproblems keinen Handlungsbedarf gäbe. Ich würde sogar soweit gehen, dass auch manche Postionen der CSU mit einer gewissen Logik behaftet sind.
Aber es besteht in keinster Weise eine akute Not- oder Ausnahmesituation, die es rechtfertigen würde, mutwillig eine Regierungskrise, mögliche Neuwahlen mit unkalkulierbaren Ergebnissen und eine dramatische Schwächung der deutschen Rolle in Europa herbeizuführen  – oder auch nur damit so unverfroren zu drohen.

Wir müssen im Moment zuschauen, wie man mit Dingen spielt, um die uns viele Menschen in Europa und weltweit beneiden. Es werden leichtfertig Berechenbarkeit und Stabilität unseres Landes als Zocker-Einsatz benutzt.
Wir sollten uns merken, wer das tut.
Es sind jedenfalls nicht die oft zitierten linken oder grünen Spinner!

 

Asyl- und Flüchtlingspolitik im Sommer 2018

Man hatte geglaubt, dass nach Wahlkampf und Regierungs-Bildungs-Marathon ein wenig Ruhe in dieses Thema kommt. Jetzt kocht es wieder hoch – so hoch, dass einige Beobachter heute von einer Regierungskrise sprechen. Zumindest aber von einem einzigartigen Showdown zwischen Merkel und Seehofer.

Mich interessiert hier nicht der parteipolitische Aspekt. Natürlich geht es um die Bayern-Wahl und die potentiellen AfD-Wähler. Mich interessiert das Grundsätzliche: Warum treibt die Leute das Thema so um, dass darauf riesige politische Suppen gekocht werden können?

Es geht hier um ein vermintes Gelände. Man kann schnell auf die falsche Seite geraten; vernichtende Urteile sind rasch gefällt. Man verteidigt schließlich  Prinzipien und heere Grundsätze, die emotional verankert sind.
Deshalb eine Vorbemerkung: Ich bin ein solidarischer und mitfühlender Mensch. Ich möchte, dass die reichen Länder dieser Welt erheblich mehr Verantwortung für die Krisen und Nöte auf diesem Planeten übernehmen. Ich bin dafür, dass dafür auch Reichtum und Wohlstand umverteilt wird. Ich bin Lichtjahre entfernt von einem “Deutschland zuerst”. Ich will, dass Menschen in akuter Not so gut wie möglich geholfen wird.
Auf dieser Basis bitte ich die folgenden Ausführungen zu bewerten.

Was ich merke, ist eine zunehmende Diskrepanz zwischen idealistischen Maximalforderungen und ausgeklügelten formaljuristischen Regelungen auf der einen Seite und dem Gerechtigkeitsempfinden bzw. dem “gesunden Menschenverstand” von normalen Menschen auf der anderen Seite.
Auf Unverständnis stoßen z.B. Regelungen und Diskussionen zu folgenden Punkten:

  • Warum muss eine Nothilfe für drangsalierte Menschen darin bestehen, dass man diese gleich möglichst vollständig und perspektivisch dauerhaft in eine weit entfernte, unbekannte und sehr viel wohlhabendere Gesellschaft integriert?
  • Warum wird zunächst so getan, als ob man die Hilfestellung für eine unbegrenzte Anzahl von Menschen leisten könnte – wo sich doch jeder ausrechnen kann, dass nicht alle in Frage kommenden Anwärter auf diesem chaotischen Planeten  in unser Land passen würden?
  • Warum werden nahezu alle Versuche, Abläufe und Verfahrensweisen zu vereinfachen und damit handhabbarer zu machen, mit allen Verästelungen des deutschen Rechtssystems zu verhindern versucht? Ist es nicht z.B. tatsächlich völlig absurd, bei der Klärung der Herkunft von Menschen, die ihre behauptete Herkunft nicht nachweisen können, das Auslesen ihrer Handys aus Datenschutzgründen zu verbieten?

