“Holly” von Stephen KING

Bewertung: 3.5 von 5.

KING schafft durch den Rückgriff auf eine aus vorigen Romanen bekannte Figur für Fans schnell eine große Vertrautheit. Die biografisch durchaus belastete “Privatermittlerin” Holly ist – ebenso wie einige Personen aus ihre Umfeld – sympathisch und bietet einen hohen Identifikationsanreiz.
Dagegen setzt KING mal wieder das “absolut BÖSE”, diesmal in Form eines alten Professoren-Ehepaars, das mordet, um sich selbst gesund zu erhalten. Statt mit Horror arbeitet KING also in diesem Roman mit den ziemlich unappetitlichen Neigungen eines vermeintlich harmlos-unauffälligen Seniorenpaars.

Obwohl man als Leser/in sehr schnell mit den Zusammenhängen vertraut gemacht wird (man kennt ja die Täter und ihre Motive) und man eigentlich “nur” der Ermittlerin bei der Arbeit zuschaut, bastelt der Autor natürlich auch diesmal einen wirkungsvollen Spannungsbogen. Das hat damit tun, dass KING ja bekannterweise mit seiner insgesamt unaufgeregten Stils trotzdem immer wieder einen erzählerischen “Sog” herstellt, dem man sich kaum entziehen kann.
Hilfreich ist auch, dass einem auch die Nebenfiguren und ihre persönlichen Ziele und Belange schnell ans Herz wachsen. Nicht besonders überraschend ist es für den leidenschaftlichen Vielschreiber, dass es (auch) in diesem Roman viel um literarische Themen geht.
Der Autor hat – wenn er sich nicht gerade auf der Täterseite austobt – einen sensiblen Blick und eine ausgeprägte Empathie für “normale” Menschen. Insbesondere in der Schlussphase des Romans rühren seine Schilderungen der Erfahrungen und Emotionen der Betroffenen wirklich an.

Schwierig und etwas widersprüchlich erscheint seine Auseinandersetzung mit dem “Bösen” – ganz offensichtlich ein Lebensthema des Autors. Irgendwie kann er sich nicht so recht einigen, ob die Täter nun “verrückt” oder die “Inkarnation des Bösen” sind – oder beides gleichzeitig?
Während KING seine positiven oder neutralen Figuren mit einigem psychologischen Feingefühl entwirft und begleitet, setzt er das in gewisser Weise “Böse” absolut. Es kommt aus einer dunklen Gegenwelt des Wahnsinns oder aus sonstigen tiefen menschlichen Abgründen, die sich einer differenzierten Ableitung oder Erklärung scheinbar entziehen.

Diese totale Abspaltung der (extremen) Schattenseiten menschlicher bzw. psychischer Entwicklung mag für die Dynamik des Plots ja durchaus nützlich sein; wirkt aber auf eine enttäuschende Weise holzschnittartig und undifferenziert.
Ob KING diese scharfe Grenze für sein persönliches Menschenbild braucht, können KING-Kenner sicher besser beurteilen; die Qualität des Romans wird dadurch ein wenig eingeschränkt.

Nach dem (endgültigen?) Abklingen der Corona-Pandemie wirken die häufigen Bezüge zu der Erkrankung und zu den darauf bezogenen Konflikten (Masken, Impfen) schon ein wenig ungewohnt, fast befremdlich: War das wirklich alles so schlimm und dominant?
Das war es wohl – in den USA sicher noch stärker als bei uns.
Ein zeitgeschichtlicher Bezug – auch wenn er eindeutig wertend ausfällt (für Impfen und gegen Trump) schadet m.E. dem Roman nicht.

Mein Tipp: Wenn schon KING, dann gelesen von David Nathan.

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