Das soll reichen. Es geht mir nicht um die Einzelfragen. Ich möchte mich den Grundwidersprüchen nähern. Weil in diesen Widersprüchen die Antwort darauf lauert, warum die Asyl- und Flüchtlingsfrage unser Land spaltet.
Zwei Beispiele:

Grundwiderspruch I:
Während wir auf der einen Seite permanent so tun, als ginge uns der Rest der Welt kaum etwas an, wenden wir auf die paar Menschen, die es bis nach Deutschland geschafft haben die volle Wucht des deutschen Systems an. Mit allen Detailregelungen und rechtlichen Finessen.
Statt mit Hilfe eines gerechteren Handelssystems oder einer massiven Ausweitung von Entwicklungsprojekten die Lebensgrundlage von Millionen Menschen in ihrer Heimat zu verbessern, stellen wir für diejenigen, die sich durchgeschlagen haben (sicher oft nicht die Ärmsten und Schwächsten) zuhauf Lehrer und Sozialarbeiter und Sicherheitskräfte ein.

Grundwiderspruch II:
Weil wir dann irgendwann merken, dass wir das Problem mengenmäßig nicht in den Griff bekommen, sourcen wir die unschönen Begrenzungsmaßnahmen aus, damit wir hier vor Ort den Schein der Prinzipientreue und Rechtsstaatlichkeit wahren können. So werden auf der einen Seite  – letztlich auch in unserem Auftrag – Menschen unter unwürdigsten Bedingungen an der Weiterflucht gehindert, während sich im “perfekten” Deutschland Hunderttausende Verwaltungsgerichtsverfahren türmen und alle möglichen Ausnahmegründe dafür sorgen, dass auch abgelehnte Bewerber nicht abgeschoben werden können.

Natürlich habe ich keine fertigen Lösung für diese und andere Widersprüche. Ich glaube nur, dass es gut wäre, sie ohne die bisherigen Tabus und Denkverbote zu diskutieren.
Warum ist das so schwierig?
Weil die Sachfragen längst für prinzipielle Auseinandersetzungen stehen!

Ein Gedankenspiel: Stellt euch vor, die unterschiedlichen Vorschläge zum Umgang mit Asylanten und Flüchtlingen würden völlig losgelöst von grundsätzlichen politischen Ausrichtungen ganz pragmatisch diskutiert. Man würde sich schlichtweg fragen, wie man mit  – gerne großzügig – eingesetzten Mitteln den größten Output erreicht, wie man falsche Anreize verhindert und sich für alle nachvollziehbar auf die Linderung der existenziellen Nöte (Leib und Leben) konzentriert.
Stellt euch vor, bestimmte Positionen würden dabei nicht von Gruppen vertreten, die sowieso ein unsolidarisches, nationalistisches und/oder fremdenfeindlich-rassistisches Weltbild vertreten. Und die Gegenposition würde nicht von Menschen vertreten, die sympathisch, mitfühlend, weltoffen und auf der Suche nach einer gerechteren Welt sind.
Würde man dann wirklich lange darüber diskutieren, ob Sachleistungen für Menschen, deren Überleben man sichern will, irgendwie diskriminierend oder gar menschenunwürdig sind? Müsste man darüber streiten, ob eine medizinische Feststellung des Lebensalters die Persönlichkeitsrechte von vermeintlich Minderjährigen verletzt?

Was ich sagen will: Wir graben uns in unseren Positionen fest, weil wir nicht wollen, dass die “anderen” sich durchsetzen. Wir wollen die Wut, die Intoleranz, den Hass der Rechten nicht. Also müssen wir uns vermeintlich auf die anderen Seite schlagen und fordern dann im Extremfall  “offene Grenzen für alle” – wie die Linken zuletzt. Da könnte man auch gleich Eintrittserklärungen für die AfD verteilen…

Wir haben ein schlechtes Gewissen angesichts der schreienden Ungerechtigkeiten der Welt, in der es uns so unglaublich gut geht; wir wollen die Guten sein – jetzt, wo die Hilfsbedürftigen auf einmal vor Ort sind. Das ist alles verständlich und legitim.
Es ist nur ein Problem, dass die Leute, die  – aus nachvollziehbaren Gründen – auf die Widersprüche, Grenzen und Risiken hinweisen, sich lange nur bei den Krakelern und Deutschtümlern gehört gefühlt haben. Offensichtlich nehmen viele irgendwann eher Hass und Gewaltbereitschaft in Kauf als sich weiter durch eine wohlmeinende Beschwichtigungsrhetorik einlullen zu lassen.

Wir müssen die “Vernünftigen” aus diesem inhumanen Milieu zurückholen. Wir müssen breit darüber diskutieren, welche “unverrückbaren” Prinzipien angesichts der Realitäten der Welt vielleicht auch aufgegeben werden müssen.
Vielleicht muss man in einer Welt, in der viele Millionen von Menschen formal einen Rechtsanspruch auf Asyl in Deutschland hätten, andere Formen der Solidarität und Menschlichkeit finden als genau diesen individuellen Rechtsanspruch in der jetzigen Ausgestaltung. Ich weiß es nicht. Ich frage nur.
(Bevor es jemand anmerkt: Ich kenne auch den geschichtlichen Hintergrund.)

Ich will nicht weniger tun, sondern mehr! Ich merke nur, dass wir uns im Klein-Klein verlieren. Ich glaube nicht daran, dass es ein großer Fortschritt sein wird, wenn jetzt nicht Seehofer sondern Merkel diesen aktuellen Machtkampf gewinnt (und ein paar Leute erstmal über die Grenzen gelassen werden, um dann nach einem rechtsstaatlichen Verfahren doch gehen zu müssen).

Wir müssen viel grundsätzlicher über unsere Ziele und die besten Methoden diskutieren. Wir sind ein reiches Land. Wir können deutlich mehr geben. Aber wie können nicht die ganze Welt retten.
Aber das, was wir tun, sollte effizient und nachhaltig sein – und nicht irgendeiner unrealistischen “reinen Lehre” dienen – mit dem Ergebnis, dass die AfD dann bald bundesweit über 20% kommt.

“Ja, das Leben ist ungerecht” von SILVIA

Ja, das Leben ist ungerecht.

Ja, es gibt Menschen, die haben viel Geld und Menschen, die haben wenig Geld.

Manchmal fühlen wir uns gut und manchmal schlecht. Wir denken, wir haben keine Chancen gehabt und werden keine haben.

Ja, es gibt Menschen, die haben viel Macht und Menschen, die haben wenig Macht. Stopp!!!

Ihr habt doch gar nichts dagegen, dass es Menschen gibt, die viel Macht haben.  Aber welchen Menschen wollt ihr diese Macht geben? Genau, es sind Menschen, die euch sagen, dass ihr wichtig seid, auch ohne Geld und ohne den Glauben an eine Perspektive.  Menschen, die eure Ratlosigkeit in Wut verwandeln, die euch sagen, dass jeder von euch das Recht hat, sich zu wehren.  Das fühlt sich gut an, oder? Schaut ihr auch hin, welche Ideen diese Menschen euch vermitteln, wie ihr etwas verändern könnt? Sie scheinen euch ernst zu nehmen, nicht wahr? Sie benutzen Worte, die ihr versteht. Sie sagen euch, dass ihr euch wehren müsst und könnt.  Und da ist auf einmal das Gefühl, dass ihr nicht mehr alleine seid. Gemeinsam sind wir stark, sagt ihr. Das stimmt und das fühlt sich gut an. „Ich zuerst“ wird zum „wir zuerst“ und damit begebt ihr euch auf einen Weg in den Kampf.  Aber sagt mir, wann in eurem Leben hat ein solcher Kampf dazu geführt, dass sich die Situation für alle verbessert hat? Es gab Sieger und Verlierer. Mit etwas Glück gehörte man zu den Siegern, zumindest für den Moment.

Immer mehr Menschen auf dieser Welt glauben, dass es sie stark und groß macht, wenn sie gegen etwas sind und für sich selber kämpfen. Das ist nicht neu und war schon oft der Antrieb für Veränderungen. Aber, zumindest für die Zeit, die ich bisher hier auf dieser Erde verbracht habe, ist es neu, dass so viele Menschen das Ziel haben, zu zerstören. Dass so viele Menschen glauben, dass es der richtige Weg für sie ist, wenn sie „starken“ Führern folgen, die ihnen versprechen, dass alles besser wird, wenn sie nur egoistischer werden. Auch ich kenne das ICH und das WIR.  Aber in meinem Leben gab es immer nur eine gutes Ende in einem Streit oder einem Konflikt, wenn  mein ICH ein WIR wollte und nicht, wenn ich sagte oder dachte, dass mein ICH am Wichtigsten ist.

Ich bin mir sicher, diese Erfahrung kennt ihr auch. Es ist ein Weg, der schwieriger, mühsamer und langwieriger ist, aber es hat sich immer gelohnt. Verbitterung, Hass, Rache und das Bedürfnis nach Macht und Sieg sind schlechte Zutaten für ein friedvolles und menschliches Miteinander. Ich habe mich nie nach einer machtvollen Position gesehnt. Aber ich war auch nie still und untätig.  Aber wir brauchen Menschen, die machtvolle Positionen besetzen. Lass uns genau hinschauen, was sie vertreten. Welche Ideen  und Werte haben diese Menschen? Wollen sie uns benutzen  und wofür?

Ich wünsche mir, dass die Menschen auf ihre Kinder schauen. Was wünschen wir uns für unsere Kinder?

Ich möchte, dass sie in Frieden aufwachsen und leben können. Ich möchte, dass sie in uns ein Vorbild haben in ihrer Suche nach Glück und Zufriedenheit. Dass sie lernen, dass man Lösungen finden kann, wenn man Respekt und Achtung vor dem Problem und den anderen Menschen hat.  Ich möchte, dass ihre Neugier auf Wissen und das Leben lebendig bleiben darf.

Zurzeit sind die Konflikte auf dieser Welt für mich oftmals unüberschaubar und ich habe das Gefühl, dass es immer gefährlicher wird. Ich denke, dass geht vielen Menschen so. Aber lass uns unsere Sehnsucht nach Gemeinschaft und Wohlfühlen ernst nehmen. Wenn wir unsere Werte ernst nehmen, dann können wir vielleicht sagen „Wir zuerst“ und andere einladen, gemeinsam für ein faires  und friedvolles Leben zu stehen.

Und unsere Kinder werden stolz auf uns sein.

“Downsizing” von Alexander Payne, mit Matt Damon

Ich ging völlig unvorbereitet in diesen Film, hatte nur die Vorinformation, dass es um die Idee gehen sollte, durch extreme Verkleinerung der Menschen u.a. die Ressourcen-Probleme unseres Planeten lösen zu wollen.
Mein Interesse galt somit sowohl dem Konzept, der darauf basierenden Handlung, als auch dessen filmtechnischer Umsetzung.

Leider wurde ich auf allen Ebenen enttäuscht.

Ich bin ja bereit, mich auf futuristisch-abgedrehte Fantasien einzulassen – auch dafür gibt es ja schließlich Kino. Wenn einem dann aber eine Geschichte vorgesetzt wird, die so zufällig, belanglos und willkürlich erscheint, wird es für mich schwierig. Ich fühlte mich nicht eingewoben in einen Handlungsablauf oder in eine Identifikation mit den Figuren, sondern stellte mir immer wieder die Frage: “Wie ist das jetzt gemeint?”
Soll das jetzt eine tiefgründige Geschichte mit einer echten Botschaft sein? Soll es eine bitterböse Satire werden? Oder tatsächlich ein ernstgemeinter Liebesfilm? Oder – was das Schlimmste wäre – wusste der Regisseur selbst nicht, was er da gerade anstellt?

Natürlich gab es einige Szenen, die von der aktuelle cineastischen Tricktechnik lebten. Gut gemacht – aber auch erwartungsgemäß und nicht gerade sensationell. Dafür gab es bei der Umsetzung der Miniaturisierung an anderen Stellen so eklatante Schwächen, dass man nur mit dem Kopf schütteln konnte.
Die mögliche ökologische Weltrettungsperspektive wurde so verkitscht, dass sie nur noch als Persiflage dienen konnte; ähnliches gilt für die Love-Story.

Für mich ein wirklich unausgegorener Film. Muss  man nicht gesehen haben; selbst wenn man ihn irgendwann im Fernseher geboten kriegen sollte.

War trotzdem ein schöner Abend…

Chaos bei der SPD – eine andere Perspektive

Natürlich: Es wurden Fehler gemacht – nicht zuletzt auch von Martin Schulz!
Was aber in den letzten Tagen und Stunden passiert ist, ist meiner Meinung nach nicht das Ergebnis solcher Fehler der Hauptakteure, sondern vorrangig die Folge einer gesellschaftlichen Negativ-Stimmung, die sich – nicht nur, aber auch – in der SPD breitgemacht hat.

Was will ich damit sagen:
Mir scheint es immer stärker darum zu gehen, sich an (vermeintlichen) Schwächen, Fehlern oder Widersprüchlichkeiten von Führungsfiguren  schonungslos abzuarbeiten. Es gibt ein extrem destruktives Vergnügen daran, Leitfiguren zu demontieren – im Extremfall solange und so gründlich, dass deren Laufbahn in Schutt und Asche liegt.
Es ist ein Spiel, das scheinbar alle höchst vergnüglich finden: die politischen Konkurrenten, die Parteibasis, die Medien und all die Privatleute, die in Gesprächen und Posts lustige oder wütende Beiträge machen und damit die Steigerungsspirale vorantreiben.

Es macht scheinbar unendlichen Spaß, Autoritäten zu kippen! Die Pubertät lässt grüßen! Die Folgen? Ist doch egal – Hauptsache es fühlt sich geil an oder es verschafft Aufmerksamkeit oder Quoten!

Ich würde gerne über die Folgen reden.
Ich bin z.B. stinksauer, dass gerade in wenigen Tagen zwei hoch kompetente potentielle Außenminister dieses Landes zerwurstet wurden. Ich wollte gerne, dass dieses Land – und Europa insgesamt – bestmöglich vertreten wird. Mir war letztlich egal, ob Schulz oder Gabriel das tun – wenn sie es nur endlich tun dürften.
Vielleicht war das Blitz-Gekungel zwischen Schulz und Nahles nicht der beste Stil – aber was hat man (als SPD)  bitte davon, wenn in dieser hoch-sensiblen Phase sofort wieder alles durch einen Proteststurm in Klump gehauen wird?
Man wirft den Handelnden ihre persönlichen Ambitionen vor – ich werfe denen, die auf jede denkbare Abweichung von ihrer Ideallinie mit wütendem Geheul reagieren, Verantwortungslosigkeit vor. Diese Art, mit Entscheidungen umzugehen, die einem selber nicht passen, drückt genau den Egoismus und Narzissmus aus, den man angeblich kritisieren will.

Das “Nein-Sagen”, die unerweichliche Ablehnung von Kompromissen, ist offenbar das Gebot der Stunde. Nur nichts zähneknirschend akzeptieren, weil es der Sache dienen könnte. Es gibt ja die “Reine Lehre”, es gibt ja eine frühere Festlegung, die man den Handelnden auf Lebenszeit vorhalten kann. Irgendwas findet man immer – und man sich daran hochziehen und sich von anderen dafür feiern lassen.
Nur wie soll in einem solchen Klima noch sinnvolles politisches Handeln möglich sein?

Das allgemeine Unbehagen an dem “Weiterwursteln” einer vermeintlich ausgelaugten GroKo ist mir nicht völlig fremd. Auch ich hätte mir angesichts der wirklich brennenden Themen und Probleme einen mutigeren und zukunftsweisenderen Aufbruch gewünscht. Ich finde es nur absolut unfair und extrem destruktiv, diesen Frust jetzt an den an verantwortlicher Stelle handelnden Politikern abzuladen. Die Wahl ist im September gelaufen – und im Februar ist man hochgradig frustriert, dass die SPD nicht alle ihre Vorstellungen durchsetzt! Das ist doch nicht mehr nachzuvollziehen! Das ist Kinderkram: “Ich will einen Lolli haben, und zwar den roten!”

Ich will, dass dieses Land regiert wird, und zwar von erfahrenen und kompetenten Leuten – auch wenn diese mal einen Looping vollziehen.

 

SPD

Langsam wird mir mulmig. Ein Gefühl der Sicherheit und Kalkulierbarkeit schwindet. Passiert da gerade etwas, was sich im Nachhinein als leichtfertiges aufs Spiel setzen einer geradezu beneidenswert stabilen politischen Grundsituation erweisen könnte? Verspielen wir da gerade den Grundstock unserer gesellschaftlichen Solidität?

Wer ist wir? In diesem Fall sind das Teile der SPD und die mit ihrer Zukunft angeblich wohlwollend befasste Meinung. Beide wollen die SPD “retten“ – aus einer vermeintlichen Falle, in der sie in der erneuten GroKo landen würde. Sie werden nicht müde, die Genossen aufzurütteln und zu ermutigen, sich diesem selbstzerstörerischen Joch nicht zu unterwerfen. Um ihre Seele und ihre Identität zu bewahren.

Die würde nämlich dadurch zerstört werden, dass wichtige Kernforderungen der SPD in dem Sondierungsergebnis nicht durchsetzbar waren.

 

Die Alternative?

In die Opposition gehen und dort mit neuer Parteiführung die unverfälschte sozialdemokratische Lehre neu definieren und lautstark vertreten.

 

Der Preis?

Nach der fälligen Neuwahl noch ein paar Prozente verlieren und in den nächsten vier Jahren gar keinen entscheidenden Einfluss auf die politische Entwicklung in Deutschland nehmen.

Allerdings ist das nur der SPD-interne Preis. Darüber hinaus zahlen wir alle einen noch nicht quantifizierbaren Preis: ein paar weitere Monaten Stillstand und Ungewissheit in Deutschland und Europa. Auch würde in der Bevölkerung das Gefühl zunehmen, dass unser demokratisches System und seine Politiker es irgendwie nicht hinbekommen. Die langfristigen Folgen dieser immer weniger diffusen Zweifel sind kaum abzuschätzen.

 

Geht es wirklich im Moment vorrangig um die Identität einer Partei?

GroKo 2018

Jetzt ist es also soweit: Jeder kann aus vollem Herzen seine Enttäuschung und seinen Frust auskippen über die “doofen” Politiker, die in der Sondierung mal wieder so ziemlich alles falsch gemacht haben. Natürlich bieten sich als Hauptopfer mal wieder die SPD und Martin Schulz an. Immer feste drauf…
Man kennt das jetzt schon seit vielen Monaten, eigentlich schon seit Jahren.

Obwohl ich einen nicht unbeträchtlichen Teil der Enttäuschung und Kritik teile (z.B. am verschobenen Kohleausstieg und an dem Ausbleiben eines höheren Spitzensteuersatzes), so kann ich doch all das aufgeregte Getöse nicht mehr gut ertragen.
Die Frage mag doch erlaubt sein: “Wer könnte es denn unter den gegebenen Umständen wirklich so viel besser?” Muss man den Menschen, die sich da einsetzen, wirklich immer wieder zum Vorwurf machen, dass aufgrund der Machtverhältnisse bestimmte Sachen nicht durchsetzbar sind?
Wie oft will man Schulz noch seine Redeausschnitte vorspielen, in denen er die GroKo ausgeschlossen hat? Welche politische Erkenntnis ist damit verbunden?

Ich hoffe darauf, dass der nachhaltige Nutzen nicht in irgendwelchen Wahlgeschenken liegt, sondern in einer Stärkung Europas. Ich kann mir sowohl Gabriel als auch Schulz als Außenminister vorstellen.

Natürlich fehlen mir die grünen Themen – aber soll ich deshalb jetzt vier Jahre lang so tun, als wären wir mit dieser Regierung dem Untergang geweiht?
Mehr war unter diesen Umständen nicht drin. Wozu bitte jetzt noch die Regierungsbildung scheitern lassen – wie es die Jusos wollen. Mit welchem realistischen Ziel?

Vielleicht bin ich inzwischen – altersbedingt – zu pragmatisch.
Ihr könnt das gerne in euren Kommentaren zum Ausdruck bringen…